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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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An der Schwelle des Orients

Römerzeit ein befestigter Ort, von dem noch Überreste eines Lagers und Kastells
vorhanden sind. In der Geschichte Serbiens aber bietet die des nahen Mai-
danpek ("Bergwerk am Pet") keinen Glanzpunkt. Nur die Habgier der Minister
und Senatoren erntete bei dem Graben auf Eisen und Kupfer, während der
Staat bloß draufzahlen mußte, und die gewordnen fremden Bergleute durch
Truck und Abrechnnngsfinesscn immer wieder bald zum Abzug gebracht wurden.
Auch der tüchtige achtundvierziger österreichische Flüchtling Fuchs vermochte
nur kurz den Betrieb lukrativer zu gestalten, und wie so viele wurde auch
dieser ehrliche Schwabe von den Belgrader Füchsen schließlich miserabel be¬
trogen. Kurz daraus wurden die Bergwerke dann einer französischen Gesell¬
schaft zum Betrieb übergeben, die jedoch mit ungenügenden Mitteln die ganze
Sache viel zu großartig unternahm und dann hieran und an serbischen Quer-
zügen gleichfalls erlag. Es scheint nun, daß die neue serbische Regierung unter
dem Präsidium Wladau Gjvrgewitschs auch an eine Wiederaufnahme des Berg¬
werkbetriebs im Pekgebiete denkt und auch für diesen Zweck deutsches Kapital
ius Land rufen möchte. Ohne die etwas laut ausposaunte Ehrlichkeit der
neuen serbischen Regierung geradezu in Zweifel ziehn zu Wollen, dürfte diesen
Lockrufen gegenüber aber vielleicht jedoch mit Nutzen darauf hingewiesen
werden, daß es doch recht fraglich ist, ob diese neue Negierung sich wird
halten können, die mit ihrem rücksichtslosen Absolutismus gegen Presse und
Berfassnng Wohl gutes wollen mag, sich aber sicherlich eine Menge verzweifelter
Feinde schafft, nicht nur in Nußland, wo die Karagjorgcwitsch lauern, bis die
Dynastie Obrenowitsch sich vollends zu Grunde gerichtet hat, sondern im Lande
selbst, wo die russischen von der Regierung auf Tod und Leben bekämpften
Sympathien die größte Verbreitung haben; jedenfalls aber wäre etwaigen
wngelnstigen deutschen Kapitalisten, bevor sie sich einlassen, ein genaues
Studium früherer serbischer Unternehmungen mit fremden Kräften sehr zu em¬
pfehlen, vor allem aber das der Arbeiten von Maidanpck, damit sie sich auf
alle Fülle rechtzeitig sichern.

Ruhmvollern Angedenkens, als das nähe Maidanpek, wenn auch gleichfalls
eines traurigen, ist für Serbien die nicht weit von Milanownz in der Donau
liegende Insel Poretsch. Nachdem der Haiduk Velilo, der verwegenste der
Serbenführer, 1813 bei der Verteidigung von Negvtin gefallen war, flüchteten
die Serben vor den mit Übermacht anrückenden Türken aus Kladvwo und Brza
Palanka auf die Insel Poretsch und in die damals ans ihr gelegne Stadt.
"Die allgemeine Gefahr hatte bewirkt, erzählt Ranke, daß hier unter einem
tüchtigen Vojvoden von Mindens Anstellung ein fähiger Befehlshaber, Hndschi
Nikola, die Gewalt um sich gebracht hatte. Jedoch auch dieser konnte nicht
helfen. Er errichtete eine Schanze am untern Ende der Insel; aber der Feind
landete zwischen Stadt und Schanze, und sowie er sich zeigte, flohen die der
Flucht bereits Gewohnten aufs neue. Auf Schiffen und Kähnen, ja selbst auf
Brettern, einige schwimmend suchten sie der Rache der Türke" zu entgehn und
sich ans österreichische Ufer zu retten. Hadschi Nikola wurde gefangen und


An der Schwelle des Orients

Römerzeit ein befestigter Ort, von dem noch Überreste eines Lagers und Kastells
vorhanden sind. In der Geschichte Serbiens aber bietet die des nahen Mai-
danpek („Bergwerk am Pet") keinen Glanzpunkt. Nur die Habgier der Minister
und Senatoren erntete bei dem Graben auf Eisen und Kupfer, während der
Staat bloß draufzahlen mußte, und die gewordnen fremden Bergleute durch
Truck und Abrechnnngsfinesscn immer wieder bald zum Abzug gebracht wurden.
Auch der tüchtige achtundvierziger österreichische Flüchtling Fuchs vermochte
nur kurz den Betrieb lukrativer zu gestalten, und wie so viele wurde auch
dieser ehrliche Schwabe von den Belgrader Füchsen schließlich miserabel be¬
trogen. Kurz daraus wurden die Bergwerke dann einer französischen Gesell¬
schaft zum Betrieb übergeben, die jedoch mit ungenügenden Mitteln die ganze
Sache viel zu großartig unternahm und dann hieran und an serbischen Quer-
zügen gleichfalls erlag. Es scheint nun, daß die neue serbische Regierung unter
dem Präsidium Wladau Gjvrgewitschs auch an eine Wiederaufnahme des Berg¬
werkbetriebs im Pekgebiete denkt und auch für diesen Zweck deutsches Kapital
ius Land rufen möchte. Ohne die etwas laut ausposaunte Ehrlichkeit der
neuen serbischen Regierung geradezu in Zweifel ziehn zu Wollen, dürfte diesen
Lockrufen gegenüber aber vielleicht jedoch mit Nutzen darauf hingewiesen
werden, daß es doch recht fraglich ist, ob diese neue Negierung sich wird
halten können, die mit ihrem rücksichtslosen Absolutismus gegen Presse und
Berfassnng Wohl gutes wollen mag, sich aber sicherlich eine Menge verzweifelter
Feinde schafft, nicht nur in Nußland, wo die Karagjorgcwitsch lauern, bis die
Dynastie Obrenowitsch sich vollends zu Grunde gerichtet hat, sondern im Lande
selbst, wo die russischen von der Regierung auf Tod und Leben bekämpften
Sympathien die größte Verbreitung haben; jedenfalls aber wäre etwaigen
wngelnstigen deutschen Kapitalisten, bevor sie sich einlassen, ein genaues
Studium früherer serbischer Unternehmungen mit fremden Kräften sehr zu em¬
pfehlen, vor allem aber das der Arbeiten von Maidanpck, damit sie sich auf
alle Fülle rechtzeitig sichern.

Ruhmvollern Angedenkens, als das nähe Maidanpek, wenn auch gleichfalls
eines traurigen, ist für Serbien die nicht weit von Milanownz in der Donau
liegende Insel Poretsch. Nachdem der Haiduk Velilo, der verwegenste der
Serbenführer, 1813 bei der Verteidigung von Negvtin gefallen war, flüchteten
die Serben vor den mit Übermacht anrückenden Türken aus Kladvwo und Brza
Palanka auf die Insel Poretsch und in die damals ans ihr gelegne Stadt.
„Die allgemeine Gefahr hatte bewirkt, erzählt Ranke, daß hier unter einem
tüchtigen Vojvoden von Mindens Anstellung ein fähiger Befehlshaber, Hndschi
Nikola, die Gewalt um sich gebracht hatte. Jedoch auch dieser konnte nicht
helfen. Er errichtete eine Schanze am untern Ende der Insel; aber der Feind
landete zwischen Stadt und Schanze, und sowie er sich zeigte, flohen die der
Flucht bereits Gewohnten aufs neue. Auf Schiffen und Kähnen, ja selbst auf
Brettern, einige schwimmend suchten sie der Rache der Türke» zu entgehn und
sich ans österreichische Ufer zu retten. Hadschi Nikola wurde gefangen und


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[0244] An der Schwelle des Orients Römerzeit ein befestigter Ort, von dem noch Überreste eines Lagers und Kastells vorhanden sind. In der Geschichte Serbiens aber bietet die des nahen Mai- danpek („Bergwerk am Pet") keinen Glanzpunkt. Nur die Habgier der Minister und Senatoren erntete bei dem Graben auf Eisen und Kupfer, während der Staat bloß draufzahlen mußte, und die gewordnen fremden Bergleute durch Truck und Abrechnnngsfinesscn immer wieder bald zum Abzug gebracht wurden. Auch der tüchtige achtundvierziger österreichische Flüchtling Fuchs vermochte nur kurz den Betrieb lukrativer zu gestalten, und wie so viele wurde auch dieser ehrliche Schwabe von den Belgrader Füchsen schließlich miserabel be¬ trogen. Kurz daraus wurden die Bergwerke dann einer französischen Gesell¬ schaft zum Betrieb übergeben, die jedoch mit ungenügenden Mitteln die ganze Sache viel zu großartig unternahm und dann hieran und an serbischen Quer- zügen gleichfalls erlag. Es scheint nun, daß die neue serbische Regierung unter dem Präsidium Wladau Gjvrgewitschs auch an eine Wiederaufnahme des Berg¬ werkbetriebs im Pekgebiete denkt und auch für diesen Zweck deutsches Kapital ius Land rufen möchte. Ohne die etwas laut ausposaunte Ehrlichkeit der neuen serbischen Regierung geradezu in Zweifel ziehn zu Wollen, dürfte diesen Lockrufen gegenüber aber vielleicht jedoch mit Nutzen darauf hingewiesen werden, daß es doch recht fraglich ist, ob diese neue Negierung sich wird halten können, die mit ihrem rücksichtslosen Absolutismus gegen Presse und Berfassnng Wohl gutes wollen mag, sich aber sicherlich eine Menge verzweifelter Feinde schafft, nicht nur in Nußland, wo die Karagjorgcwitsch lauern, bis die Dynastie Obrenowitsch sich vollends zu Grunde gerichtet hat, sondern im Lande selbst, wo die russischen von der Regierung auf Tod und Leben bekämpften Sympathien die größte Verbreitung haben; jedenfalls aber wäre etwaigen wngelnstigen deutschen Kapitalisten, bevor sie sich einlassen, ein genaues Studium früherer serbischer Unternehmungen mit fremden Kräften sehr zu em¬ pfehlen, vor allem aber das der Arbeiten von Maidanpck, damit sie sich auf alle Fülle rechtzeitig sichern. Ruhmvollern Angedenkens, als das nähe Maidanpek, wenn auch gleichfalls eines traurigen, ist für Serbien die nicht weit von Milanownz in der Donau liegende Insel Poretsch. Nachdem der Haiduk Velilo, der verwegenste der Serbenführer, 1813 bei der Verteidigung von Negvtin gefallen war, flüchteten die Serben vor den mit Übermacht anrückenden Türken aus Kladvwo und Brza Palanka auf die Insel Poretsch und in die damals ans ihr gelegne Stadt. „Die allgemeine Gefahr hatte bewirkt, erzählt Ranke, daß hier unter einem tüchtigen Vojvoden von Mindens Anstellung ein fähiger Befehlshaber, Hndschi Nikola, die Gewalt um sich gebracht hatte. Jedoch auch dieser konnte nicht helfen. Er errichtete eine Schanze am untern Ende der Insel; aber der Feind landete zwischen Stadt und Schanze, und sowie er sich zeigte, flohen die der Flucht bereits Gewohnten aufs neue. Auf Schiffen und Kähnen, ja selbst auf Brettern, einige schwimmend suchten sie der Rache der Türke» zu entgehn und sich ans österreichische Ufer zu retten. Hadschi Nikola wurde gefangen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/244>, abgerufen am 02.07.2024.