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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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"Nur in solchen Teilen des Landes wird der deutsche Auswandrer Aus¬
sicht auf Erfolg haben, wo es Wald und Wasser giebt, wo das Fieber seltner
auftritt, und wo endlich durch Eisenbahnen, Meer oder schiffbare Flüsse ein
Verkauf der Produkte begünstigt wird.

"Die deutsche Einwcmdrung in das trockne und zum Teil sehr vom Fieber
heimgesuchte Hochland zu leiten, halte ich für unverantwortlich, denn der Leser
weiß selbst aus dem Vorhergegaugnen, mit welch endlosen Schwierigkeiten
selbst der muselmanische .Kolonist dort zu kämpfen hat, der doch der Landes¬
sprache mächtig ist und mit beispielloser Enthaltsamkeit einen beharrlichen Fleiß
verbindet.

"Aber giebt es in Anatolien noch Gebiete, die jene Bedingungen erfüllen,
und die einer größern Zahl von Einwandrern ausreichend Platz bieten? Ja,
allein es wird ihr Ankauf nicht unerhebliche Geldopfer fordern. In dem
Bosporusgebiete z. B. finden sich uoch große unbebaute Flächen, die zum
größten Teil der Zivilliste des Sultans gehören. Bei der Sympathie, die
dieser Monarch den Deutschen entgegenbringt, würde er bei dem Landankauf
Wohl zweifellos manche Erleichterung gewähren. Ferner bieten die Gegenden
von Jsmid, Brussa, Smyrna usw. Gelegenheit zum Ansiedeln. Die zwei in
Asien bestehenden Kolonien, die der Württemberger in Syrien und die der
Polen am Bosporus, liefern den Beweis, daß, wenn die Ansiedluugsbedingungen
günstig sind, die Kolonisten auch gute Erfolge bilden.

"Es ist wohl zu beachten, daß diese Erfolge nur durch eine größere Zahl
von Ansiedlern, die sich gegenseitig schützen konnten, erreicht wurden. Dem
Einzelnen ist unter allen Umständen abzuraten, hier sein Glück mit der Kolo¬
nisation zu versuchen.

^ "Aber noch in einer andern Weise könnte deutsches Kapital und deutsche
Intelligenz gerade in dem anatolischen Hochlande, wo das Land sehr billig ist,
^che Zinsen tragen, und zwar in folgender Weise. Eine sich bildende Finanz¬
gruppe müßte, je nach der Größe des Kapitals, Lündereicn in dem anatolischen
Hochlande kaufen oder für einen längern Zeitraum pachten. Solches Land ist
, ""el zu bevorzugen, das bewässert werden kann. Wenn auch Bewässerungen,
großem Stil ausgeführt, Geld kosten, so wird dadurch der Gewinn nicht
"klein mindestens verdoppelt, sondern auch, was das Wichtigste ist, die Ernten
werden gesichert. Der Leser weiß aus dem Vorhergehenden, daß es in dem
Hochlande derartige Verhältnisse genug giebt, die zum Teil selbst von den un-
'emittelten anatolischen Bauern ausgenutzt sind.

"Um nun den höchstmöglichen Gewinn zu erzielen, sollten die Ländereien
M der extensivsten Weise bewirtschaftet werden. Entweder man sucht sich durch
Verwendung der modernsten Maschinen von der Arbeit durch Menschenhand
' , Zugvieh nach Möglichkeit frei zu machen, oder, wenn man größere
Kapitalien in die Anschaffung von Maschinen nicht stecken will, man giebt den
^"eien einwandernden Mouhadjirs das Land in Halbpacht, d. h. sie erhalten
Saatgut, sie bebauen das Feld nach ihrer Weise und geben die Hälfte


„Nur in solchen Teilen des Landes wird der deutsche Auswandrer Aus¬
sicht auf Erfolg haben, wo es Wald und Wasser giebt, wo das Fieber seltner
auftritt, und wo endlich durch Eisenbahnen, Meer oder schiffbare Flüsse ein
Verkauf der Produkte begünstigt wird.

„Die deutsche Einwcmdrung in das trockne und zum Teil sehr vom Fieber
heimgesuchte Hochland zu leiten, halte ich für unverantwortlich, denn der Leser
weiß selbst aus dem Vorhergegaugnen, mit welch endlosen Schwierigkeiten
selbst der muselmanische .Kolonist dort zu kämpfen hat, der doch der Landes¬
sprache mächtig ist und mit beispielloser Enthaltsamkeit einen beharrlichen Fleiß
verbindet.

„Aber giebt es in Anatolien noch Gebiete, die jene Bedingungen erfüllen,
und die einer größern Zahl von Einwandrern ausreichend Platz bieten? Ja,
allein es wird ihr Ankauf nicht unerhebliche Geldopfer fordern. In dem
Bosporusgebiete z. B. finden sich uoch große unbebaute Flächen, die zum
größten Teil der Zivilliste des Sultans gehören. Bei der Sympathie, die
dieser Monarch den Deutschen entgegenbringt, würde er bei dem Landankauf
Wohl zweifellos manche Erleichterung gewähren. Ferner bieten die Gegenden
von Jsmid, Brussa, Smyrna usw. Gelegenheit zum Ansiedeln. Die zwei in
Asien bestehenden Kolonien, die der Württemberger in Syrien und die der
Polen am Bosporus, liefern den Beweis, daß, wenn die Ansiedluugsbedingungen
günstig sind, die Kolonisten auch gute Erfolge bilden.

„Es ist wohl zu beachten, daß diese Erfolge nur durch eine größere Zahl
von Ansiedlern, die sich gegenseitig schützen konnten, erreicht wurden. Dem
Einzelnen ist unter allen Umständen abzuraten, hier sein Glück mit der Kolo¬
nisation zu versuchen.

^ „Aber noch in einer andern Weise könnte deutsches Kapital und deutsche
Intelligenz gerade in dem anatolischen Hochlande, wo das Land sehr billig ist,
^che Zinsen tragen, und zwar in folgender Weise. Eine sich bildende Finanz¬
gruppe müßte, je nach der Größe des Kapitals, Lündereicn in dem anatolischen
Hochlande kaufen oder für einen längern Zeitraum pachten. Solches Land ist
, "»el zu bevorzugen, das bewässert werden kann. Wenn auch Bewässerungen,
großem Stil ausgeführt, Geld kosten, so wird dadurch der Gewinn nicht
"klein mindestens verdoppelt, sondern auch, was das Wichtigste ist, die Ernten
werden gesichert. Der Leser weiß aus dem Vorhergehenden, daß es in dem
Hochlande derartige Verhältnisse genug giebt, die zum Teil selbst von den un-
'emittelten anatolischen Bauern ausgenutzt sind.

»Um nun den höchstmöglichen Gewinn zu erzielen, sollten die Ländereien
M der extensivsten Weise bewirtschaftet werden. Entweder man sucht sich durch
Verwendung der modernsten Maschinen von der Arbeit durch Menschenhand
' , Zugvieh nach Möglichkeit frei zu machen, oder, wenn man größere
Kapitalien in die Anschaffung von Maschinen nicht stecken will, man giebt den
^"eien einwandernden Mouhadjirs das Land in Halbpacht, d. h. sie erhalten
Saatgut, sie bebauen das Feld nach ihrer Weise und geben die Hälfte


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[0463] „Nur in solchen Teilen des Landes wird der deutsche Auswandrer Aus¬ sicht auf Erfolg haben, wo es Wald und Wasser giebt, wo das Fieber seltner auftritt, und wo endlich durch Eisenbahnen, Meer oder schiffbare Flüsse ein Verkauf der Produkte begünstigt wird. „Die deutsche Einwcmdrung in das trockne und zum Teil sehr vom Fieber heimgesuchte Hochland zu leiten, halte ich für unverantwortlich, denn der Leser weiß selbst aus dem Vorhergegaugnen, mit welch endlosen Schwierigkeiten selbst der muselmanische .Kolonist dort zu kämpfen hat, der doch der Landes¬ sprache mächtig ist und mit beispielloser Enthaltsamkeit einen beharrlichen Fleiß verbindet. „Aber giebt es in Anatolien noch Gebiete, die jene Bedingungen erfüllen, und die einer größern Zahl von Einwandrern ausreichend Platz bieten? Ja, allein es wird ihr Ankauf nicht unerhebliche Geldopfer fordern. In dem Bosporusgebiete z. B. finden sich uoch große unbebaute Flächen, die zum größten Teil der Zivilliste des Sultans gehören. Bei der Sympathie, die dieser Monarch den Deutschen entgegenbringt, würde er bei dem Landankauf Wohl zweifellos manche Erleichterung gewähren. Ferner bieten die Gegenden von Jsmid, Brussa, Smyrna usw. Gelegenheit zum Ansiedeln. Die zwei in Asien bestehenden Kolonien, die der Württemberger in Syrien und die der Polen am Bosporus, liefern den Beweis, daß, wenn die Ansiedluugsbedingungen günstig sind, die Kolonisten auch gute Erfolge bilden. „Es ist wohl zu beachten, daß diese Erfolge nur durch eine größere Zahl von Ansiedlern, die sich gegenseitig schützen konnten, erreicht wurden. Dem Einzelnen ist unter allen Umständen abzuraten, hier sein Glück mit der Kolo¬ nisation zu versuchen. ^ „Aber noch in einer andern Weise könnte deutsches Kapital und deutsche Intelligenz gerade in dem anatolischen Hochlande, wo das Land sehr billig ist, ^che Zinsen tragen, und zwar in folgender Weise. Eine sich bildende Finanz¬ gruppe müßte, je nach der Größe des Kapitals, Lündereicn in dem anatolischen Hochlande kaufen oder für einen längern Zeitraum pachten. Solches Land ist , "»el zu bevorzugen, das bewässert werden kann. Wenn auch Bewässerungen, großem Stil ausgeführt, Geld kosten, so wird dadurch der Gewinn nicht "klein mindestens verdoppelt, sondern auch, was das Wichtigste ist, die Ernten werden gesichert. Der Leser weiß aus dem Vorhergehenden, daß es in dem Hochlande derartige Verhältnisse genug giebt, die zum Teil selbst von den un- 'emittelten anatolischen Bauern ausgenutzt sind. »Um nun den höchstmöglichen Gewinn zu erzielen, sollten die Ländereien M der extensivsten Weise bewirtschaftet werden. Entweder man sucht sich durch Verwendung der modernsten Maschinen von der Arbeit durch Menschenhand ' , Zugvieh nach Möglichkeit frei zu machen, oder, wenn man größere Kapitalien in die Anschaffung von Maschinen nicht stecken will, man giebt den ^"eien einwandernden Mouhadjirs das Land in Halbpacht, d. h. sie erhalten Saatgut, sie bebauen das Feld nach ihrer Weise und geben die Hälfte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/463>, abgerufen am 30.06.2024.