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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Das Doppelgeschivader, die Gefechtseinheit der deutschen Schlachtflotte

Flotte formiert ist, läßt sich nicht voraussagen. Wir können aber hoffen, daß
wir bei tüchtiger taktischer Ausbildung mit unsrer Gefechtseinheit, dem Doppel¬
geschwader, getrost den Kampf auch gegen einen überlegnen Gegner aufzu¬
nehmen imstande sind. An Zahl unterlegnen feindlichen Streitlüsten, wie sie
im Verlaufe eines Seekriegs auftreten und durch geschickte strategische Manöver
zum Schlagen gezwungen werden können, wird das Dvppelgcschwader ohne
weiteres gewachsen sein. Eine Verwendung von feindlichen Flotten in größerer
Stärke als annähernd von zwanzig Schissen unter einheitlicher Leitung zu
einer rangierten Hochseeschlacht ist nicht zu befürchten; Wohl aber müssen
wir mit Sicherheit annehmen, daß in einem Kriege mit einem oder zwei über¬
legnen Gegnern mehrere Flotten in Thätigkeit treten. Wollen wir einem
solchen starken Feind gewachsen sein und die Seeherrschaft in unsern eignen
Meeren behaupten, so müssen wir in der Lage sein, auch an verschiednen
Plätzen des .Kriegstheaters mit der von uns erprobten Gefechtseinheit den
Kampf zu führen. Wollen wir eine starke Flotte schaffen, die den seemächtigen
Nationen schon im Frieden Achtung einflößt und den die Operationen zur
See leitenden Befehlshabern die Macht giebt, erfolgreiche schlüge gegen den
Feind im Kriege zu führen, so kann es sich nur um die Neuschaffung einer
zweiten Gefechtseinheit handeln. Bruchteile eines Geschwaders oder ein drittes
Geschwader genügen, wie die Begründung zur Novelle zum Flotteugesetz von
1898 sagt, nicht, sie haben nur den Wert einer erhöhten Materialreserve! Mit
einer solchen stückweise gemachten Ergänzung unsrer Scestreitkräfte ist den Be¬
fehlshabern nicht gedient, die ganze mühsame Arbeit vieler Jahre würde ver¬
loren gehn; es müßten neue Formationen geschaffen werden, und die bisher
als richtig anerkannte Form und Durchführung unsrer Taktik aufgegeben werden.
Wie in der Armee die Division die Gefechtseinheit ausmacht, und erst im
Armeekorps die Schlnchteinheit verkörpert ist, so müssen wir zur See zwei
Doppelgeschwader als Gefechtseinheiten haben. Die gesamte Flotte, bestehend
aus dem aktiven und dein Neservedoppelgeschwcider, macht alsdann die
Schlachteneinheit aus, mit der wir in der Lage sind, den Feind, der es wagt,
uns anzugreifen, abzuwehren und die Seeherrschaft in unsern eignen Gewässern
zu bewahren.




Das Doppelgeschivader, die Gefechtseinheit der deutschen Schlachtflotte

Flotte formiert ist, läßt sich nicht voraussagen. Wir können aber hoffen, daß
wir bei tüchtiger taktischer Ausbildung mit unsrer Gefechtseinheit, dem Doppel¬
geschwader, getrost den Kampf auch gegen einen überlegnen Gegner aufzu¬
nehmen imstande sind. An Zahl unterlegnen feindlichen Streitlüsten, wie sie
im Verlaufe eines Seekriegs auftreten und durch geschickte strategische Manöver
zum Schlagen gezwungen werden können, wird das Dvppelgcschwader ohne
weiteres gewachsen sein. Eine Verwendung von feindlichen Flotten in größerer
Stärke als annähernd von zwanzig Schissen unter einheitlicher Leitung zu
einer rangierten Hochseeschlacht ist nicht zu befürchten; Wohl aber müssen
wir mit Sicherheit annehmen, daß in einem Kriege mit einem oder zwei über¬
legnen Gegnern mehrere Flotten in Thätigkeit treten. Wollen wir einem
solchen starken Feind gewachsen sein und die Seeherrschaft in unsern eignen
Meeren behaupten, so müssen wir in der Lage sein, auch an verschiednen
Plätzen des .Kriegstheaters mit der von uns erprobten Gefechtseinheit den
Kampf zu führen. Wollen wir eine starke Flotte schaffen, die den seemächtigen
Nationen schon im Frieden Achtung einflößt und den die Operationen zur
See leitenden Befehlshabern die Macht giebt, erfolgreiche schlüge gegen den
Feind im Kriege zu führen, so kann es sich nur um die Neuschaffung einer
zweiten Gefechtseinheit handeln. Bruchteile eines Geschwaders oder ein drittes
Geschwader genügen, wie die Begründung zur Novelle zum Flotteugesetz von
1898 sagt, nicht, sie haben nur den Wert einer erhöhten Materialreserve! Mit
einer solchen stückweise gemachten Ergänzung unsrer Scestreitkräfte ist den Be¬
fehlshabern nicht gedient, die ganze mühsame Arbeit vieler Jahre würde ver¬
loren gehn; es müßten neue Formationen geschaffen werden, und die bisher
als richtig anerkannte Form und Durchführung unsrer Taktik aufgegeben werden.
Wie in der Armee die Division die Gefechtseinheit ausmacht, und erst im
Armeekorps die Schlnchteinheit verkörpert ist, so müssen wir zur See zwei
Doppelgeschwader als Gefechtseinheiten haben. Die gesamte Flotte, bestehend
aus dem aktiven und dein Neservedoppelgeschwcider, macht alsdann die
Schlachteneinheit aus, mit der wir in der Lage sind, den Feind, der es wagt,
uns anzugreifen, abzuwehren und die Seeherrschaft in unsern eignen Gewässern
zu bewahren.




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[0598] Das Doppelgeschivader, die Gefechtseinheit der deutschen Schlachtflotte Flotte formiert ist, läßt sich nicht voraussagen. Wir können aber hoffen, daß wir bei tüchtiger taktischer Ausbildung mit unsrer Gefechtseinheit, dem Doppel¬ geschwader, getrost den Kampf auch gegen einen überlegnen Gegner aufzu¬ nehmen imstande sind. An Zahl unterlegnen feindlichen Streitlüsten, wie sie im Verlaufe eines Seekriegs auftreten und durch geschickte strategische Manöver zum Schlagen gezwungen werden können, wird das Dvppelgcschwader ohne weiteres gewachsen sein. Eine Verwendung von feindlichen Flotten in größerer Stärke als annähernd von zwanzig Schissen unter einheitlicher Leitung zu einer rangierten Hochseeschlacht ist nicht zu befürchten; Wohl aber müssen wir mit Sicherheit annehmen, daß in einem Kriege mit einem oder zwei über¬ legnen Gegnern mehrere Flotten in Thätigkeit treten. Wollen wir einem solchen starken Feind gewachsen sein und die Seeherrschaft in unsern eignen Meeren behaupten, so müssen wir in der Lage sein, auch an verschiednen Plätzen des .Kriegstheaters mit der von uns erprobten Gefechtseinheit den Kampf zu führen. Wollen wir eine starke Flotte schaffen, die den seemächtigen Nationen schon im Frieden Achtung einflößt und den die Operationen zur See leitenden Befehlshabern die Macht giebt, erfolgreiche schlüge gegen den Feind im Kriege zu führen, so kann es sich nur um die Neuschaffung einer zweiten Gefechtseinheit handeln. Bruchteile eines Geschwaders oder ein drittes Geschwader genügen, wie die Begründung zur Novelle zum Flotteugesetz von 1898 sagt, nicht, sie haben nur den Wert einer erhöhten Materialreserve! Mit einer solchen stückweise gemachten Ergänzung unsrer Scestreitkräfte ist den Be¬ fehlshabern nicht gedient, die ganze mühsame Arbeit vieler Jahre würde ver¬ loren gehn; es müßten neue Formationen geschaffen werden, und die bisher als richtig anerkannte Form und Durchführung unsrer Taktik aufgegeben werden. Wie in der Armee die Division die Gefechtseinheit ausmacht, und erst im Armeekorps die Schlnchteinheit verkörpert ist, so müssen wir zur See zwei Doppelgeschwader als Gefechtseinheiten haben. Die gesamte Flotte, bestehend aus dem aktiven und dein Neservedoppelgeschwcider, macht alsdann die Schlachteneinheit aus, mit der wir in der Lage sind, den Feind, der es wagt, uns anzugreifen, abzuwehren und die Seeherrschaft in unsern eignen Gewässern zu bewahren.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/598>, abgerufen am 30.06.2024.