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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Ein zeitgenössischer Bericht über den Nastcitter Gesandtenmord

und Gesandter), ein kluger Kopf, geschmeidig, aufpassend, ursprünglich el"
Emigrant, wenn vielleicht auch kein aristokratischer, der in Regensburg bei
dem Grafen Görz und durch diesen bei seinem Schwiegersohn, dem Grafen
Rechberg große Protektion gefunden, die er ihm durch die Arbeiten seiner
französischen Feder, die er wohl zu führen wußte in Fassung von französischen
Noten und Memoiren, zu vergelten gesucht. Bei den französischen Gesandten
war er, ungeachtet seiner nngenommnen Rolle als Emigrant/) sehr wohl ge¬
litten und hat anch, wie ich glaube, durch seine geschickten Insinuationen und
Informationen den: bayrischen Interesse und für den Grafen Görz auch dem
preußischen Vorschub geleistet."

Nachdem wir dies vorausgeschickt haben, lassen wir die Brahsche ä6p08ition
für sich selbst reden. Daß der Verfasser niemand zuliebe und niemand zuleide
berichtet, sondern einfach gesagt hat, "wie es gewesen," ergiebt sich aus dem
Aktenstücke selbst und braucht demgemäß nicht besonders nachgewiesen zu werden.
Die vorliegende Übersetzung schließt sich dem französischen Texte so genau an,
daß sie seine stilistischen Unvollkouunenheiten teilt. Sie taillee:

Folgendes ist meine Aussage: Als ich (28. April 1799) etwa um 7^ Uhr
bei dem Minister Debry war, sah ich die Herren voll Albini und von Edels-
heim, sowie den Minister Bonnier anlangen; diese teilten mit, daß ein an
die französische Gesandtschaft gerichtetes Schreiben des Obersten Barbaszy von
einem Offizier überbracht worden sei. Als die Herren eintraten, zogen wir
uns, ich und der Frankfurter Minister Schweizer, zurück. Durch den Hof auf
die Straße gelangend sah ich eine Abteilung von Szekler Husaren einrücken,
die vor dem großen Thor des Schlosses defilierten. Einen Augenblick darauf
eilte ich zu dem Minister Roberjvt, der sich zu seinem Kollegen Debry begeben
hatte, und dessen Gemahlin ich in der Gesellschaft zahlreicher diplomatischer
Vertreter verschiedener Länder antraf. Wenig später trat der Minister Roberjvt
ein lind erklärte den anwesenden Personen, daß er und seine Kollegen be¬
schlossen hätten, sogleich abzureisen. Er nahm von den Anwesenden, die ihm
den lebhaftesten Anteil bewiesen, Abschied. Sie alle bedauerten die Trennung
von einem braven Manne, der sich in Rastatt wie in Hamburg immer bemüht
gezeigt hatte, Andern Dienste zu erweisen und Gutes zu thun.

Nachdem sich die Gesellschaft entfernt hatte, blieb ich zurück. Noberjot
umarmte mich mit den Worten, daß er immerdar und überall derselbe für mich
bleiben werde. Frau Noberjot erklärte jetzt, daß sie den Beschluß, so spät abends
abzureisen, mißbillige, daß das mißverstanden werden könnte, und daß es
überdies noch tausend Dinge zu erledigen gebe, deren Ende nicht abzusehen sei.
Es werde besser sein, die Abreise ans morgen zu verschieben. Ich trat dieser
Meinung entschieden bei -- Noberjot aber erklärte, daß er, da seine Kollegen



^) Längs Abneigung gegen den Grafen Brau macht sich in den Memoiren wiederholt
geltend. Daß er den Chevalier, der als Malteserritter sechzehn Ahnen nachweisen gemußt
und einer alten normannischen Adelsfamilie entstammte, für einen Emporkömmling und nur
angeblichen Emigranten hielt, beruht auf Irrtum,
Ein zeitgenössischer Bericht über den Nastcitter Gesandtenmord

und Gesandter), ein kluger Kopf, geschmeidig, aufpassend, ursprünglich el»
Emigrant, wenn vielleicht auch kein aristokratischer, der in Regensburg bei
dem Grafen Görz und durch diesen bei seinem Schwiegersohn, dem Grafen
Rechberg große Protektion gefunden, die er ihm durch die Arbeiten seiner
französischen Feder, die er wohl zu führen wußte in Fassung von französischen
Noten und Memoiren, zu vergelten gesucht. Bei den französischen Gesandten
war er, ungeachtet seiner nngenommnen Rolle als Emigrant/) sehr wohl ge¬
litten und hat anch, wie ich glaube, durch seine geschickten Insinuationen und
Informationen den: bayrischen Interesse und für den Grafen Görz auch dem
preußischen Vorschub geleistet."

Nachdem wir dies vorausgeschickt haben, lassen wir die Brahsche ä6p08ition
für sich selbst reden. Daß der Verfasser niemand zuliebe und niemand zuleide
berichtet, sondern einfach gesagt hat, „wie es gewesen," ergiebt sich aus dem
Aktenstücke selbst und braucht demgemäß nicht besonders nachgewiesen zu werden.
Die vorliegende Übersetzung schließt sich dem französischen Texte so genau an,
daß sie seine stilistischen Unvollkouunenheiten teilt. Sie taillee:

Folgendes ist meine Aussage: Als ich (28. April 1799) etwa um 7^ Uhr
bei dem Minister Debry war, sah ich die Herren voll Albini und von Edels-
heim, sowie den Minister Bonnier anlangen; diese teilten mit, daß ein an
die französische Gesandtschaft gerichtetes Schreiben des Obersten Barbaszy von
einem Offizier überbracht worden sei. Als die Herren eintraten, zogen wir
uns, ich und der Frankfurter Minister Schweizer, zurück. Durch den Hof auf
die Straße gelangend sah ich eine Abteilung von Szekler Husaren einrücken,
die vor dem großen Thor des Schlosses defilierten. Einen Augenblick darauf
eilte ich zu dem Minister Roberjvt, der sich zu seinem Kollegen Debry begeben
hatte, und dessen Gemahlin ich in der Gesellschaft zahlreicher diplomatischer
Vertreter verschiedener Länder antraf. Wenig später trat der Minister Roberjvt
ein lind erklärte den anwesenden Personen, daß er und seine Kollegen be¬
schlossen hätten, sogleich abzureisen. Er nahm von den Anwesenden, die ihm
den lebhaftesten Anteil bewiesen, Abschied. Sie alle bedauerten die Trennung
von einem braven Manne, der sich in Rastatt wie in Hamburg immer bemüht
gezeigt hatte, Andern Dienste zu erweisen und Gutes zu thun.

Nachdem sich die Gesellschaft entfernt hatte, blieb ich zurück. Noberjot
umarmte mich mit den Worten, daß er immerdar und überall derselbe für mich
bleiben werde. Frau Noberjot erklärte jetzt, daß sie den Beschluß, so spät abends
abzureisen, mißbillige, daß das mißverstanden werden könnte, und daß es
überdies noch tausend Dinge zu erledigen gebe, deren Ende nicht abzusehen sei.
Es werde besser sein, die Abreise ans morgen zu verschieben. Ich trat dieser
Meinung entschieden bei — Noberjot aber erklärte, daß er, da seine Kollegen



^) Längs Abneigung gegen den Grafen Brau macht sich in den Memoiren wiederholt
geltend. Daß er den Chevalier, der als Malteserritter sechzehn Ahnen nachweisen gemußt
und einer alten normannischen Adelsfamilie entstammte, für einen Emporkömmling und nur
angeblichen Emigranten hielt, beruht auf Irrtum,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/580>, abgerufen am 04.07.2024.