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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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sammelt, bis ich endlich zu einer Reihe von Ortschaften gelangte, in denen sich
bis in die ältesten Urkunden hinauf keine Spur von deutschen Flur- und
Personennamen nachweisen ließ. Damit war die Lage der ehemaligen Sprach¬
grenze bestimmt. Ein so mühsames Norgehn (hinsichtlich dessen Einzelheiten
ich auf meine Schriften verweisen muß, besonders auf "Das deutsche Sprach¬
gebiet Lothringens und seine Wandlungen," Kap. I) war nicht zu vermeiden
da direkte Angaben über die Nationalität nur in zwei Füllen, bei Marsal und
Chieourt, von den Quellen geboten wurden. Da es sich mit dem Mangel
direkter Angaben in andern Gegenden ähnlich verhalten dürfte, so wird man
auch sonst genötigt sein, ein dem meinigen entsprechendes Verfahren ein¬
zuschlagen. Für die ganze Ausdehnung der deutsch-französischen oder wohl
der deutsch-romanischen Sprachgrenze überhaupt wird sich dieses ohne weitere
Bemerkung mit Aussicht auf guten Erfolg anwenden lassen, wie es thatsächlich
schon geschehn ist.

Der deutsch-slawischen Sprachgrenze im Alpengebiete sind außerordentlich
zahlreiche Ortschaften deutschen Namens vorgelagert. Aus ihnen wird man
nicht mit derselben Sicherheit auf deutsche Nationalität schließen dürfen wie
an der deutsch-romanischen Sprachgrenze, weil hier das starke politische und
Kultnrübergewicht des Deutschtums den, Slawentum gegenüber mit in Anschlag
gebracht werden muß. Unter dessen Druck konnten auch wohl in überwiegend
slawischer Gegend deutsche Ortsnamen entstehn und sich erhalten. Hier wird
daher die Kontrolle durch die urkundlichen Flur- und Personennamen noch
strenger geübt werden müssen, als es an der deutsch-romanischen Sprachgrenze
nötig war.

Für den Nordosten ist der Nationalitätsforschuug durch Meitzen in der
dankenswertesten Weise vorgearbeitet worden durch den Nachweis, daß dre
Hufeneinteilung der Dorfmark charakteristisch ist für deutsche Besiedlung. Da^
darauf begründete Ergebnis, daß die Längsdörfer deutschen, die Rundlinge
slawischen Ursprungs sind, ist schon Gemeingut^aller Gebildeten geworden-

Damit aber ist die oben angedeutete nationalhistorische Aufgabe für unsern
Nordosten keineswegs gelöst, sondern nur ein Weg mehr zu ihrer Lösung er¬
öffnet worden. Und jeder, der an dieser Aufgabe mitarbeitet, wird sich ^e
Ergebnisse der Meitzenschen Forschungen zu nutze machen. Aber das, worauf
es vor allem für uns ankommt, die Etappen des Fortschreitens unsrer Natio¬
nalität nach Ort und Zeit festzulegen, wird man auf Grund der Meitzenschen
Ergebnisse allein nicht vermögen. Dazu wird es auch wieder nötig sein, um
die urkundlichen Flur- und Personennamen zurückzugreifen. Aus slawischen
Ortsnamen jedenfalls darf man hier keine weitgehenden Schlüsse ziehn; sie si'^
massenhaft von den deutschen Neusiedlern übernommen worden. Ein um
wichtigeres Material werden deshalb auch hier die urkundlichen Flur- un
Personennamen darstellen.

Die zunächst in Angriff zu nehmende Arbeit in deu gesamten ehemaligen
und jetzigen Grenzgebieten unsers Volkstums wird es also sein, durch "u^


sammelt, bis ich endlich zu einer Reihe von Ortschaften gelangte, in denen sich
bis in die ältesten Urkunden hinauf keine Spur von deutschen Flur- und
Personennamen nachweisen ließ. Damit war die Lage der ehemaligen Sprach¬
grenze bestimmt. Ein so mühsames Norgehn (hinsichtlich dessen Einzelheiten
ich auf meine Schriften verweisen muß, besonders auf „Das deutsche Sprach¬
gebiet Lothringens und seine Wandlungen," Kap. I) war nicht zu vermeiden
da direkte Angaben über die Nationalität nur in zwei Füllen, bei Marsal und
Chieourt, von den Quellen geboten wurden. Da es sich mit dem Mangel
direkter Angaben in andern Gegenden ähnlich verhalten dürfte, so wird man
auch sonst genötigt sein, ein dem meinigen entsprechendes Verfahren ein¬
zuschlagen. Für die ganze Ausdehnung der deutsch-französischen oder wohl
der deutsch-romanischen Sprachgrenze überhaupt wird sich dieses ohne weitere
Bemerkung mit Aussicht auf guten Erfolg anwenden lassen, wie es thatsächlich
schon geschehn ist.

Der deutsch-slawischen Sprachgrenze im Alpengebiete sind außerordentlich
zahlreiche Ortschaften deutschen Namens vorgelagert. Aus ihnen wird man
nicht mit derselben Sicherheit auf deutsche Nationalität schließen dürfen wie
an der deutsch-romanischen Sprachgrenze, weil hier das starke politische und
Kultnrübergewicht des Deutschtums den, Slawentum gegenüber mit in Anschlag
gebracht werden muß. Unter dessen Druck konnten auch wohl in überwiegend
slawischer Gegend deutsche Ortsnamen entstehn und sich erhalten. Hier wird
daher die Kontrolle durch die urkundlichen Flur- und Personennamen noch
strenger geübt werden müssen, als es an der deutsch-romanischen Sprachgrenze
nötig war.

Für den Nordosten ist der Nationalitätsforschuug durch Meitzen in der
dankenswertesten Weise vorgearbeitet worden durch den Nachweis, daß dre
Hufeneinteilung der Dorfmark charakteristisch ist für deutsche Besiedlung. Da^
darauf begründete Ergebnis, daß die Längsdörfer deutschen, die Rundlinge
slawischen Ursprungs sind, ist schon Gemeingut^aller Gebildeten geworden-

Damit aber ist die oben angedeutete nationalhistorische Aufgabe für unsern
Nordosten keineswegs gelöst, sondern nur ein Weg mehr zu ihrer Lösung er¬
öffnet worden. Und jeder, der an dieser Aufgabe mitarbeitet, wird sich ^e
Ergebnisse der Meitzenschen Forschungen zu nutze machen. Aber das, worauf
es vor allem für uns ankommt, die Etappen des Fortschreitens unsrer Natio¬
nalität nach Ort und Zeit festzulegen, wird man auf Grund der Meitzenschen
Ergebnisse allein nicht vermögen. Dazu wird es auch wieder nötig sein, um
die urkundlichen Flur- und Personennamen zurückzugreifen. Aus slawischen
Ortsnamen jedenfalls darf man hier keine weitgehenden Schlüsse ziehn; sie si'^
massenhaft von den deutschen Neusiedlern übernommen worden. Ein um
wichtigeres Material werden deshalb auch hier die urkundlichen Flur- un
Personennamen darstellen.

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und jetzigen Grenzgebieten unsers Volkstums wird es also sein, durch «u^


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[0280] sammelt, bis ich endlich zu einer Reihe von Ortschaften gelangte, in denen sich bis in die ältesten Urkunden hinauf keine Spur von deutschen Flur- und Personennamen nachweisen ließ. Damit war die Lage der ehemaligen Sprach¬ grenze bestimmt. Ein so mühsames Norgehn (hinsichtlich dessen Einzelheiten ich auf meine Schriften verweisen muß, besonders auf „Das deutsche Sprach¬ gebiet Lothringens und seine Wandlungen," Kap. I) war nicht zu vermeiden da direkte Angaben über die Nationalität nur in zwei Füllen, bei Marsal und Chieourt, von den Quellen geboten wurden. Da es sich mit dem Mangel direkter Angaben in andern Gegenden ähnlich verhalten dürfte, so wird man auch sonst genötigt sein, ein dem meinigen entsprechendes Verfahren ein¬ zuschlagen. Für die ganze Ausdehnung der deutsch-französischen oder wohl der deutsch-romanischen Sprachgrenze überhaupt wird sich dieses ohne weitere Bemerkung mit Aussicht auf guten Erfolg anwenden lassen, wie es thatsächlich schon geschehn ist. Der deutsch-slawischen Sprachgrenze im Alpengebiete sind außerordentlich zahlreiche Ortschaften deutschen Namens vorgelagert. Aus ihnen wird man nicht mit derselben Sicherheit auf deutsche Nationalität schließen dürfen wie an der deutsch-romanischen Sprachgrenze, weil hier das starke politische und Kultnrübergewicht des Deutschtums den, Slawentum gegenüber mit in Anschlag gebracht werden muß. Unter dessen Druck konnten auch wohl in überwiegend slawischer Gegend deutsche Ortsnamen entstehn und sich erhalten. Hier wird daher die Kontrolle durch die urkundlichen Flur- und Personennamen noch strenger geübt werden müssen, als es an der deutsch-romanischen Sprachgrenze nötig war. Für den Nordosten ist der Nationalitätsforschuug durch Meitzen in der dankenswertesten Weise vorgearbeitet worden durch den Nachweis, daß dre Hufeneinteilung der Dorfmark charakteristisch ist für deutsche Besiedlung. Da^ darauf begründete Ergebnis, daß die Längsdörfer deutschen, die Rundlinge slawischen Ursprungs sind, ist schon Gemeingut^aller Gebildeten geworden- Damit aber ist die oben angedeutete nationalhistorische Aufgabe für unsern Nordosten keineswegs gelöst, sondern nur ein Weg mehr zu ihrer Lösung er¬ öffnet worden. Und jeder, der an dieser Aufgabe mitarbeitet, wird sich ^e Ergebnisse der Meitzenschen Forschungen zu nutze machen. Aber das, worauf es vor allem für uns ankommt, die Etappen des Fortschreitens unsrer Natio¬ nalität nach Ort und Zeit festzulegen, wird man auf Grund der Meitzenschen Ergebnisse allein nicht vermögen. Dazu wird es auch wieder nötig sein, um die urkundlichen Flur- und Personennamen zurückzugreifen. Aus slawischen Ortsnamen jedenfalls darf man hier keine weitgehenden Schlüsse ziehn; sie si'^ massenhaft von den deutschen Neusiedlern übernommen worden. Ein um wichtigeres Material werden deshalb auch hier die urkundlichen Flur- un Personennamen darstellen. Die zunächst in Angriff zu nehmende Arbeit in deu gesamten ehemaligen und jetzigen Grenzgebieten unsers Volkstums wird es also sein, durch «u^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/280>, abgerufen am 02.07.2024.