Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Sie deutsche Weltpolitik

lung usw. in Szene setzte. Das Reich folgt diesem Beispiel, indem es deutsch
nationales Kapital allmählich zu den Kolonialunternehinnngen heranzuziehn
trachtet, und es wird in diesem Beginnen nicht Halt machen dürfen, soll in
Wahrheit eine national-deutsche Weltpolitik getrieben werden. Es scheint,
daß mich in Kreisen des Großkapitals allmählich die Anschauung durchbricht,
daß in dieser Zeit chauvinistischer Wirtschaftspolitik anch für den Börsenmann
die nationale Gesinnung ersprießlicher ist als die internationale. Der Bank-
direktor von Siemers und der Geheime Kouunerzienrat von Hansemann sind
>" dieser Hinsicht typische Persönlichkeiten. Eine Eindämmung der Wirk¬
samkeit des" internationalen Kapitals ans die Gestaltung des deutschen Welt¬
markts ist nicht nur ans nationalen Gründen, sondern auch aus Gründen der
Vorsicht notwendig. Das internationale Kapital fördert die Industrie nicht,
""> der wachsenden Bevölkerung Nahrung zu schaffen -- Gründe, die für den
Staat allein maßgebend find --, sondern aus Spekulation, des Gewinns
halber. Die Folgen sind Überproduktion, Gründungen und -- Krach. Der
Staat dagegen und die arbeitende Klasse haben ein Interesse mir an der
stetigen, mit dem Konsum wachsenden industriellen Entwicklung. Es ist für
beide Teile el" Einhalten wünschenswert, denn beide haben ein Interesse
daran, zwar das Großkapital zu beiuitze", aber seine Herrschastsgelüste ab¬
zuweisen: das natürliche Gegengewicht gegen die Übermacht des Großkapitals
aber ist der Mittelstand, den Miguel zu stützen trachtet, aber allerdings in
seiner sogenannten "Mittelstandspolitik" einseitig nnr in den noch unabhängigen
Kreisen sucht.

Es ist zu allen Zeiten so gewesen, daß in wirtschaftlich expansiven Staaten
d'e großkapitalistischen und die großgrundbesitzenden Klassen ans Kosten der
übrigen bürgerlichen Bevölkerung um den ausschlaggebenden Einfluß auf die
Staatsleitnng gekämpft habe", wie wir es jetzt in Deutschland erleben. In
England haben sich beide Klassen, die ja zudem dort ineinander fließen,
geeinigt und sind unumschränkte Gebieter im Lande. In Republiken, z. B.
Frankreich oder Nordamerika, siegte der Kapitalismus leicht, da der Adel dort
teilte politischen Privilegien mehr hat, also in politischer Hinsicht kein Gegen¬
gewicht ist. Wie sich in monarchischen Agrarstaaten der Adel seine Stellung
durch sure Beziehungen zu Heer und Verwaltung zu sichern sucht und sich so
"is äußere Stütze des Thrones in seinem politischen Einfluß z" erhalte" weiß,
s" übt die kapitalistische Oligarchie ihre Herrschaft durch das heimlich rollende
^eit, durch Korruption aus dort der politische, hier der wirtschaftliche
Druck auf den Mittelstand. Beide Parteien haben das höchste Interesse, sich
d'e Staatsleitnng dienstbar zu machen. Kräftige, pflichttreue Herrscher haben
s'es immer der Beeinflussung der beiden politischen Mächte, Kapital und Adel,
'"glichst zu entziehn gesucht und haben sich, wie die Geschichte lehrt, bemüht, sich
Stütze und Grundlage für ihre Staatspläne ans dem Mittelstande heran
^lehr, der ja wie die Krone Ursache hat, sich gegen die Extreme zu wehren.
einen modernen deutsche" Fürsten ist das nicht leicht. Der deutsche


Sie deutsche Weltpolitik

lung usw. in Szene setzte. Das Reich folgt diesem Beispiel, indem es deutsch
nationales Kapital allmählich zu den Kolonialunternehinnngen heranzuziehn
trachtet, und es wird in diesem Beginnen nicht Halt machen dürfen, soll in
Wahrheit eine national-deutsche Weltpolitik getrieben werden. Es scheint,
daß mich in Kreisen des Großkapitals allmählich die Anschauung durchbricht,
daß in dieser Zeit chauvinistischer Wirtschaftspolitik anch für den Börsenmann
die nationale Gesinnung ersprießlicher ist als die internationale. Der Bank-
direktor von Siemers und der Geheime Kouunerzienrat von Hansemann sind
>» dieser Hinsicht typische Persönlichkeiten. Eine Eindämmung der Wirk¬
samkeit des" internationalen Kapitals ans die Gestaltung des deutschen Welt¬
markts ist nicht nur ans nationalen Gründen, sondern auch aus Gründen der
Vorsicht notwendig. Das internationale Kapital fördert die Industrie nicht,
"»> der wachsenden Bevölkerung Nahrung zu schaffen — Gründe, die für den
Staat allein maßgebend find —, sondern aus Spekulation, des Gewinns
halber. Die Folgen sind Überproduktion, Gründungen und — Krach. Der
Staat dagegen und die arbeitende Klasse haben ein Interesse mir an der
stetigen, mit dem Konsum wachsenden industriellen Entwicklung. Es ist für
beide Teile el» Einhalten wünschenswert, denn beide haben ein Interesse
daran, zwar das Großkapital zu beiuitze», aber seine Herrschastsgelüste ab¬
zuweisen: das natürliche Gegengewicht gegen die Übermacht des Großkapitals
aber ist der Mittelstand, den Miguel zu stützen trachtet, aber allerdings in
seiner sogenannten „Mittelstandspolitik" einseitig nnr in den noch unabhängigen
Kreisen sucht.

Es ist zu allen Zeiten so gewesen, daß in wirtschaftlich expansiven Staaten
d'e großkapitalistischen und die großgrundbesitzenden Klassen ans Kosten der
übrigen bürgerlichen Bevölkerung um den ausschlaggebenden Einfluß auf die
Staatsleitnng gekämpft habe», wie wir es jetzt in Deutschland erleben. In
England haben sich beide Klassen, die ja zudem dort ineinander fließen,
geeinigt und sind unumschränkte Gebieter im Lande. In Republiken, z. B.
Frankreich oder Nordamerika, siegte der Kapitalismus leicht, da der Adel dort
teilte politischen Privilegien mehr hat, also in politischer Hinsicht kein Gegen¬
gewicht ist. Wie sich in monarchischen Agrarstaaten der Adel seine Stellung
durch sure Beziehungen zu Heer und Verwaltung zu sichern sucht und sich so
"is äußere Stütze des Thrones in seinem politischen Einfluß z» erhalte» weiß,
s» übt die kapitalistische Oligarchie ihre Herrschaft durch das heimlich rollende
^eit, durch Korruption aus dort der politische, hier der wirtschaftliche
Druck auf den Mittelstand. Beide Parteien haben das höchste Interesse, sich
d'e Staatsleitnng dienstbar zu machen. Kräftige, pflichttreue Herrscher haben
s'es immer der Beeinflussung der beiden politischen Mächte, Kapital und Adel,
'"glichst zu entziehn gesucht und haben sich, wie die Geschichte lehrt, bemüht, sich
Stütze und Grundlage für ihre Staatspläne ans dem Mittelstande heran
^lehr, der ja wie die Krone Ursache hat, sich gegen die Extreme zu wehren.
einen modernen deutsche» Fürsten ist das nicht leicht. Der deutsche


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0445" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/232997"/>
          <fw type="header" place="top"> Sie deutsche Weltpolitik</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1460" prev="#ID_1459"> lung usw. in Szene setzte. Das Reich folgt diesem Beispiel, indem es deutsch<lb/>
nationales Kapital allmählich zu den Kolonialunternehinnngen heranzuziehn<lb/>
trachtet, und es wird in diesem Beginnen nicht Halt machen dürfen, soll in<lb/>
Wahrheit eine national-deutsche Weltpolitik getrieben werden. Es scheint,<lb/>
daß mich in Kreisen des Großkapitals allmählich die Anschauung durchbricht,<lb/>
daß in dieser Zeit chauvinistischer Wirtschaftspolitik anch für den Börsenmann<lb/>
die nationale Gesinnung ersprießlicher ist als die internationale. Der Bank-<lb/>
direktor von Siemers und der Geheime Kouunerzienrat von Hansemann sind<lb/>
&gt;» dieser Hinsicht typische Persönlichkeiten. Eine Eindämmung der Wirk¬<lb/>
samkeit des" internationalen Kapitals ans die Gestaltung des deutschen Welt¬<lb/>
markts ist nicht nur ans nationalen Gründen, sondern auch aus Gründen der<lb/>
Vorsicht notwendig. Das internationale Kapital fördert die Industrie nicht,<lb/>&gt; der wachsenden Bevölkerung Nahrung zu schaffen &#x2014; Gründe, die für den<lb/>
Staat allein maßgebend find &#x2014;, sondern aus Spekulation, des Gewinns<lb/>
halber. Die Folgen sind Überproduktion, Gründungen und &#x2014; Krach. Der<lb/>
Staat dagegen und die arbeitende Klasse haben ein Interesse mir an der<lb/>
stetigen, mit dem Konsum wachsenden industriellen Entwicklung. Es ist für<lb/>
beide Teile el» Einhalten wünschenswert, denn beide haben ein Interesse<lb/>
daran, zwar das Großkapital zu beiuitze», aber seine Herrschastsgelüste ab¬<lb/>
zuweisen: das natürliche Gegengewicht gegen die Übermacht des Großkapitals<lb/>
aber ist der Mittelstand, den Miguel zu stützen trachtet, aber allerdings in<lb/>
seiner sogenannten &#x201E;Mittelstandspolitik" einseitig nnr in den noch unabhängigen<lb/>
Kreisen sucht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1461" next="#ID_1462"> Es ist zu allen Zeiten so gewesen, daß in wirtschaftlich expansiven Staaten<lb/>
d'e großkapitalistischen und die großgrundbesitzenden Klassen ans Kosten der<lb/>
übrigen bürgerlichen Bevölkerung um den ausschlaggebenden Einfluß auf die<lb/>
Staatsleitnng gekämpft habe», wie wir es jetzt in Deutschland erleben. In<lb/>
England haben sich beide Klassen, die ja zudem dort ineinander fließen,<lb/>
geeinigt und sind unumschränkte Gebieter im Lande. In Republiken, z. B.<lb/>
Frankreich oder Nordamerika, siegte der Kapitalismus leicht, da der Adel dort<lb/>
teilte politischen Privilegien mehr hat, also in politischer Hinsicht kein Gegen¬<lb/>
gewicht ist. Wie sich in monarchischen Agrarstaaten der Adel seine Stellung<lb/>
durch sure Beziehungen zu Heer und Verwaltung zu sichern sucht und sich so<lb/>
"is äußere Stütze des Thrones in seinem politischen Einfluß z» erhalte» weiß,<lb/>
s» übt die kapitalistische Oligarchie ihre Herrschaft durch das heimlich rollende<lb/>
^eit, durch Korruption aus dort der politische, hier der wirtschaftliche<lb/>
Druck auf den Mittelstand. Beide Parteien haben das höchste Interesse, sich<lb/>
d'e Staatsleitnng dienstbar zu machen. Kräftige, pflichttreue Herrscher haben<lb/>
s'es immer der Beeinflussung der beiden politischen Mächte, Kapital und Adel,<lb/>
'"glichst zu entziehn gesucht und haben sich, wie die Geschichte lehrt, bemüht, sich<lb/>
Stütze und Grundlage für ihre Staatspläne ans dem Mittelstande heran<lb/>
^lehr, der ja wie die Krone Ursache hat, sich gegen die Extreme zu wehren.<lb/>
einen modernen deutsche» Fürsten ist das nicht leicht.  Der deutsche</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0445] Sie deutsche Weltpolitik lung usw. in Szene setzte. Das Reich folgt diesem Beispiel, indem es deutsch nationales Kapital allmählich zu den Kolonialunternehinnngen heranzuziehn trachtet, und es wird in diesem Beginnen nicht Halt machen dürfen, soll in Wahrheit eine national-deutsche Weltpolitik getrieben werden. Es scheint, daß mich in Kreisen des Großkapitals allmählich die Anschauung durchbricht, daß in dieser Zeit chauvinistischer Wirtschaftspolitik anch für den Börsenmann die nationale Gesinnung ersprießlicher ist als die internationale. Der Bank- direktor von Siemers und der Geheime Kouunerzienrat von Hansemann sind >» dieser Hinsicht typische Persönlichkeiten. Eine Eindämmung der Wirk¬ samkeit des" internationalen Kapitals ans die Gestaltung des deutschen Welt¬ markts ist nicht nur ans nationalen Gründen, sondern auch aus Gründen der Vorsicht notwendig. Das internationale Kapital fördert die Industrie nicht, "»> der wachsenden Bevölkerung Nahrung zu schaffen — Gründe, die für den Staat allein maßgebend find —, sondern aus Spekulation, des Gewinns halber. Die Folgen sind Überproduktion, Gründungen und — Krach. Der Staat dagegen und die arbeitende Klasse haben ein Interesse mir an der stetigen, mit dem Konsum wachsenden industriellen Entwicklung. Es ist für beide Teile el» Einhalten wünschenswert, denn beide haben ein Interesse daran, zwar das Großkapital zu beiuitze», aber seine Herrschastsgelüste ab¬ zuweisen: das natürliche Gegengewicht gegen die Übermacht des Großkapitals aber ist der Mittelstand, den Miguel zu stützen trachtet, aber allerdings in seiner sogenannten „Mittelstandspolitik" einseitig nnr in den noch unabhängigen Kreisen sucht. Es ist zu allen Zeiten so gewesen, daß in wirtschaftlich expansiven Staaten d'e großkapitalistischen und die großgrundbesitzenden Klassen ans Kosten der übrigen bürgerlichen Bevölkerung um den ausschlaggebenden Einfluß auf die Staatsleitnng gekämpft habe», wie wir es jetzt in Deutschland erleben. In England haben sich beide Klassen, die ja zudem dort ineinander fließen, geeinigt und sind unumschränkte Gebieter im Lande. In Republiken, z. B. Frankreich oder Nordamerika, siegte der Kapitalismus leicht, da der Adel dort teilte politischen Privilegien mehr hat, also in politischer Hinsicht kein Gegen¬ gewicht ist. Wie sich in monarchischen Agrarstaaten der Adel seine Stellung durch sure Beziehungen zu Heer und Verwaltung zu sichern sucht und sich so "is äußere Stütze des Thrones in seinem politischen Einfluß z» erhalte» weiß, s» übt die kapitalistische Oligarchie ihre Herrschaft durch das heimlich rollende ^eit, durch Korruption aus dort der politische, hier der wirtschaftliche Druck auf den Mittelstand. Beide Parteien haben das höchste Interesse, sich d'e Staatsleitnng dienstbar zu machen. Kräftige, pflichttreue Herrscher haben s'es immer der Beeinflussung der beiden politischen Mächte, Kapital und Adel, '"glichst zu entziehn gesucht und haben sich, wie die Geschichte lehrt, bemüht, sich Stütze und Grundlage für ihre Staatspläne ans dem Mittelstande heran ^lehr, der ja wie die Krone Ursache hat, sich gegen die Extreme zu wehren. einen modernen deutsche» Fürsten ist das nicht leicht. Der deutsche

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/445
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/445>, abgerufen am 04.07.2024.