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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Seekriege verblutet, seine Kolonien vernichtet, sein Handel und Verkehr gänz¬
lich gelähmt werden, benutzt der Gegner die ihm so billig gebotne Gelegenheit,
seinen eignen Handel zu bereichern. Die deutschen Kreuzer im Auslande
werden an dieser Thatsache nichts ändern, auch hier werden Einzelerfolge keinen
Einfluß auf das Gesamtergebnis ausüben. Die Folgen der Blockade, die in
kurzer Zeit innere wirtschaftliche Schwierigkeiten verursachen wird lind bedenk¬
liche soziale Zustände schaffen kann, sollen hier nur augedeutet werden, da eine
nähere Ausführung schon Gegenstand zahlreicher Schriften gewesen ist. Die
unerbittliche Logik aber führt zu dem Schluß, daß Deutschland trotz seiner
großen Landmacht der Gnade des seemächtigen Gegners preisgegeben ist, der
den Krieg so lauge hinziehn kann, bis Deutschlands Handel zerstört und damit
seine gesamte politische und wirtschaftliche Existenz aufs Spiel gesetzt ist. Einem
seemnchtigen Gegner müssen wir mit gleichen Waffen entgegentreten. Nur eine
wol/lorgmiisierte, gntgeschulte, starke Flotte wird uns vor einem Seekrieg mit
England bewahren können.

Betrachten wir zum Schluß die gesamte politische Lage. Aus Zeiten der
tiefsten Erniedrigung zu Anfang dieses Jahrhunderts hat sich Deutschland
durch eisernen Fleiß wieder emporgearbeitet und in der richtigen Erkenntnis,
daß in dem Volke selbst die Wurzeln aller Kraft liegen, hoch und niedrig ohne
Unterschied des Standes dnrch die allgemeine Wehrpflicht um sein Banner
geschart. In drei siegreichen Kriegen wurde die Einigung Deutschlands erstritten.
Die Welt staunte über die Kraftentwicklung der deutschen Heeresmassen, die
den Widerstand vor sich niederwarfen und die gewaltigsten Anstrengungen der
Feinde zu Schande" machten. Unserm Vaterland aber wurde nach dieser blutigen
Arbeit ein dreißigjähriger Friede beschert. Unter dem Schutze der schlagfertigen
Armee konnte die Friedensarbeit bisher frei ihren Lauf nehmen. Geachtet steht
jetzt Deutschland da, blühend dnrch seinen Handel, dnrch seine Industrie und im
engsten Wettbewerb mit den mächtigste" Nationen ans dem Weltmarkt! Vergessen
wir keinen Augenblick, daß uns die Macht diese Stellung unter den Völkern
errungen hat. Erinnern wir uns des Ausspruchs Bismarcks in der Reichstags¬
sitzung vom 14. Juni 1882: "Meine ganze politische Kunst . . . wäre . . . voll¬
ständig gescheitert ohne Hinblick auf die deutsche Militärorganisation . . . und
ohne den Respekt, den wir einflößen, ohne die Abneigung, die man hat, mit
""ser" wvhlgeschulten, intelligenten und wvhlgeführtcn Bajonetten anzubinden.
Thun Sie diesen Respekt aus der Welt, und Sie find genau in der ohn¬
mächtigen Lage wie früher, sodaß Deutschland für die andern Mächte eine
Art von Pole" für die Teilung sein würde."

Dieser Ausspruch Bismarcks gilt auch für die jetzigen Machtverhältnisse.
Ohne Respekt zur See sind wir nicht in der Lage, unsre Rechte zu wahren-
Die Bajonette zur See sind unsre Schiffe, und diese allein geben die Macht,
uns gegen Angriffe und Übergriffe der großen seefahrenden Nationen zu schützen.
Vergessen wir keinen Augenblick, daß politisch die Dinge i" Europa genau so
liege" wie vor dem großen Kriege 1870/71. Es giebt ja freilich manche" in


Seekriege verblutet, seine Kolonien vernichtet, sein Handel und Verkehr gänz¬
lich gelähmt werden, benutzt der Gegner die ihm so billig gebotne Gelegenheit,
seinen eignen Handel zu bereichern. Die deutschen Kreuzer im Auslande
werden an dieser Thatsache nichts ändern, auch hier werden Einzelerfolge keinen
Einfluß auf das Gesamtergebnis ausüben. Die Folgen der Blockade, die in
kurzer Zeit innere wirtschaftliche Schwierigkeiten verursachen wird lind bedenk¬
liche soziale Zustände schaffen kann, sollen hier nur augedeutet werden, da eine
nähere Ausführung schon Gegenstand zahlreicher Schriften gewesen ist. Die
unerbittliche Logik aber führt zu dem Schluß, daß Deutschland trotz seiner
großen Landmacht der Gnade des seemächtigen Gegners preisgegeben ist, der
den Krieg so lauge hinziehn kann, bis Deutschlands Handel zerstört und damit
seine gesamte politische und wirtschaftliche Existenz aufs Spiel gesetzt ist. Einem
seemnchtigen Gegner müssen wir mit gleichen Waffen entgegentreten. Nur eine
wol/lorgmiisierte, gntgeschulte, starke Flotte wird uns vor einem Seekrieg mit
England bewahren können.

Betrachten wir zum Schluß die gesamte politische Lage. Aus Zeiten der
tiefsten Erniedrigung zu Anfang dieses Jahrhunderts hat sich Deutschland
durch eisernen Fleiß wieder emporgearbeitet und in der richtigen Erkenntnis,
daß in dem Volke selbst die Wurzeln aller Kraft liegen, hoch und niedrig ohne
Unterschied des Standes dnrch die allgemeine Wehrpflicht um sein Banner
geschart. In drei siegreichen Kriegen wurde die Einigung Deutschlands erstritten.
Die Welt staunte über die Kraftentwicklung der deutschen Heeresmassen, die
den Widerstand vor sich niederwarfen und die gewaltigsten Anstrengungen der
Feinde zu Schande» machten. Unserm Vaterland aber wurde nach dieser blutigen
Arbeit ein dreißigjähriger Friede beschert. Unter dem Schutze der schlagfertigen
Armee konnte die Friedensarbeit bisher frei ihren Lauf nehmen. Geachtet steht
jetzt Deutschland da, blühend dnrch seinen Handel, dnrch seine Industrie und im
engsten Wettbewerb mit den mächtigste» Nationen ans dem Weltmarkt! Vergessen
wir keinen Augenblick, daß uns die Macht diese Stellung unter den Völkern
errungen hat. Erinnern wir uns des Ausspruchs Bismarcks in der Reichstags¬
sitzung vom 14. Juni 1882: „Meine ganze politische Kunst . . . wäre . . . voll¬
ständig gescheitert ohne Hinblick auf die deutsche Militärorganisation . . . und
ohne den Respekt, den wir einflößen, ohne die Abneigung, die man hat, mit
»»ser» wvhlgeschulten, intelligenten und wvhlgeführtcn Bajonetten anzubinden.
Thun Sie diesen Respekt aus der Welt, und Sie find genau in der ohn¬
mächtigen Lage wie früher, sodaß Deutschland für die andern Mächte eine
Art von Pole» für die Teilung sein würde."

Dieser Ausspruch Bismarcks gilt auch für die jetzigen Machtverhältnisse.
Ohne Respekt zur See sind wir nicht in der Lage, unsre Rechte zu wahren-
Die Bajonette zur See sind unsre Schiffe, und diese allein geben die Macht,
uns gegen Angriffe und Übergriffe der großen seefahrenden Nationen zu schützen.
Vergessen wir keinen Augenblick, daß politisch die Dinge i» Europa genau so
liege» wie vor dem großen Kriege 1870/71. Es giebt ja freilich manche» in


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[0382] Seekriege verblutet, seine Kolonien vernichtet, sein Handel und Verkehr gänz¬ lich gelähmt werden, benutzt der Gegner die ihm so billig gebotne Gelegenheit, seinen eignen Handel zu bereichern. Die deutschen Kreuzer im Auslande werden an dieser Thatsache nichts ändern, auch hier werden Einzelerfolge keinen Einfluß auf das Gesamtergebnis ausüben. Die Folgen der Blockade, die in kurzer Zeit innere wirtschaftliche Schwierigkeiten verursachen wird lind bedenk¬ liche soziale Zustände schaffen kann, sollen hier nur augedeutet werden, da eine nähere Ausführung schon Gegenstand zahlreicher Schriften gewesen ist. Die unerbittliche Logik aber führt zu dem Schluß, daß Deutschland trotz seiner großen Landmacht der Gnade des seemächtigen Gegners preisgegeben ist, der den Krieg so lauge hinziehn kann, bis Deutschlands Handel zerstört und damit seine gesamte politische und wirtschaftliche Existenz aufs Spiel gesetzt ist. Einem seemnchtigen Gegner müssen wir mit gleichen Waffen entgegentreten. Nur eine wol/lorgmiisierte, gntgeschulte, starke Flotte wird uns vor einem Seekrieg mit England bewahren können. Betrachten wir zum Schluß die gesamte politische Lage. Aus Zeiten der tiefsten Erniedrigung zu Anfang dieses Jahrhunderts hat sich Deutschland durch eisernen Fleiß wieder emporgearbeitet und in der richtigen Erkenntnis, daß in dem Volke selbst die Wurzeln aller Kraft liegen, hoch und niedrig ohne Unterschied des Standes dnrch die allgemeine Wehrpflicht um sein Banner geschart. In drei siegreichen Kriegen wurde die Einigung Deutschlands erstritten. Die Welt staunte über die Kraftentwicklung der deutschen Heeresmassen, die den Widerstand vor sich niederwarfen und die gewaltigsten Anstrengungen der Feinde zu Schande» machten. Unserm Vaterland aber wurde nach dieser blutigen Arbeit ein dreißigjähriger Friede beschert. Unter dem Schutze der schlagfertigen Armee konnte die Friedensarbeit bisher frei ihren Lauf nehmen. Geachtet steht jetzt Deutschland da, blühend dnrch seinen Handel, dnrch seine Industrie und im engsten Wettbewerb mit den mächtigste» Nationen ans dem Weltmarkt! Vergessen wir keinen Augenblick, daß uns die Macht diese Stellung unter den Völkern errungen hat. Erinnern wir uns des Ausspruchs Bismarcks in der Reichstags¬ sitzung vom 14. Juni 1882: „Meine ganze politische Kunst . . . wäre . . . voll¬ ständig gescheitert ohne Hinblick auf die deutsche Militärorganisation . . . und ohne den Respekt, den wir einflößen, ohne die Abneigung, die man hat, mit »»ser» wvhlgeschulten, intelligenten und wvhlgeführtcn Bajonetten anzubinden. Thun Sie diesen Respekt aus der Welt, und Sie find genau in der ohn¬ mächtigen Lage wie früher, sodaß Deutschland für die andern Mächte eine Art von Pole» für die Teilung sein würde." Dieser Ausspruch Bismarcks gilt auch für die jetzigen Machtverhältnisse. Ohne Respekt zur See sind wir nicht in der Lage, unsre Rechte zu wahren- Die Bajonette zur See sind unsre Schiffe, und diese allein geben die Macht, uns gegen Angriffe und Übergriffe der großen seefahrenden Nationen zu schützen. Vergessen wir keinen Augenblick, daß politisch die Dinge i» Europa genau so liege» wie vor dem großen Kriege 1870/71. Es giebt ja freilich manche» in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/382>, abgerufen am 02.07.2024.