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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Herbstbilder aus Italien

übersehen und auch mit einem solchen nicht ohne weiteres in Anlage und
Zusammenhang verständlich. Als Führer aber stellte sich uns ein greiser
deutscher Laienbruder zur Verfügung, ein wackrer Schlesier ans Neinerz,
der noch ganz ein Schlesier geblieben war und auch seine deutsche Neichsan-
geHörigkeit festgehalten hatte. Er hatte als junger Mensch 1849 im 20. preu¬
ßischen Infanterieregiment den badischen Feldzug unter Prinz Wilhelm mit¬
gemacht, worauf er noch stolz war; dann war er als Kürschnergeselle aus der
Wanderschaft durch Italien in Rom hängen geblieben und dort 1855 in das
Benediktinerkloster bei San Paolo fuori le aura eingetreten, von dort schon
zwei Jahre später nach Monte Cassino gekommen. Seit zweiundvierzig Jahre"
hauste er hier oben, besorgte das Wecken zu den nächtlichen Andachten und
das Putzen der heiligen Geräte und freute sich Landsleute zu führen, die oben¬
drein seine Heimat kannten. Mit ihm vertieften wir uns also in dieses Gewirr
von Kreuzgängen, Höfen, endlosen Korridoren, Treppen, Sälen, Zellen, Ober-
und Unterkirchen, Kapellen, Oratorien, Wirtschaftsräumcn u. s. f. Die Ge¬
bäude bilden ein längliches Viereck von 180 zu 118 Metern Ausdehnung, die
Schmalseiten annähernd nach Osten und Westen, die Langseiten nach Süden
und Norden gerichtet. Doch haben nur die Süd- und Westseite unnnterbrochne
langgestreckte Gebäudefronten, die drei Stock hoch über mächtigen Unterbauten
aufsteigen. *) Ungefähr in der Mittellinie von Ost nach West liegen die Kloster-
Hose, an der Westseite der herrliche Arkadenhof Bramantes (Ovi-dito oEntialö
oder prinvixg,1ö), 1515 unter dem Abte Squarcialupi erbaut, mit einem schonen
tiefen Ziehbrunnen (xc>?M) ans derselben Zeit. Auf drei Seiten läuft oben
über den Arkaden ein breiter aussichtsreicher Gang, die Loggia del Paradiso;
rechts (auf der Nordseite) erheben sich mit drei einen kleinen Garten in Huf¬
eisen umschließenden, nach diesem zu sich öffnenden Teilen die Gebäude des
Colleggio (von 1705 bis 1724) mit der von der Regierung vortrefflich aus¬
gestatteten meteorologischen Station in einem turmartigen Aufbau, links die
Foresteria und daran sich ununterbrochen anschließend das Seminar (in dein
obern Stockwerke) und das eigentliche Klostergebäude mit den Zellen und der
Abtswohnung (im untern Stock). Auf der vierten (östlichen) Seite des ersten
Hoff steigt zwischen den beiden Niesenstatuen des heiligen Beuedittus und der
Scholastik" (von 1786) eine prachtvolle Freitreppe nach einer mit der Loggia
gleich hochliegenden Säulenhalle empor.

Von hier gelangt man in den ebenfalls vom Abt Squnreialupi er¬
baute" "Kreuzgang der Kirche" <Mio8dro "Zgllii eniesa), dessen dorische Säulen
aus orientalischem Granit teilweise noch von dem antiken Apollotempel
und der Kirche des elften Jahrhunderts stammen; ringsum stehn sechzehn
Statuen von Wohlthätern des Klosters, von Papst Gregor dem Großen bis
auf König Ferdinand IV. Die Kirche, ein dreischiffiger Bau unter einer



Die folgenden Angaben über die Bauzeit und die Erbauer der einzelnen Teile nach
Paolo Guillaume, osse-riÄous "torioo-artliitio" all Ilonto (Zassmo, 1894, all Nonw-
llUMUW.
Herbstbilder aus Italien

übersehen und auch mit einem solchen nicht ohne weiteres in Anlage und
Zusammenhang verständlich. Als Führer aber stellte sich uns ein greiser
deutscher Laienbruder zur Verfügung, ein wackrer Schlesier ans Neinerz,
der noch ganz ein Schlesier geblieben war und auch seine deutsche Neichsan-
geHörigkeit festgehalten hatte. Er hatte als junger Mensch 1849 im 20. preu¬
ßischen Infanterieregiment den badischen Feldzug unter Prinz Wilhelm mit¬
gemacht, worauf er noch stolz war; dann war er als Kürschnergeselle aus der
Wanderschaft durch Italien in Rom hängen geblieben und dort 1855 in das
Benediktinerkloster bei San Paolo fuori le aura eingetreten, von dort schon
zwei Jahre später nach Monte Cassino gekommen. Seit zweiundvierzig Jahre»
hauste er hier oben, besorgte das Wecken zu den nächtlichen Andachten und
das Putzen der heiligen Geräte und freute sich Landsleute zu führen, die oben¬
drein seine Heimat kannten. Mit ihm vertieften wir uns also in dieses Gewirr
von Kreuzgängen, Höfen, endlosen Korridoren, Treppen, Sälen, Zellen, Ober-
und Unterkirchen, Kapellen, Oratorien, Wirtschaftsräumcn u. s. f. Die Ge¬
bäude bilden ein längliches Viereck von 180 zu 118 Metern Ausdehnung, die
Schmalseiten annähernd nach Osten und Westen, die Langseiten nach Süden
und Norden gerichtet. Doch haben nur die Süd- und Westseite unnnterbrochne
langgestreckte Gebäudefronten, die drei Stock hoch über mächtigen Unterbauten
aufsteigen. *) Ungefähr in der Mittellinie von Ost nach West liegen die Kloster-
Hose, an der Westseite der herrliche Arkadenhof Bramantes (Ovi-dito oEntialö
oder prinvixg,1ö), 1515 unter dem Abte Squarcialupi erbaut, mit einem schonen
tiefen Ziehbrunnen (xc>?M) ans derselben Zeit. Auf drei Seiten läuft oben
über den Arkaden ein breiter aussichtsreicher Gang, die Loggia del Paradiso;
rechts (auf der Nordseite) erheben sich mit drei einen kleinen Garten in Huf¬
eisen umschließenden, nach diesem zu sich öffnenden Teilen die Gebäude des
Colleggio (von 1705 bis 1724) mit der von der Regierung vortrefflich aus¬
gestatteten meteorologischen Station in einem turmartigen Aufbau, links die
Foresteria und daran sich ununterbrochen anschließend das Seminar (in dein
obern Stockwerke) und das eigentliche Klostergebäude mit den Zellen und der
Abtswohnung (im untern Stock). Auf der vierten (östlichen) Seite des ersten
Hoff steigt zwischen den beiden Niesenstatuen des heiligen Beuedittus und der
Scholastik« (von 1786) eine prachtvolle Freitreppe nach einer mit der Loggia
gleich hochliegenden Säulenhalle empor.

Von hier gelangt man in den ebenfalls vom Abt Squnreialupi er¬
baute» „Kreuzgang der Kirche" <Mio8dro «Zgllii eniesa), dessen dorische Säulen
aus orientalischem Granit teilweise noch von dem antiken Apollotempel
und der Kirche des elften Jahrhunderts stammen; ringsum stehn sechzehn
Statuen von Wohlthätern des Klosters, von Papst Gregor dem Großen bis
auf König Ferdinand IV. Die Kirche, ein dreischiffiger Bau unter einer



Die folgenden Angaben über die Bauzeit und die Erbauer der einzelnen Teile nach
Paolo Guillaume, osse-riÄous »torioo-artliitio» all Ilonto (Zassmo, 1894, all Nonw-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/562>, abgerufen am 04.07.2024.