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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Lin zeitgenössischer Bericht über den Rastadter Gesandtemnord

Inzwischen erschien ein Husarenoffizier, der die Weiterfahrt des Wagens
anordnete und hinzufügte, daß die Damen an, Schloßthor aufsteigen mußten,
und daß der Wagen ihnen folgen werde. Ich bestand darauf, daß Frau Roberjot
den Wagen verließe und in das Haus des preußischen Gesandten von Jacobi
trete, vor dem der Wagen gerade hielt, Baron Edelsheim, der hinzukam,
unterstütze mich mit allem Nachdruck und fragte den Offizier, wer er sei.
Dieser erwiderte, er sei Leutnant, habe bestimmte Befehle und müsse sich nach
diesen richten. Als wir mit unsern Vorstellungen fortführe", sagte er endlich,
..Nun wohl, führen Sie die Damen, wohin Sie wollen," Graf Bernstorff,
Jordan und ich traten an den Wagen, öffneten den Schlag und wollten
einiges herausnehmen, um es vor der Raubsucht der Soldaten zu retten.
Bernstorff hatte schon ein uöosssairs und einen Sack mit 2000 Francs in der
Hand, die Husaren aber zwangen ihn, diese Gegenstände in den Wagen zurück¬
zulegen; sie sprachen untereinander ungarisch, was ich nicht verstand; ich unter¬
schied nur die Worte: "Die Damen, die Damen."

Bernstorff. Jordan und ich ließen nunmehr Frau Roberjot aus dem
Wagen steigen -- sie war in einem Zustand entsetzlicher Schwäche; ich be¬
gleitete sie in die Jordansche Wohnung, wo wir die nahezu Bewußtlose auf
ein Kanapee legten; sie vermochte nur einige Worte hervorzubringen: "Er ist
tot, die Ungeheuer haben ihn vor meinen Augen in Stücke gehauen; ich habe
ihn in Blut gebadet gesehen." Wir versuchten ihr Beruhigung und Trost zu¬
zusprechen; die Erregung, in der sie sich befand, war aber so groß, daß sie
anfangs keine Thräne vergoß. Sie nannte immer wieder den Namen des
Toten. Frau von Jacobi' und ihre Tochter thaten ihr möglichstes, sie zu
trösten, und das Zimmer füllte sich allmählich mit aufgeregten und entsetzten
Menschen.

Um meinen Bericht nicht zu unterbreche",, muß ich hinzufügen, daß
ich, während ich vor Noberjots Kutsche stand, den Wagen Debrys von der
Straße des Franziskanerklosters her herankommen sah. Ich lief darauf zu,
Debrys Frau und Töchter stürzten auf mich los und baten mich schluchzend,
sie zu retten, indem sie versicherte", daß sie verloren seien. Unterdessen kamen
die Husaren, die den Wagen begleiteten, auf mich los und weben much und
it)ren Pfaden derartig i" die Ettge, daß ich mich nicht rühren konnte. Meine
Entrüstung gab mir'indessen Kraft, und als Herr von Albini in demselben
Augenblick herankam, sprach dieser so nachdrücklich zu den Soldaten, daß sie
uns an den Wagen heranzutreten erlaubten. Wir suchten die ""glücklichen
Opfer so gut wie möglich zu trösten und führten sie in das Schloß.

Während wir noch bei Baron Jacobi waren, kam der Diener Noberjots,
dem der Kutscher Bonuiers folgte; beide suchten hier Sicherheit. Der Kutscher
erzählte, daß er seinen Herrn habe massakrieren sehen, indes er inmitten deS
Handgemenges entkommen sei. Jetzt schritt ich zu einen. Verhör mit dem Diener,
der folgendes aussagte: Noch nicht vierhundert Schritt von der Stadt entfernt,
hatten sie ans der Richtung der Rhcinnuer Brücke Lärm und Geschrei gehört.


Lin zeitgenössischer Bericht über den Rastadter Gesandtemnord

Inzwischen erschien ein Husarenoffizier, der die Weiterfahrt des Wagens
anordnete und hinzufügte, daß die Damen an, Schloßthor aufsteigen mußten,
und daß der Wagen ihnen folgen werde. Ich bestand darauf, daß Frau Roberjot
den Wagen verließe und in das Haus des preußischen Gesandten von Jacobi
trete, vor dem der Wagen gerade hielt, Baron Edelsheim, der hinzukam,
unterstütze mich mit allem Nachdruck und fragte den Offizier, wer er sei.
Dieser erwiderte, er sei Leutnant, habe bestimmte Befehle und müsse sich nach
diesen richten. Als wir mit unsern Vorstellungen fortführe», sagte er endlich,
..Nun wohl, führen Sie die Damen, wohin Sie wollen," Graf Bernstorff,
Jordan und ich traten an den Wagen, öffneten den Schlag und wollten
einiges herausnehmen, um es vor der Raubsucht der Soldaten zu retten.
Bernstorff hatte schon ein uöosssairs und einen Sack mit 2000 Francs in der
Hand, die Husaren aber zwangen ihn, diese Gegenstände in den Wagen zurück¬
zulegen; sie sprachen untereinander ungarisch, was ich nicht verstand; ich unter¬
schied nur die Worte: „Die Damen, die Damen."

Bernstorff. Jordan und ich ließen nunmehr Frau Roberjot aus dem
Wagen steigen — sie war in einem Zustand entsetzlicher Schwäche; ich be¬
gleitete sie in die Jordansche Wohnung, wo wir die nahezu Bewußtlose auf
ein Kanapee legten; sie vermochte nur einige Worte hervorzubringen: „Er ist
tot, die Ungeheuer haben ihn vor meinen Augen in Stücke gehauen; ich habe
ihn in Blut gebadet gesehen." Wir versuchten ihr Beruhigung und Trost zu¬
zusprechen; die Erregung, in der sie sich befand, war aber so groß, daß sie
anfangs keine Thräne vergoß. Sie nannte immer wieder den Namen des
Toten. Frau von Jacobi' und ihre Tochter thaten ihr möglichstes, sie zu
trösten, und das Zimmer füllte sich allmählich mit aufgeregten und entsetzten
Menschen.

Um meinen Bericht nicht zu unterbreche»,, muß ich hinzufügen, daß
ich, während ich vor Noberjots Kutsche stand, den Wagen Debrys von der
Straße des Franziskanerklosters her herankommen sah. Ich lief darauf zu,
Debrys Frau und Töchter stürzten auf mich los und baten mich schluchzend,
sie zu retten, indem sie versicherte», daß sie verloren seien. Unterdessen kamen
die Husaren, die den Wagen begleiteten, auf mich los und weben much und
it)ren Pfaden derartig i» die Ettge, daß ich mich nicht rühren konnte. Meine
Entrüstung gab mir'indessen Kraft, und als Herr von Albini in demselben
Augenblick herankam, sprach dieser so nachdrücklich zu den Soldaten, daß sie
uns an den Wagen heranzutreten erlaubten. Wir suchten die »»glücklichen
Opfer so gut wie möglich zu trösten und führten sie in das Schloß.

Während wir noch bei Baron Jacobi waren, kam der Diener Noberjots,
dem der Kutscher Bonuiers folgte; beide suchten hier Sicherheit. Der Kutscher
erzählte, daß er seinen Herrn habe massakrieren sehen, indes er inmitten deS
Handgemenges entkommen sei. Jetzt schritt ich zu einen. Verhör mit dem Diener,
der folgendes aussagte: Noch nicht vierhundert Schritt von der Stadt entfernt,
hatten sie ans der Richtung der Rhcinnuer Brücke Lärm und Geschrei gehört.


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[0583] Lin zeitgenössischer Bericht über den Rastadter Gesandtemnord Inzwischen erschien ein Husarenoffizier, der die Weiterfahrt des Wagens anordnete und hinzufügte, daß die Damen an, Schloßthor aufsteigen mußten, und daß der Wagen ihnen folgen werde. Ich bestand darauf, daß Frau Roberjot den Wagen verließe und in das Haus des preußischen Gesandten von Jacobi trete, vor dem der Wagen gerade hielt, Baron Edelsheim, der hinzukam, unterstütze mich mit allem Nachdruck und fragte den Offizier, wer er sei. Dieser erwiderte, er sei Leutnant, habe bestimmte Befehle und müsse sich nach diesen richten. Als wir mit unsern Vorstellungen fortführe», sagte er endlich, ..Nun wohl, führen Sie die Damen, wohin Sie wollen," Graf Bernstorff, Jordan und ich traten an den Wagen, öffneten den Schlag und wollten einiges herausnehmen, um es vor der Raubsucht der Soldaten zu retten. Bernstorff hatte schon ein uöosssairs und einen Sack mit 2000 Francs in der Hand, die Husaren aber zwangen ihn, diese Gegenstände in den Wagen zurück¬ zulegen; sie sprachen untereinander ungarisch, was ich nicht verstand; ich unter¬ schied nur die Worte: „Die Damen, die Damen." Bernstorff. Jordan und ich ließen nunmehr Frau Roberjot aus dem Wagen steigen — sie war in einem Zustand entsetzlicher Schwäche; ich be¬ gleitete sie in die Jordansche Wohnung, wo wir die nahezu Bewußtlose auf ein Kanapee legten; sie vermochte nur einige Worte hervorzubringen: „Er ist tot, die Ungeheuer haben ihn vor meinen Augen in Stücke gehauen; ich habe ihn in Blut gebadet gesehen." Wir versuchten ihr Beruhigung und Trost zu¬ zusprechen; die Erregung, in der sie sich befand, war aber so groß, daß sie anfangs keine Thräne vergoß. Sie nannte immer wieder den Namen des Toten. Frau von Jacobi' und ihre Tochter thaten ihr möglichstes, sie zu trösten, und das Zimmer füllte sich allmählich mit aufgeregten und entsetzten Menschen. Um meinen Bericht nicht zu unterbreche»,, muß ich hinzufügen, daß ich, während ich vor Noberjots Kutsche stand, den Wagen Debrys von der Straße des Franziskanerklosters her herankommen sah. Ich lief darauf zu, Debrys Frau und Töchter stürzten auf mich los und baten mich schluchzend, sie zu retten, indem sie versicherte», daß sie verloren seien. Unterdessen kamen die Husaren, die den Wagen begleiteten, auf mich los und weben much und it)ren Pfaden derartig i» die Ettge, daß ich mich nicht rühren konnte. Meine Entrüstung gab mir'indessen Kraft, und als Herr von Albini in demselben Augenblick herankam, sprach dieser so nachdrücklich zu den Soldaten, daß sie uns an den Wagen heranzutreten erlaubten. Wir suchten die »»glücklichen Opfer so gut wie möglich zu trösten und führten sie in das Schloß. Während wir noch bei Baron Jacobi waren, kam der Diener Noberjots, dem der Kutscher Bonuiers folgte; beide suchten hier Sicherheit. Der Kutscher erzählte, daß er seinen Herrn habe massakrieren sehen, indes er inmitten deS Handgemenges entkommen sei. Jetzt schritt ich zu einen. Verhör mit dem Diener, der folgendes aussagte: Noch nicht vierhundert Schritt von der Stadt entfernt, hatten sie ans der Richtung der Rhcinnuer Brücke Lärm und Geschrei gehört.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/583>, abgerufen am 04.07.2024.