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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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L^'rbstlnlder aus Italien

Reichtum unter den Adler am Ausgange des zehnte" und im Anfange des
elften Jahrhunderts ganz weltliches Leben in die heiligen Mauern ein, bis
der deutsche Abt Theodulf (1022--1035) mit Hilfe Odilos von Clugny das
Mönchslebcu zur strengen Regel zurückführte. Eine zweite glänzendere Blüte¬
zeit stieg nun herauf. Dem Kloster, das jetzt gegen zweihundert Mouche
hatte, baute der Abt Desiderius aus dem Hanse der Grafen von Benevent
(1059--1087) mit Hilfe von Künstler" ans Oberitalie", Amalfi und Kon¬
stantinopel die neue Kirche, die um 1. Oktober 1071 Papst Alexander 11,, um¬
geben von einer glänzenden Versammlung hoher Geistlicher und vornehmer
Laien, feierlich einweihte. Eine eigne Kunstschule für Malerei und Mosaiken
blühte auf; die mit dem Kloster verbundne Heilanstalt, der schon Kaiser
Heinrich II, seine Vefreinng von einem Steinleideu verdankte, zog bis auf
weite Entfernung Kranke heran und wird von der Tradition mit der nachmals
berühmten medizinischen Schule von Salerno in Verbindung gebracht; zugleich
schrieben Benediktiner auf Monte Cassino nicht nur die Geschichte der Abtei,
wie Leo Marsicauus (^ um 1115) und Petrus Diaconus ('s um 1188),
sondern anch die Geschichte der umliegenden Landschaften, die seit der zweiten
Hälfte des elften Jahrhunderts mit der Geschichte der normannischen Eroberung
zusammenfiel. Inmitten dieser Umwälzungen wuchs sich der Besitz der Abtei
allmählich zu einem ansehnlichen Fürstentnme ans, das landeinwärts bis tief
in die Abruzzen, seewärts bis an die Mündung des Garigliano reichte. Mit
dem Kaisertum stand sie als eins der wichtigsten Neichsklöster, also als ein
Teil des Reichsguts schon seit Karl den: Großen in der engsten Verbindung,
Als eine Stätte werkthätiger Frömmigkeit und strenggeordneter Arbeit, als
eure feste Burg des Friedens und der Kultur, der höhern Bildung, Wissen¬
schaft und Kunst, als ein Zufluchtsort für alle Mühselige" und Beladneu
strahlte Monte Cassino in diesen Jahrhunderte", der leideuschnftlichen Kämpfe
zwischen den höchsten Gewalten, den größte" Idee", de" mächtigsten Interesse".
Doch je enger seine Beziehungen zur Welt waren, desto mehr wurde es in
ihre Händel verflochten, und der innere Widerspruch zwischen der Weltflucht,
die der Orden vorschrieb, und der weltlichen Herrschaft, die diese Zeit einer
für unsre Begriffe ganz unerträglichen Rechtsunsicherheit doch unvermeidlich
machte, brach immer wieder heraus und lockerte die strenge Zucht.

An allen Kämpfen um die Herrschaft über Süditalien waren Monte
Cassino "ut die unter ihm liegende Stadt, die damals San Germano hieß,
thätig und leidend beteiligt. Die Abtei huldigte 1137 dein Kaiser Lothar,
1191 dein Hohenstaufen Heinrich VI., bestand zu Ende desselben Jahres eine
Belagerung durch die Normannen, schloß sich nach dem Tode Heinrichs VI.
1198 der Gegenpartei an, später wieder dem Hohenstaufen Friedrich II. Da
sie sich nachmals für Papst Gregor IX. erklärte, zwang sie der .Kaiser 1229
zur Unterwerfung und übertrug ihre Verwaltung zunächst dem Hochmeister des
Deutschen Ritterordens Hermann von Salza, 1210 zog er sie sogar ganz ein.
Das war vorübergehend, aber eine feste Grenzburg blieb Monte Cassino seitdem


L^'rbstlnlder aus Italien

Reichtum unter den Adler am Ausgange des zehnte» und im Anfange des
elften Jahrhunderts ganz weltliches Leben in die heiligen Mauern ein, bis
der deutsche Abt Theodulf (1022—1035) mit Hilfe Odilos von Clugny das
Mönchslebcu zur strengen Regel zurückführte. Eine zweite glänzendere Blüte¬
zeit stieg nun herauf. Dem Kloster, das jetzt gegen zweihundert Mouche
hatte, baute der Abt Desiderius aus dem Hanse der Grafen von Benevent
(1059—1087) mit Hilfe von Künstler» ans Oberitalie», Amalfi und Kon¬
stantinopel die neue Kirche, die um 1. Oktober 1071 Papst Alexander 11,, um¬
geben von einer glänzenden Versammlung hoher Geistlicher und vornehmer
Laien, feierlich einweihte. Eine eigne Kunstschule für Malerei und Mosaiken
blühte auf; die mit dem Kloster verbundne Heilanstalt, der schon Kaiser
Heinrich II, seine Vefreinng von einem Steinleideu verdankte, zog bis auf
weite Entfernung Kranke heran und wird von der Tradition mit der nachmals
berühmten medizinischen Schule von Salerno in Verbindung gebracht; zugleich
schrieben Benediktiner auf Monte Cassino nicht nur die Geschichte der Abtei,
wie Leo Marsicauus (^ um 1115) und Petrus Diaconus ('s um 1188),
sondern anch die Geschichte der umliegenden Landschaften, die seit der zweiten
Hälfte des elften Jahrhunderts mit der Geschichte der normannischen Eroberung
zusammenfiel. Inmitten dieser Umwälzungen wuchs sich der Besitz der Abtei
allmählich zu einem ansehnlichen Fürstentnme ans, das landeinwärts bis tief
in die Abruzzen, seewärts bis an die Mündung des Garigliano reichte. Mit
dem Kaisertum stand sie als eins der wichtigsten Neichsklöster, also als ein
Teil des Reichsguts schon seit Karl den: Großen in der engsten Verbindung,
Als eine Stätte werkthätiger Frömmigkeit und strenggeordneter Arbeit, als
eure feste Burg des Friedens und der Kultur, der höhern Bildung, Wissen¬
schaft und Kunst, als ein Zufluchtsort für alle Mühselige» und Beladneu
strahlte Monte Cassino in diesen Jahrhunderte», der leideuschnftlichen Kämpfe
zwischen den höchsten Gewalten, den größte» Idee», de» mächtigsten Interesse».
Doch je enger seine Beziehungen zur Welt waren, desto mehr wurde es in
ihre Händel verflochten, und der innere Widerspruch zwischen der Weltflucht,
die der Orden vorschrieb, und der weltlichen Herrschaft, die diese Zeit einer
für unsre Begriffe ganz unerträglichen Rechtsunsicherheit doch unvermeidlich
machte, brach immer wieder heraus und lockerte die strenge Zucht.

An allen Kämpfen um die Herrschaft über Süditalien waren Monte
Cassino »ut die unter ihm liegende Stadt, die damals San Germano hieß,
thätig und leidend beteiligt. Die Abtei huldigte 1137 dein Kaiser Lothar,
1191 dein Hohenstaufen Heinrich VI., bestand zu Ende desselben Jahres eine
Belagerung durch die Normannen, schloß sich nach dem Tode Heinrichs VI.
1198 der Gegenpartei an, später wieder dem Hohenstaufen Friedrich II. Da
sie sich nachmals für Papst Gregor IX. erklärte, zwang sie der .Kaiser 1229
zur Unterwerfung und übertrug ihre Verwaltung zunächst dem Hochmeister des
Deutschen Ritterordens Hermann von Salza, 1210 zog er sie sogar ganz ein.
Das war vorübergehend, aber eine feste Grenzburg blieb Monte Cassino seitdem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/560>, abgerufen am 04.07.2024.