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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Zur Auswandrung nach Brasilion

runden nur dazu, sich auf Kosten des Einwandrers zu bereichern. Der liqui¬
dierte Wert der verabfolgte" Lebensmittel wird dein Ansiedler ans den .Kauf¬
preis seines Kolonieloses zugeschrieben, er ums; die Naturalverpflegung also
bezahlen, und dennoch gleicht die Verteilung von Lebensmitteln an Einwandrer
in vielen Fällen mehr einem "Almosengeben" als einem Rechte, von dem der
Empfänger Gebrauch macht. Ich habe häufig der Verteilung von Lebens¬
mitteln an Einwandrer zugeschaut und gefunden, daß sie nur dort in geord¬
neter und sauberer Weise erfolgte, wo die Lieferanten Deutsche waren.

Auch schon zur Kaiserzeit verwarfen bedeutende Nationalökonomen Bra¬
siliens, wie z. B. Lmnenha Lins, anfangs der 1880 er Jahre Prvvinzial-
präsident in Curityba, Baron von Tnunnh u. a. in., die Naturalverpflegung
als nicht ihrem Zwecke entsprechend, sorgten jedoch dafür, daß die Regierung
den Einwandrern während der ersten Monate der Ansiedlung kleine, den Ver¬
hältnissen entsprechende Geldvorschüsse als Dnrlehn gewährte, und daß die
neuen Ansiedler in der Nähe größerer Ortschaften Kolonien zugewiesen er¬
hielten. Als der freien, selbständigen Entwicklung der neuen Ansiedler hinder¬
lich beseitigten diese brasilianischen Patrioten die Koloniedirektvren sonne den
Beamtentroß, den diese immer im Gefolge hatten, und die dem Staate, ohne
etwas zu nützen, nur Unkosten verursachten.

Bei der heutigen wirtschaftlichen Lage Brasiliens wäre es wohl am Platze,
den leitenden Staatsmännern dieses Landes, besonders in den einzelnen Bundes-
staaten, die denkwürdigen Worte des Barons von Taunah vom 3. Mai 1886
wieder in Erinnerung zu bringen: He>js fru als. o mellwr s ing-lor sign^
as xatriotisrno 6 e-nicken- 6s. imwig'iÄy-r'o izuropsa. ^Heutzutage ist das beste
und größte Zeichen von Patriotismus das, die europäische Einwandrung
fördern.^

Jeder Deutsche, der nach Brasilien auszuwandern beabsichtigt, überlege
vorher reiflich, ob er nicht besser handelt, anstatt auf brasilianischen Staats¬
kolonien, sich auf den Besitzungen einer deutschen Kolonisativnsgesellschaft in
Brasilien anzusiedeln.

Gesellschaften, die im Deutschen Reiche Auswandrer anwerben, befördern
und über der See ansiedeln wollen, bedürfen hierzu der Genehmigung des
Bundesrath, stehn also unter der Aufsicht der deutschen Regierung. Was
diese Gesellschaften dem Auswandrer im deutschen Vaterlande versprochen haben,
müssen sie über der See, also auch hier in Brasilien, dem von ihnen beförderten
neuen Ansiedler halten.

Ich bin weit entfernt davon, für die eine oder die andre der deutschen
.Kolonisationsgesellschaften einzutreten, was aber alle gemeinschaftlich haben,
ist, daß ihre Angestellten Landsleute siud, die den deutschen Auswandrer be'
seiner Landung in Brasilien empfangen und nach seinem Bestimmungsorte ge¬
leiten, daß ferner deutsche, mit den Laudesverhältnissen, besonders der Land¬
wirtschaft wohlvertraute Mnnuer als Koloniedirektvren bestellt sind, mit denen
sich der neue Ansiedler unmittelbar und nicht wie auf Staatskolonien erst durch


Zur Auswandrung nach Brasilion

runden nur dazu, sich auf Kosten des Einwandrers zu bereichern. Der liqui¬
dierte Wert der verabfolgte» Lebensmittel wird dein Ansiedler ans den .Kauf¬
preis seines Kolonieloses zugeschrieben, er ums; die Naturalverpflegung also
bezahlen, und dennoch gleicht die Verteilung von Lebensmitteln an Einwandrer
in vielen Fällen mehr einem „Almosengeben" als einem Rechte, von dem der
Empfänger Gebrauch macht. Ich habe häufig der Verteilung von Lebens¬
mitteln an Einwandrer zugeschaut und gefunden, daß sie nur dort in geord¬
neter und sauberer Weise erfolgte, wo die Lieferanten Deutsche waren.

Auch schon zur Kaiserzeit verwarfen bedeutende Nationalökonomen Bra¬
siliens, wie z. B. Lmnenha Lins, anfangs der 1880 er Jahre Prvvinzial-
präsident in Curityba, Baron von Tnunnh u. a. in., die Naturalverpflegung
als nicht ihrem Zwecke entsprechend, sorgten jedoch dafür, daß die Regierung
den Einwandrern während der ersten Monate der Ansiedlung kleine, den Ver¬
hältnissen entsprechende Geldvorschüsse als Dnrlehn gewährte, und daß die
neuen Ansiedler in der Nähe größerer Ortschaften Kolonien zugewiesen er¬
hielten. Als der freien, selbständigen Entwicklung der neuen Ansiedler hinder¬
lich beseitigten diese brasilianischen Patrioten die Koloniedirektvren sonne den
Beamtentroß, den diese immer im Gefolge hatten, und die dem Staate, ohne
etwas zu nützen, nur Unkosten verursachten.

Bei der heutigen wirtschaftlichen Lage Brasiliens wäre es wohl am Platze,
den leitenden Staatsmännern dieses Landes, besonders in den einzelnen Bundes-
staaten, die denkwürdigen Worte des Barons von Taunah vom 3. Mai 1886
wieder in Erinnerung zu bringen: He>js fru als. o mellwr s ing-lor sign^
as xatriotisrno 6 e-nicken- 6s. imwig'iÄy-r'o izuropsa. ^Heutzutage ist das beste
und größte Zeichen von Patriotismus das, die europäische Einwandrung
fördern.^

Jeder Deutsche, der nach Brasilien auszuwandern beabsichtigt, überlege
vorher reiflich, ob er nicht besser handelt, anstatt auf brasilianischen Staats¬
kolonien, sich auf den Besitzungen einer deutschen Kolonisativnsgesellschaft in
Brasilien anzusiedeln.

Gesellschaften, die im Deutschen Reiche Auswandrer anwerben, befördern
und über der See ansiedeln wollen, bedürfen hierzu der Genehmigung des
Bundesrath, stehn also unter der Aufsicht der deutschen Regierung. Was
diese Gesellschaften dem Auswandrer im deutschen Vaterlande versprochen haben,
müssen sie über der See, also auch hier in Brasilien, dem von ihnen beförderten
neuen Ansiedler halten.

Ich bin weit entfernt davon, für die eine oder die andre der deutschen
.Kolonisationsgesellschaften einzutreten, was aber alle gemeinschaftlich haben,
ist, daß ihre Angestellten Landsleute siud, die den deutschen Auswandrer be'
seiner Landung in Brasilien empfangen und nach seinem Bestimmungsorte ge¬
leiten, daß ferner deutsche, mit den Laudesverhältnissen, besonders der Land¬
wirtschaft wohlvertraute Mnnuer als Koloniedirektvren bestellt sind, mit denen
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[0496] Zur Auswandrung nach Brasilion runden nur dazu, sich auf Kosten des Einwandrers zu bereichern. Der liqui¬ dierte Wert der verabfolgte» Lebensmittel wird dein Ansiedler ans den .Kauf¬ preis seines Kolonieloses zugeschrieben, er ums; die Naturalverpflegung also bezahlen, und dennoch gleicht die Verteilung von Lebensmitteln an Einwandrer in vielen Fällen mehr einem „Almosengeben" als einem Rechte, von dem der Empfänger Gebrauch macht. Ich habe häufig der Verteilung von Lebens¬ mitteln an Einwandrer zugeschaut und gefunden, daß sie nur dort in geord¬ neter und sauberer Weise erfolgte, wo die Lieferanten Deutsche waren. Auch schon zur Kaiserzeit verwarfen bedeutende Nationalökonomen Bra¬ siliens, wie z. B. Lmnenha Lins, anfangs der 1880 er Jahre Prvvinzial- präsident in Curityba, Baron von Tnunnh u. a. in., die Naturalverpflegung als nicht ihrem Zwecke entsprechend, sorgten jedoch dafür, daß die Regierung den Einwandrern während der ersten Monate der Ansiedlung kleine, den Ver¬ hältnissen entsprechende Geldvorschüsse als Dnrlehn gewährte, und daß die neuen Ansiedler in der Nähe größerer Ortschaften Kolonien zugewiesen er¬ hielten. Als der freien, selbständigen Entwicklung der neuen Ansiedler hinder¬ lich beseitigten diese brasilianischen Patrioten die Koloniedirektvren sonne den Beamtentroß, den diese immer im Gefolge hatten, und die dem Staate, ohne etwas zu nützen, nur Unkosten verursachten. Bei der heutigen wirtschaftlichen Lage Brasiliens wäre es wohl am Platze, den leitenden Staatsmännern dieses Landes, besonders in den einzelnen Bundes- staaten, die denkwürdigen Worte des Barons von Taunah vom 3. Mai 1886 wieder in Erinnerung zu bringen: He>js fru als. o mellwr s ing-lor sign^ as xatriotisrno 6 e-nicken- 6s. imwig'iÄy-r'o izuropsa. ^Heutzutage ist das beste und größte Zeichen von Patriotismus das, die europäische Einwandrung fördern.^ Jeder Deutsche, der nach Brasilien auszuwandern beabsichtigt, überlege vorher reiflich, ob er nicht besser handelt, anstatt auf brasilianischen Staats¬ kolonien, sich auf den Besitzungen einer deutschen Kolonisativnsgesellschaft in Brasilien anzusiedeln. Gesellschaften, die im Deutschen Reiche Auswandrer anwerben, befördern und über der See ansiedeln wollen, bedürfen hierzu der Genehmigung des Bundesrath, stehn also unter der Aufsicht der deutschen Regierung. Was diese Gesellschaften dem Auswandrer im deutschen Vaterlande versprochen haben, müssen sie über der See, also auch hier in Brasilien, dem von ihnen beförderten neuen Ansiedler halten. Ich bin weit entfernt davon, für die eine oder die andre der deutschen .Kolonisationsgesellschaften einzutreten, was aber alle gemeinschaftlich haben, ist, daß ihre Angestellten Landsleute siud, die den deutschen Auswandrer be' seiner Landung in Brasilien empfangen und nach seinem Bestimmungsorte ge¬ leiten, daß ferner deutsche, mit den Laudesverhältnissen, besonders der Land¬ wirtschaft wohlvertraute Mnnuer als Koloniedirektvren bestellt sind, mit denen sich der neue Ansiedler unmittelbar und nicht wie auf Staatskolonien erst durch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/496>, abgerufen am 04.07.2024.