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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Vergleicht. Der Verfasser hebt hervor, daß die Gewerbestatistik einigermaßen irre¬
führe, indem sie die zu einer Fabrik vereinigten verschiednen Betriebe, z. B. die
Tapezierereien und Drechslereien der Möbelfabriken, die Böttchereien der großen
Brauereien, einzeln zählt und dadurch bewirkt, daß die Zahl der selbständigen
Handwerksbetriebe zu hoch erscheint. -- Ähnlich mag es mit den Gastwirtschaften
stehn, deren Inhaber, wie wir neulich erwähut haben, in vielen Fällen nur An¬
gestellte von Großbrauereicn sind, und mit den kleinen Kaufleuten, die vielfach nur
Zweiggeschäfte eines Großunternehmers leiten. Im Jahre 1898 hatten in Berlin
15 Cigarrenhändler 359 Zweiggeschäfte inne, einer dieser Händler hatte 62, ein
andrer sogar 82 Läden. Wir entnehmen diese Angaben dem Schriftchen: Die
Grvßbazare und Massenzweiggeschäfte von Paul Dehu (Berlin, Trowitzsch
und Sohn, 1899). Der Verfasser behauptet -- wobei er seine Behauptung durch
Thatsachen stützt--, daß diese Geschäfte durchaus auf unsolider Grundlage beruhte"
und allesamt des unlautern Wettbewerbs angeklagt werden könnten. Das ganze
Geheimnis ihres Erfolgs bestehe darin, daß sie eine Anzahl Lockartikel führten, die
sie unter dem Einkaufspreise verkauften, während die Preise, die sie sich für alle
übrigen Waren zahlen ließen, ungebührlich hoch seien; Verkäuferinnen, die viel Lock¬
artikel verkauften und nicht geschickt genug seien, die Kunden mit deu übrigen
Waren anzuschmieren, würden entlassen. Deu Trost, daß diese Geschäfte zum Ersatz
für die zu Grunde gerichteten Detaillisten in ihren Angestellten einen neuen Mittel¬
stand schufen, läßt Dehn nicht gelten; diese Angestellten würden im allgemeinen
schlecht bezahlt und überarbeitet. Und die Bazare proletarisierten nicht allein den
Stand der Detaillisten und ihre eignen Angestellten, sondern auch einen Teil der
Industrie. Sie führten fast nur Schund, und ihre Lieferanten seien genötigt, die
geforderte Wohlfeilheit durch schlechte Ausführung und Lohndrückerei möglich zu
machen. Wir sind persönlich nicht in der Lage, zu prüfen, in welchem Umfange
Dehns Angaben Geltung beanspruchen dürfen, können aber doch so viel sagen, daß
uns Einkäufe von Bekannten zu der Äußerung veranlaßt haben, wir würden in
einem solchen Geschäft niemals kaufen; denn den Preisen nach zu urteilen müßten
entweder die Bazcirinhaber die Waren gestohlen haben oder die Arbeiter, die sie
herstellten, mit Hnngerlöhnen abspeisen. Daß der Kleinhandel reformbedürftig ist,
läßt sich nicht bestreikn, denn bei der Überzahl von solchen Geschäften können die
Händler nur bestehn, wenn sie einen ungebührlich hohen Aufschlag auf die Waren
legen, und dabei ist die Zahl der Umsätze so gering, daß ihre Arbeit zum ge¬
schäftigen Müßiggang zusammenschrumpft. Aber in den Bazaren vermögen auch
wir die Reform uicht zu sehn. Vielleicht führen sie diese aber herbei, wenn, wie
Dehn empfiehlt, die Handwerker und Kleinhändler, durch die Konkurrenz der "Kauf¬
häuser" gezwungen, Verkaufshallen nach Art der Markthallen einrichten; die Städte
hätten die Gebäude zu schaffen, die sie natürlich nicht umsonst, sondern gegen Pacht
den Geschäftsleuten zur Verfügung stellen würden. Den Bazaren will Dehn mit
einer Steuer zu Leibe gehn, die nach der Zahl der Warengruppen steigen soll,
sodaß die Vereinigung vieler Warenarten in einem Geschäft erschwert wird. --
Mit einer wichtigen Frage des grvßindustriellen Betriebs beschäftigt sich das neuste
Schriftchen des wackern Fabrikanten Heinrich Freese: Fabrikantenglück, ein
Weg, der dazu führen kauu (Eisenach, M. Wilckens, 1899). Aus deu "Fabrikanten¬
sorgen" (erster Band des Jahrgangs 1897 der Grenzboten S. 414) wissen wir,
daß Freese in seiner Fabrik die Gewinnbeteiligung eingeführt hat, und die meint
er mit dem Wege, der zum Fabrikantenglnck führen könne. Ehe er es selbst mit
diesem System wagte, hat er es in den bedeutendsten Unternehmungen, die ihm
damit vorangegangen waren, studiert. Es sind meistens Franzosen gewesen, die,
von ihren großen sozialistischen Utopisten angeregt, sich gesagt haben: Ist das Ganze
eine Utopie, so kann doch wenigstens einiges davon in einem bescheidnen Umfange


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Vergleicht. Der Verfasser hebt hervor, daß die Gewerbestatistik einigermaßen irre¬
führe, indem sie die zu einer Fabrik vereinigten verschiednen Betriebe, z. B. die
Tapezierereien und Drechslereien der Möbelfabriken, die Böttchereien der großen
Brauereien, einzeln zählt und dadurch bewirkt, daß die Zahl der selbständigen
Handwerksbetriebe zu hoch erscheint. — Ähnlich mag es mit den Gastwirtschaften
stehn, deren Inhaber, wie wir neulich erwähut haben, in vielen Fällen nur An¬
gestellte von Großbrauereicn sind, und mit den kleinen Kaufleuten, die vielfach nur
Zweiggeschäfte eines Großunternehmers leiten. Im Jahre 1898 hatten in Berlin
15 Cigarrenhändler 359 Zweiggeschäfte inne, einer dieser Händler hatte 62, ein
andrer sogar 82 Läden. Wir entnehmen diese Angaben dem Schriftchen: Die
Grvßbazare und Massenzweiggeschäfte von Paul Dehu (Berlin, Trowitzsch
und Sohn, 1899). Der Verfasser behauptet — wobei er seine Behauptung durch
Thatsachen stützt—, daß diese Geschäfte durchaus auf unsolider Grundlage beruhte»
und allesamt des unlautern Wettbewerbs angeklagt werden könnten. Das ganze
Geheimnis ihres Erfolgs bestehe darin, daß sie eine Anzahl Lockartikel führten, die
sie unter dem Einkaufspreise verkauften, während die Preise, die sie sich für alle
übrigen Waren zahlen ließen, ungebührlich hoch seien; Verkäuferinnen, die viel Lock¬
artikel verkauften und nicht geschickt genug seien, die Kunden mit deu übrigen
Waren anzuschmieren, würden entlassen. Deu Trost, daß diese Geschäfte zum Ersatz
für die zu Grunde gerichteten Detaillisten in ihren Angestellten einen neuen Mittel¬
stand schufen, läßt Dehn nicht gelten; diese Angestellten würden im allgemeinen
schlecht bezahlt und überarbeitet. Und die Bazare proletarisierten nicht allein den
Stand der Detaillisten und ihre eignen Angestellten, sondern auch einen Teil der
Industrie. Sie führten fast nur Schund, und ihre Lieferanten seien genötigt, die
geforderte Wohlfeilheit durch schlechte Ausführung und Lohndrückerei möglich zu
machen. Wir sind persönlich nicht in der Lage, zu prüfen, in welchem Umfange
Dehns Angaben Geltung beanspruchen dürfen, können aber doch so viel sagen, daß
uns Einkäufe von Bekannten zu der Äußerung veranlaßt haben, wir würden in
einem solchen Geschäft niemals kaufen; denn den Preisen nach zu urteilen müßten
entweder die Bazcirinhaber die Waren gestohlen haben oder die Arbeiter, die sie
herstellten, mit Hnngerlöhnen abspeisen. Daß der Kleinhandel reformbedürftig ist,
läßt sich nicht bestreikn, denn bei der Überzahl von solchen Geschäften können die
Händler nur bestehn, wenn sie einen ungebührlich hohen Aufschlag auf die Waren
legen, und dabei ist die Zahl der Umsätze so gering, daß ihre Arbeit zum ge¬
schäftigen Müßiggang zusammenschrumpft. Aber in den Bazaren vermögen auch
wir die Reform uicht zu sehn. Vielleicht führen sie diese aber herbei, wenn, wie
Dehn empfiehlt, die Handwerker und Kleinhändler, durch die Konkurrenz der „Kauf¬
häuser" gezwungen, Verkaufshallen nach Art der Markthallen einrichten; die Städte
hätten die Gebäude zu schaffen, die sie natürlich nicht umsonst, sondern gegen Pacht
den Geschäftsleuten zur Verfügung stellen würden. Den Bazaren will Dehn mit
einer Steuer zu Leibe gehn, die nach der Zahl der Warengruppen steigen soll,
sodaß die Vereinigung vieler Warenarten in einem Geschäft erschwert wird. —
Mit einer wichtigen Frage des grvßindustriellen Betriebs beschäftigt sich das neuste
Schriftchen des wackern Fabrikanten Heinrich Freese: Fabrikantenglück, ein
Weg, der dazu führen kauu (Eisenach, M. Wilckens, 1899). Aus deu „Fabrikanten¬
sorgen" (erster Band des Jahrgangs 1897 der Grenzboten S. 414) wissen wir,
daß Freese in seiner Fabrik die Gewinnbeteiligung eingeführt hat, und die meint
er mit dem Wege, der zum Fabrikantenglnck führen könne. Ehe er es selbst mit
diesem System wagte, hat er es in den bedeutendsten Unternehmungen, die ihm
damit vorangegangen waren, studiert. Es sind meistens Franzosen gewesen, die,
von ihren großen sozialistischen Utopisten angeregt, sich gesagt haben: Ist das Ganze
eine Utopie, so kann doch wenigstens einiges davon in einem bescheidnen Umfange


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[0060] Maßgebliches und Unmaßgebliches Vergleicht. Der Verfasser hebt hervor, daß die Gewerbestatistik einigermaßen irre¬ führe, indem sie die zu einer Fabrik vereinigten verschiednen Betriebe, z. B. die Tapezierereien und Drechslereien der Möbelfabriken, die Böttchereien der großen Brauereien, einzeln zählt und dadurch bewirkt, daß die Zahl der selbständigen Handwerksbetriebe zu hoch erscheint. — Ähnlich mag es mit den Gastwirtschaften stehn, deren Inhaber, wie wir neulich erwähut haben, in vielen Fällen nur An¬ gestellte von Großbrauereicn sind, und mit den kleinen Kaufleuten, die vielfach nur Zweiggeschäfte eines Großunternehmers leiten. Im Jahre 1898 hatten in Berlin 15 Cigarrenhändler 359 Zweiggeschäfte inne, einer dieser Händler hatte 62, ein andrer sogar 82 Läden. Wir entnehmen diese Angaben dem Schriftchen: Die Grvßbazare und Massenzweiggeschäfte von Paul Dehu (Berlin, Trowitzsch und Sohn, 1899). Der Verfasser behauptet — wobei er seine Behauptung durch Thatsachen stützt—, daß diese Geschäfte durchaus auf unsolider Grundlage beruhte» und allesamt des unlautern Wettbewerbs angeklagt werden könnten. Das ganze Geheimnis ihres Erfolgs bestehe darin, daß sie eine Anzahl Lockartikel führten, die sie unter dem Einkaufspreise verkauften, während die Preise, die sie sich für alle übrigen Waren zahlen ließen, ungebührlich hoch seien; Verkäuferinnen, die viel Lock¬ artikel verkauften und nicht geschickt genug seien, die Kunden mit deu übrigen Waren anzuschmieren, würden entlassen. Deu Trost, daß diese Geschäfte zum Ersatz für die zu Grunde gerichteten Detaillisten in ihren Angestellten einen neuen Mittel¬ stand schufen, läßt Dehn nicht gelten; diese Angestellten würden im allgemeinen schlecht bezahlt und überarbeitet. Und die Bazare proletarisierten nicht allein den Stand der Detaillisten und ihre eignen Angestellten, sondern auch einen Teil der Industrie. Sie führten fast nur Schund, und ihre Lieferanten seien genötigt, die geforderte Wohlfeilheit durch schlechte Ausführung und Lohndrückerei möglich zu machen. Wir sind persönlich nicht in der Lage, zu prüfen, in welchem Umfange Dehns Angaben Geltung beanspruchen dürfen, können aber doch so viel sagen, daß uns Einkäufe von Bekannten zu der Äußerung veranlaßt haben, wir würden in einem solchen Geschäft niemals kaufen; denn den Preisen nach zu urteilen müßten entweder die Bazcirinhaber die Waren gestohlen haben oder die Arbeiter, die sie herstellten, mit Hnngerlöhnen abspeisen. Daß der Kleinhandel reformbedürftig ist, läßt sich nicht bestreikn, denn bei der Überzahl von solchen Geschäften können die Händler nur bestehn, wenn sie einen ungebührlich hohen Aufschlag auf die Waren legen, und dabei ist die Zahl der Umsätze so gering, daß ihre Arbeit zum ge¬ schäftigen Müßiggang zusammenschrumpft. Aber in den Bazaren vermögen auch wir die Reform uicht zu sehn. Vielleicht führen sie diese aber herbei, wenn, wie Dehn empfiehlt, die Handwerker und Kleinhändler, durch die Konkurrenz der „Kauf¬ häuser" gezwungen, Verkaufshallen nach Art der Markthallen einrichten; die Städte hätten die Gebäude zu schaffen, die sie natürlich nicht umsonst, sondern gegen Pacht den Geschäftsleuten zur Verfügung stellen würden. Den Bazaren will Dehn mit einer Steuer zu Leibe gehn, die nach der Zahl der Warengruppen steigen soll, sodaß die Vereinigung vieler Warenarten in einem Geschäft erschwert wird. — Mit einer wichtigen Frage des grvßindustriellen Betriebs beschäftigt sich das neuste Schriftchen des wackern Fabrikanten Heinrich Freese: Fabrikantenglück, ein Weg, der dazu führen kauu (Eisenach, M. Wilckens, 1899). Aus deu „Fabrikanten¬ sorgen" (erster Band des Jahrgangs 1897 der Grenzboten S. 414) wissen wir, daß Freese in seiner Fabrik die Gewinnbeteiligung eingeführt hat, und die meint er mit dem Wege, der zum Fabrikantenglnck führen könne. Ehe er es selbst mit diesem System wagte, hat er es in den bedeutendsten Unternehmungen, die ihm damit vorangegangen waren, studiert. Es sind meistens Franzosen gewesen, die, von ihren großen sozialistischen Utopisten angeregt, sich gesagt haben: Ist das Ganze eine Utopie, so kann doch wenigstens einiges davon in einem bescheidnen Umfange

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/60>, abgerufen am 02.07.2024.