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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Uninaßgebliches

Hoffnung erweckend. Ich sehe, wie das Volk ihm zufällt, jubelnd, jauchzend, und
seinen Heiland in ihm erkennt. Ich sehe ihn, wie er von diesem Volk umdrängt, das
Palmen schwingt und Hosiannah ruft, in die Stadt der Könige zieht, ein Bettler,
wie ein König geehrt. Aber sein Reich ist nicht von dieser Welt! Nicht Macht
und Pracht und Glanz und Ruhm ist es, was zu verteilen er gekommen ist: nur
die Kraft des Duldens, nur deu Frieden der Entsagung, nur die Hoffnung auf
seines Vaters Haus hatte er für sein Volk, und enttäuscht fällt dieses von ihm ub
und ruft sein: Kreuzige! Sie erkannten es nicht, daß es das wahre Brot des
Lebens war, das seine milden Hände boten.

Und doch ist ans dem Blute dieses Gekreuzigten der Quell entsprungen, der
die Jahrhunderte genährt hat und zu dem Strom geworden ist, der das Leben
der Welt trägt. Und die Jahrhundertwende ist der Denkstein, den die Geschichte
zum Gedächtnis dieses Mannes, des Heilands der Seelen, gehest hat.

Sehen Sie, fuhr er fort, daß man daran gedacht hätte, habe ich vermißt, wenn
ich das Gestreite darüber hörte, ob dieser erste Januar oder der des nächsten
Jahres als die wahre Jahrhundertwende anzusehen sei. Die meisten Leute sagten
ja, während sie sich untereinander in die Haare fuhren: "Lassen Sie mich doch mit der
albernen Geschichte in Ruhe! Was kommt denn schließlich darauf an, ob und wann ein
Jahrhundert zu Ende ist; es ist nachher genau so wie vorher, und es ist zu blöde,
diesem Punkt auf der unendlichen Elle der Zeit für etwas besondres zu halten."
Die Leute, die so reden, halten sich natürlich für sehr gescheit, aber sie sind weiter
nichts als dumm. Nicht wahr, Sie haben sich auch so ungefähr geäußert?

Erlaube" Sie, lieber Freund, sagte ich etwas scharf, ich muß doch um Ent¬
schuldigung bitten. Wenn ich -- verzeihen Sie -- ich muß doch gehorsamst --

Na, seien Sie nnr gut! sagte er lachend, es war ja nur Scherz. Was ich
sagen wollte, ist, daß die, die so reden, das eine Große gar nicht sehen, daß dieser
Augenblick der Jahrhundertwende ein loderndes Mene Tekel ist, das seinen Schein
zurückwirft durch die Zeiten auf den Tag der Geburt jeues Mannes, vor dem die
Geschichte ein Schatten wurde, und der die Pforten der Ewigkeit öffnete, des Gottes¬
sohns. Die Jahrhunderte, die wir zahlen, sind kein gleich giltiges Maß für Zeit
und Geschichte; wie die Spanne dieser Zeit von Christus ausgeht, so führt sie zu
ihm zurück: unsre Jahrhunderte sind die Jahrhunderte dessen, den die Christenheit
den Herrn neunt. Daran sollte man denken! Aber wie vieler Gedanken gehn denn
diesen Weg! Wie vieler Gedanken messen das, was uns umgiebt, an dem, wovon
unsre Zeitrechnung ausgeht, den Gehalt unsers Lebens an dem des Quells, aus
dem es entsprungen ist? Wie viele moderne Menschen sind sich denn überhaupt
bewußt, daß das Leben, worin sie sich bewegen, von einer Unterströmung christ¬
licher Ideen getragen wird? Freilich, wahres Christentum, bewußtes und reines
Christentum, das Christentum des Maunes, von dem ein neues Leben ausgegangen
ist für die Welt und die Jahrtausende, entdeckt das Auge, das danach sucht, ver¬
zweifelt wenig. Was haben die Jahrhunderte daraus gemacht? Sehen Sie auf
das Mittelalter zurück! Ein ungeheures Gebäude ist errichtet worden, die Kirche!
In jede Stadt, in jeden Ort, in die kleinsten weltfernen Dörfer hat sie Gottes¬
häuser gestellt, deren Glocken alltäglich die Gläubigen zum Gottesdienst rufen,
zum Beten mahnen. In der Kirche des kleinsten Dorfes glänzt und funkelt der
Prunk, der die Größe und die Macht dieser Kirche versinnbildlicht. Die Kunst von
Jahrhunderten hat ihr Hehrstes im Dienste dieser Kirche und zu ihrem Schmuck
geleistet. Es giebt kein Menschenwerk, das sich mit dem vergleichen könnte, was
für diese Kirche geschaffen worden ist. Und ein ungezähltes Heer von Dienern
dieser Kirche wohnt unter ihrem Dach, Priester, Mönche und Nonne"; keine Hierarchie
aller Völker und Zeiten ist von solcher Macht, von solchem Umfang und von solchem


Maßgebliches und Uninaßgebliches

Hoffnung erweckend. Ich sehe, wie das Volk ihm zufällt, jubelnd, jauchzend, und
seinen Heiland in ihm erkennt. Ich sehe ihn, wie er von diesem Volk umdrängt, das
Palmen schwingt und Hosiannah ruft, in die Stadt der Könige zieht, ein Bettler,
wie ein König geehrt. Aber sein Reich ist nicht von dieser Welt! Nicht Macht
und Pracht und Glanz und Ruhm ist es, was zu verteilen er gekommen ist: nur
die Kraft des Duldens, nur deu Frieden der Entsagung, nur die Hoffnung auf
seines Vaters Haus hatte er für sein Volk, und enttäuscht fällt dieses von ihm ub
und ruft sein: Kreuzige! Sie erkannten es nicht, daß es das wahre Brot des
Lebens war, das seine milden Hände boten.

Und doch ist ans dem Blute dieses Gekreuzigten der Quell entsprungen, der
die Jahrhunderte genährt hat und zu dem Strom geworden ist, der das Leben
der Welt trägt. Und die Jahrhundertwende ist der Denkstein, den die Geschichte
zum Gedächtnis dieses Mannes, des Heilands der Seelen, gehest hat.

Sehen Sie, fuhr er fort, daß man daran gedacht hätte, habe ich vermißt, wenn
ich das Gestreite darüber hörte, ob dieser erste Januar oder der des nächsten
Jahres als die wahre Jahrhundertwende anzusehen sei. Die meisten Leute sagten
ja, während sie sich untereinander in die Haare fuhren: „Lassen Sie mich doch mit der
albernen Geschichte in Ruhe! Was kommt denn schließlich darauf an, ob und wann ein
Jahrhundert zu Ende ist; es ist nachher genau so wie vorher, und es ist zu blöde,
diesem Punkt auf der unendlichen Elle der Zeit für etwas besondres zu halten."
Die Leute, die so reden, halten sich natürlich für sehr gescheit, aber sie sind weiter
nichts als dumm. Nicht wahr, Sie haben sich auch so ungefähr geäußert?

Erlaube» Sie, lieber Freund, sagte ich etwas scharf, ich muß doch um Ent¬
schuldigung bitten. Wenn ich — verzeihen Sie — ich muß doch gehorsamst —

Na, seien Sie nnr gut! sagte er lachend, es war ja nur Scherz. Was ich
sagen wollte, ist, daß die, die so reden, das eine Große gar nicht sehen, daß dieser
Augenblick der Jahrhundertwende ein loderndes Mene Tekel ist, das seinen Schein
zurückwirft durch die Zeiten auf den Tag der Geburt jeues Mannes, vor dem die
Geschichte ein Schatten wurde, und der die Pforten der Ewigkeit öffnete, des Gottes¬
sohns. Die Jahrhunderte, die wir zahlen, sind kein gleich giltiges Maß für Zeit
und Geschichte; wie die Spanne dieser Zeit von Christus ausgeht, so führt sie zu
ihm zurück: unsre Jahrhunderte sind die Jahrhunderte dessen, den die Christenheit
den Herrn neunt. Daran sollte man denken! Aber wie vieler Gedanken gehn denn
diesen Weg! Wie vieler Gedanken messen das, was uns umgiebt, an dem, wovon
unsre Zeitrechnung ausgeht, den Gehalt unsers Lebens an dem des Quells, aus
dem es entsprungen ist? Wie viele moderne Menschen sind sich denn überhaupt
bewußt, daß das Leben, worin sie sich bewegen, von einer Unterströmung christ¬
licher Ideen getragen wird? Freilich, wahres Christentum, bewußtes und reines
Christentum, das Christentum des Maunes, von dem ein neues Leben ausgegangen
ist für die Welt und die Jahrtausende, entdeckt das Auge, das danach sucht, ver¬
zweifelt wenig. Was haben die Jahrhunderte daraus gemacht? Sehen Sie auf
das Mittelalter zurück! Ein ungeheures Gebäude ist errichtet worden, die Kirche!
In jede Stadt, in jeden Ort, in die kleinsten weltfernen Dörfer hat sie Gottes¬
häuser gestellt, deren Glocken alltäglich die Gläubigen zum Gottesdienst rufen,
zum Beten mahnen. In der Kirche des kleinsten Dorfes glänzt und funkelt der
Prunk, der die Größe und die Macht dieser Kirche versinnbildlicht. Die Kunst von
Jahrhunderten hat ihr Hehrstes im Dienste dieser Kirche und zu ihrem Schmuck
geleistet. Es giebt kein Menschenwerk, das sich mit dem vergleichen könnte, was
für diese Kirche geschaffen worden ist. Und ein ungezähltes Heer von Dienern
dieser Kirche wohnt unter ihrem Dach, Priester, Mönche und Nonne«; keine Hierarchie
aller Völker und Zeiten ist von solcher Macht, von solchem Umfang und von solchem


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[0262] Maßgebliches und Uninaßgebliches Hoffnung erweckend. Ich sehe, wie das Volk ihm zufällt, jubelnd, jauchzend, und seinen Heiland in ihm erkennt. Ich sehe ihn, wie er von diesem Volk umdrängt, das Palmen schwingt und Hosiannah ruft, in die Stadt der Könige zieht, ein Bettler, wie ein König geehrt. Aber sein Reich ist nicht von dieser Welt! Nicht Macht und Pracht und Glanz und Ruhm ist es, was zu verteilen er gekommen ist: nur die Kraft des Duldens, nur deu Frieden der Entsagung, nur die Hoffnung auf seines Vaters Haus hatte er für sein Volk, und enttäuscht fällt dieses von ihm ub und ruft sein: Kreuzige! Sie erkannten es nicht, daß es das wahre Brot des Lebens war, das seine milden Hände boten. Und doch ist ans dem Blute dieses Gekreuzigten der Quell entsprungen, der die Jahrhunderte genährt hat und zu dem Strom geworden ist, der das Leben der Welt trägt. Und die Jahrhundertwende ist der Denkstein, den die Geschichte zum Gedächtnis dieses Mannes, des Heilands der Seelen, gehest hat. Sehen Sie, fuhr er fort, daß man daran gedacht hätte, habe ich vermißt, wenn ich das Gestreite darüber hörte, ob dieser erste Januar oder der des nächsten Jahres als die wahre Jahrhundertwende anzusehen sei. Die meisten Leute sagten ja, während sie sich untereinander in die Haare fuhren: „Lassen Sie mich doch mit der albernen Geschichte in Ruhe! Was kommt denn schließlich darauf an, ob und wann ein Jahrhundert zu Ende ist; es ist nachher genau so wie vorher, und es ist zu blöde, diesem Punkt auf der unendlichen Elle der Zeit für etwas besondres zu halten." Die Leute, die so reden, halten sich natürlich für sehr gescheit, aber sie sind weiter nichts als dumm. Nicht wahr, Sie haben sich auch so ungefähr geäußert? Erlaube» Sie, lieber Freund, sagte ich etwas scharf, ich muß doch um Ent¬ schuldigung bitten. Wenn ich — verzeihen Sie — ich muß doch gehorsamst — Na, seien Sie nnr gut! sagte er lachend, es war ja nur Scherz. Was ich sagen wollte, ist, daß die, die so reden, das eine Große gar nicht sehen, daß dieser Augenblick der Jahrhundertwende ein loderndes Mene Tekel ist, das seinen Schein zurückwirft durch die Zeiten auf den Tag der Geburt jeues Mannes, vor dem die Geschichte ein Schatten wurde, und der die Pforten der Ewigkeit öffnete, des Gottes¬ sohns. Die Jahrhunderte, die wir zahlen, sind kein gleich giltiges Maß für Zeit und Geschichte; wie die Spanne dieser Zeit von Christus ausgeht, so führt sie zu ihm zurück: unsre Jahrhunderte sind die Jahrhunderte dessen, den die Christenheit den Herrn neunt. Daran sollte man denken! Aber wie vieler Gedanken gehn denn diesen Weg! Wie vieler Gedanken messen das, was uns umgiebt, an dem, wovon unsre Zeitrechnung ausgeht, den Gehalt unsers Lebens an dem des Quells, aus dem es entsprungen ist? Wie viele moderne Menschen sind sich denn überhaupt bewußt, daß das Leben, worin sie sich bewegen, von einer Unterströmung christ¬ licher Ideen getragen wird? Freilich, wahres Christentum, bewußtes und reines Christentum, das Christentum des Maunes, von dem ein neues Leben ausgegangen ist für die Welt und die Jahrtausende, entdeckt das Auge, das danach sucht, ver¬ zweifelt wenig. Was haben die Jahrhunderte daraus gemacht? Sehen Sie auf das Mittelalter zurück! Ein ungeheures Gebäude ist errichtet worden, die Kirche! In jede Stadt, in jeden Ort, in die kleinsten weltfernen Dörfer hat sie Gottes¬ häuser gestellt, deren Glocken alltäglich die Gläubigen zum Gottesdienst rufen, zum Beten mahnen. In der Kirche des kleinsten Dorfes glänzt und funkelt der Prunk, der die Größe und die Macht dieser Kirche versinnbildlicht. Die Kunst von Jahrhunderten hat ihr Hehrstes im Dienste dieser Kirche und zu ihrem Schmuck geleistet. Es giebt kein Menschenwerk, das sich mit dem vergleichen könnte, was für diese Kirche geschaffen worden ist. Und ein ungezähltes Heer von Dienern dieser Kirche wohnt unter ihrem Dach, Priester, Mönche und Nonne«; keine Hierarchie aller Völker und Zeiten ist von solcher Macht, von solchem Umfang und von solchem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/262>, abgerufen am 04.07.2024.