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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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llnser Landvolk und die Kirche

sommer Mann. Er selber, der Bauer, wills nicht sein -- wie man sagt.
Aper daß innerliches frommes Leben bei ihm vorhanden ist, davon darf man
überzeugt sein. Ich weise darauf hin, daß wohl in jedem rechten Bauernhause
der religiöse Schmuck nicht fehlt, daß ungeachtet der verstaubten oder ver¬
schlossenen Bibel das Gesangbuch und das Startenbuch immer noch ihre alte
Stelle im häuslichen Leben behaupten, daß trotz Wirtshaus und Zeitung die
häusliche Andacht immer noch in den meisten Häusern gehalten wird. Auch
d^r Umstand ist beachtenswert, daß viele Sprichwörter des Bauern einen reli¬
giösen, einen biblischen Klang haben, ja daß die ganze Sprache des Bauern
^ Bestreben aufweist, das menschliche Leben im Guten und Schlimmen als
abhängig von Gott darzustellen. Aus alledem darf man Rückschlüsse ziehn auf
°u- religiöse Bewegung im Gemüte des Bauern. Man trifft wohl den Kern
°er Sache, wenn man sagt: des Bauern Religion ist ein schlichtes Gottver-
rauen -- "icht mühsam zurechtgelegt, nicht künstlich angelernt, eher natur¬
wüchsig aus dem Boden des bäuerlichen Lebens entsprungen.

Wir treffen z. B. einen Bauern auf dem Felde. Es ist ein herrlicher
Aühlingstag. Das Gespräch handelt natürlich vom Wetter. "Ja, sagt der
i ^ ein göttliches Wetter!" Wir sind erstaunt, das Wort: göttlich
Verbindung mit dem Wetter zu hören. Durch den Unterhaltungston in
städtischen Gesellschaft hat das Wort: göttlich für unser Ohr seinen wahren
zuhält längst verloren. Aber dein Bauern ist es mit dem Worte: göttlich
er Ernst. Daraus spricht eine herzliche Freude und eine innige Dankbar¬
er gegen Gott den Herrn, der Gras wachsen läßt für Vieh und Saat zu
nez den Menschen, lind ein stilles Gottvertrauen, das wohl auch schlimme
^ten überwinden kaun. In dein einen Worte offenbart sich eine ganze innere
s. ' ' Oder ein alter Mann erzählt uns, wie es ihm im Leben so hinter-
^ ^gangen ist, wie er mit Schulden und Viehkrankheit zu kümpfeu und eine
-Mlreiche Familie zu ernähren hatte, und doch: "Ich Habs durchgerissen. Gott
el, Menschen haben mir geholfen." Und wenn wir bei diesen Worten
der^M^^ ^ des Mannes blinken sehen, so sagen wir uns selbst, daß
den ' ^ ^"se von seiner Frömmigkeit auch kein Wörtlein reden,
^"°es .seines Glaubens lebt."

wehe ^? ""^ Witwe. Deren Mann hatte durch Trunksucht das Haus-
Un'f" - ZU Grunde gerichtet. Da starb der Mann plötzlich infolge eines
zurück ^^"bruns. Die Frau -- eine kleine, schwächliche Person -- blieb
alle s"^ Haufen Kinder und einem Haufen Schulden, die der Mann
näher?^ gemacht hatte. Ich habe das Leben dieser Frau
Hoclm s?^" lernen, und was ich erfahren habe, muß jeden mit der größten
lehren >? ^füllen, und hat mich das Wort des Apostels Paulus verstehn
wahren c " ^" Schwachen mächtig ist. Diese Frau hat einen
Helden °"^""""r bewiesen. Aber einzig und allein ihr Glaube hat ihr den
Feld hin"e^" lMgckniet im Stall, im Wald, ans dem
^^nzlw^^'^^ ""^ unsern Herrgott angerufen, er soll mir helfen,


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llnser Landvolk und die Kirche

sommer Mann. Er selber, der Bauer, wills nicht sein — wie man sagt.
Aper daß innerliches frommes Leben bei ihm vorhanden ist, davon darf man
überzeugt sein. Ich weise darauf hin, daß wohl in jedem rechten Bauernhause
der religiöse Schmuck nicht fehlt, daß ungeachtet der verstaubten oder ver¬
schlossenen Bibel das Gesangbuch und das Startenbuch immer noch ihre alte
Stelle im häuslichen Leben behaupten, daß trotz Wirtshaus und Zeitung die
häusliche Andacht immer noch in den meisten Häusern gehalten wird. Auch
d^r Umstand ist beachtenswert, daß viele Sprichwörter des Bauern einen reli¬
giösen, einen biblischen Klang haben, ja daß die ganze Sprache des Bauern
^ Bestreben aufweist, das menschliche Leben im Guten und Schlimmen als
abhängig von Gott darzustellen. Aus alledem darf man Rückschlüsse ziehn auf
°u- religiöse Bewegung im Gemüte des Bauern. Man trifft wohl den Kern
°er Sache, wenn man sagt: des Bauern Religion ist ein schlichtes Gottver-
rauen — „icht mühsam zurechtgelegt, nicht künstlich angelernt, eher natur¬
wüchsig aus dem Boden des bäuerlichen Lebens entsprungen.

Wir treffen z. B. einen Bauern auf dem Felde. Es ist ein herrlicher
Aühlingstag. Das Gespräch handelt natürlich vom Wetter. „Ja, sagt der
i ^ ein göttliches Wetter!" Wir sind erstaunt, das Wort: göttlich
Verbindung mit dem Wetter zu hören. Durch den Unterhaltungston in
städtischen Gesellschaft hat das Wort: göttlich für unser Ohr seinen wahren
zuhält längst verloren. Aber dein Bauern ist es mit dem Worte: göttlich
er Ernst. Daraus spricht eine herzliche Freude und eine innige Dankbar¬
er gegen Gott den Herrn, der Gras wachsen läßt für Vieh und Saat zu
nez den Menschen, lind ein stilles Gottvertrauen, das wohl auch schlimme
^ten überwinden kaun. In dein einen Worte offenbart sich eine ganze innere
s. ' ' Oder ein alter Mann erzählt uns, wie es ihm im Leben so hinter-
^ ^gangen ist, wie er mit Schulden und Viehkrankheit zu kümpfeu und eine
-Mlreiche Familie zu ernähren hatte, und doch: „Ich Habs durchgerissen. Gott
el, Menschen haben mir geholfen." Und wenn wir bei diesen Worten
der^M^^ ^ des Mannes blinken sehen, so sagen wir uns selbst, daß
den ' ^ ^"se von seiner Frömmigkeit auch kein Wörtlein reden,
^"°es .seines Glaubens lebt."

wehe ^? ""^ Witwe. Deren Mann hatte durch Trunksucht das Haus-
Un'f" - ZU Grunde gerichtet. Da starb der Mann plötzlich infolge eines
zurück ^^"bruns. Die Frau — eine kleine, schwächliche Person — blieb
alle s"^ Haufen Kinder und einem Haufen Schulden, die der Mann
näher?^ gemacht hatte. Ich habe das Leben dieser Frau
Hoclm s?^" lernen, und was ich erfahren habe, muß jeden mit der größten
lehren >? ^füllen, und hat mich das Wort des Apostels Paulus verstehn
wahren c " ^" Schwachen mächtig ist. Diese Frau hat einen
Helden °"^""""r bewiesen. Aber einzig und allein ihr Glaube hat ihr den
Feld hin"e^" lMgckniet im Stall, im Wald, ans dem
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[0481] llnser Landvolk und die Kirche sommer Mann. Er selber, der Bauer, wills nicht sein — wie man sagt. Aper daß innerliches frommes Leben bei ihm vorhanden ist, davon darf man überzeugt sein. Ich weise darauf hin, daß wohl in jedem rechten Bauernhause der religiöse Schmuck nicht fehlt, daß ungeachtet der verstaubten oder ver¬ schlossenen Bibel das Gesangbuch und das Startenbuch immer noch ihre alte Stelle im häuslichen Leben behaupten, daß trotz Wirtshaus und Zeitung die häusliche Andacht immer noch in den meisten Häusern gehalten wird. Auch d^r Umstand ist beachtenswert, daß viele Sprichwörter des Bauern einen reli¬ giösen, einen biblischen Klang haben, ja daß die ganze Sprache des Bauern ^ Bestreben aufweist, das menschliche Leben im Guten und Schlimmen als abhängig von Gott darzustellen. Aus alledem darf man Rückschlüsse ziehn auf °u- religiöse Bewegung im Gemüte des Bauern. Man trifft wohl den Kern °er Sache, wenn man sagt: des Bauern Religion ist ein schlichtes Gottver- rauen — „icht mühsam zurechtgelegt, nicht künstlich angelernt, eher natur¬ wüchsig aus dem Boden des bäuerlichen Lebens entsprungen. Wir treffen z. B. einen Bauern auf dem Felde. Es ist ein herrlicher Aühlingstag. Das Gespräch handelt natürlich vom Wetter. „Ja, sagt der i ^ ein göttliches Wetter!" Wir sind erstaunt, das Wort: göttlich Verbindung mit dem Wetter zu hören. Durch den Unterhaltungston in städtischen Gesellschaft hat das Wort: göttlich für unser Ohr seinen wahren zuhält längst verloren. Aber dein Bauern ist es mit dem Worte: göttlich er Ernst. Daraus spricht eine herzliche Freude und eine innige Dankbar¬ er gegen Gott den Herrn, der Gras wachsen läßt für Vieh und Saat zu nez den Menschen, lind ein stilles Gottvertrauen, das wohl auch schlimme ^ten überwinden kaun. In dein einen Worte offenbart sich eine ganze innere s. ' ' Oder ein alter Mann erzählt uns, wie es ihm im Leben so hinter- ^ ^gangen ist, wie er mit Schulden und Viehkrankheit zu kümpfeu und eine -Mlreiche Familie zu ernähren hatte, und doch: „Ich Habs durchgerissen. Gott el, Menschen haben mir geholfen." Und wenn wir bei diesen Worten der^M^^ ^ des Mannes blinken sehen, so sagen wir uns selbst, daß den ' ^ ^"se von seiner Frömmigkeit auch kein Wörtlein reden, ^"°es .seines Glaubens lebt." wehe ^? ""^ Witwe. Deren Mann hatte durch Trunksucht das Haus- Un'f" - ZU Grunde gerichtet. Da starb der Mann plötzlich infolge eines zurück ^^"bruns. Die Frau — eine kleine, schwächliche Person — blieb alle s"^ Haufen Kinder und einem Haufen Schulden, die der Mann näher?^ gemacht hatte. Ich habe das Leben dieser Frau Hoclm s?^" lernen, und was ich erfahren habe, muß jeden mit der größten lehren >? ^füllen, und hat mich das Wort des Apostels Paulus verstehn wahren c " ^" Schwachen mächtig ist. Diese Frau hat einen Helden °"^""""r bewiesen. Aber einzig und allein ihr Glaube hat ihr den Feld hin"e^" lMgckniet im Stall, im Wald, ans dem ^^nzlw^^'^^ ""^ unsern Herrgott angerufen, er soll mir helfen, nK0

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/481>, abgerufen am 30.06.2024.