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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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so wenig seyn. Von meinem Vater habe ich leider keinen Brief seit den
5- August der Ihrige ist vom 6 September, wurmen wohl? Unter 3 Wochen
komme ich hier nicht weg wenn ich nachher nicht bereuen will manches versäumt
zu haben! Es ist gar zu viel zu sehen. Auf morgen habe ich beschlossen
Rom d. h. die wichtigsten Puncte zu durchfahren, um erst einen allgemeinen
Begriff von der Stadt zu bekommen, auch habe ich schon einen Plan gekauft
und mir meinen Weg bezeichnet, so muß man handeln sonst wird man ver¬
wirrt und vergißt eines über das andere. Ich kam zur Porta Se. Givani
(Giovanni) herein und das erste was meinen Buten sich darbot, war das
Colosseum! welch ein Anblik, dann an einem herlichen antiken Triumphbogen
vorbei, später die Säule des Trajan; so sah ich auf dem Weg nach dein
Wirthshause (:ich wohne im Hotel ä'^lomANö bei Franz einem Schwitzer:)
schon alles dieses herrliche. Am Tage ist es sehr warm, am Abend und
Morgen so kalt, daß ich ein Caminfeuer in meiner Stube angebrannt und
dennoch den Mantel und Filzsoken über die Stiefel anhabe, niemals habe ich
s" gefroren wie hier. Mein Tagebuch vom Abgange von Neapel an wird in
^" nächsten Tagen abgehen, Ich muß mich erst wieder sammeln. Lassen Sie
meinem Vater wissen, daß ich hier in Rom bin. Meine Dankbarkeit gegen
ihn ist ohne Gränzen, daß er mir alle diese Genüsse verschafft. Wunderliche
Dinge sind seit der Zeit um Euch herum vorgegangen möge alles gut enden
oder schon geendet haben; Ich sitze ruhig in Rom, zwar in einem engen
Gäßgen aber in Rom. Lassen Sie den Freunden und Freundinnen etwas
von mir wissen. Soret bitte sagen zu lassen, daß sein Brief vom 23 April?
mit dem Ihrigen heute erst in meine Hände gekommen. Ich hoffte Briefe von
meinem Vater hier zu finden, aber umsonst, um steckt nur alles? Das Tage¬
buch geht vorwärts und bald werden Sie es lesen. Da ich die erste Nachricht
von Ihnen, von Unserem Weimar erhielt, so gehörten natürlich auch diese
Zeilen Ihnen zuerst. Wenn mau 8 Wochen gar nichts aus der Heimath hört
s" wird man endlich irre an den Menschen. Ich bin hier "och niemals irre
um mir geworden wie es der alten Garde ziemt. Am besten ist es Sie
theilen meinem Vater gerade diesen Brief mit. Ich bin wohl manchmal etwas
müde, da schließe ich und wenn es um Mittag ist. Grüßen Sie Gille, Nauny,
die andern Kinder und empfehlen Sie mich dem Herrn Oberknmmcrherrn. Der
Raum wird zu kurz ich muß enden. Lebt alle wohl bis uns ein fröhliches
Wiedersehn. Ein anderes mal mehr.

Rom den 16 Oetob. 1830.


Die alte Garde
Goethe.

Den Brief von Soret an Eckermnnn kann ich leider nicht abgeben, da
derselbe mich in Genua treuloser Weise verlassen.




so wenig seyn. Von meinem Vater habe ich leider keinen Brief seit den
5- August der Ihrige ist vom 6 September, wurmen wohl? Unter 3 Wochen
komme ich hier nicht weg wenn ich nachher nicht bereuen will manches versäumt
zu haben! Es ist gar zu viel zu sehen. Auf morgen habe ich beschlossen
Rom d. h. die wichtigsten Puncte zu durchfahren, um erst einen allgemeinen
Begriff von der Stadt zu bekommen, auch habe ich schon einen Plan gekauft
und mir meinen Weg bezeichnet, so muß man handeln sonst wird man ver¬
wirrt und vergißt eines über das andere. Ich kam zur Porta Se. Givani
(Giovanni) herein und das erste was meinen Buten sich darbot, war das
Colosseum! welch ein Anblik, dann an einem herlichen antiken Triumphbogen
vorbei, später die Säule des Trajan; so sah ich auf dem Weg nach dein
Wirthshause (:ich wohne im Hotel ä'^lomANö bei Franz einem Schwitzer:)
schon alles dieses herrliche. Am Tage ist es sehr warm, am Abend und
Morgen so kalt, daß ich ein Caminfeuer in meiner Stube angebrannt und
dennoch den Mantel und Filzsoken über die Stiefel anhabe, niemals habe ich
s" gefroren wie hier. Mein Tagebuch vom Abgange von Neapel an wird in
^» nächsten Tagen abgehen, Ich muß mich erst wieder sammeln. Lassen Sie
meinem Vater wissen, daß ich hier in Rom bin. Meine Dankbarkeit gegen
ihn ist ohne Gränzen, daß er mir alle diese Genüsse verschafft. Wunderliche
Dinge sind seit der Zeit um Euch herum vorgegangen möge alles gut enden
oder schon geendet haben; Ich sitze ruhig in Rom, zwar in einem engen
Gäßgen aber in Rom. Lassen Sie den Freunden und Freundinnen etwas
von mir wissen. Soret bitte sagen zu lassen, daß sein Brief vom 23 April?
mit dem Ihrigen heute erst in meine Hände gekommen. Ich hoffte Briefe von
meinem Vater hier zu finden, aber umsonst, um steckt nur alles? Das Tage¬
buch geht vorwärts und bald werden Sie es lesen. Da ich die erste Nachricht
von Ihnen, von Unserem Weimar erhielt, so gehörten natürlich auch diese
Zeilen Ihnen zuerst. Wenn mau 8 Wochen gar nichts aus der Heimath hört
s» wird man endlich irre an den Menschen. Ich bin hier »och niemals irre
um mir geworden wie es der alten Garde ziemt. Am besten ist es Sie
theilen meinem Vater gerade diesen Brief mit. Ich bin wohl manchmal etwas
müde, da schließe ich und wenn es um Mittag ist. Grüßen Sie Gille, Nauny,
die andern Kinder und empfehlen Sie mich dem Herrn Oberknmmcrherrn. Der
Raum wird zu kurz ich muß enden. Lebt alle wohl bis uns ein fröhliches
Wiedersehn. Ein anderes mal mehr.

Rom den 16 Oetob. 1830.


Die alte Garde
Goethe.

Den Brief von Soret an Eckermnnn kann ich leider nicht abgeben, da
derselbe mich in Genua treuloser Weise verlassen.




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[0207] so wenig seyn. Von meinem Vater habe ich leider keinen Brief seit den 5- August der Ihrige ist vom 6 September, wurmen wohl? Unter 3 Wochen komme ich hier nicht weg wenn ich nachher nicht bereuen will manches versäumt zu haben! Es ist gar zu viel zu sehen. Auf morgen habe ich beschlossen Rom d. h. die wichtigsten Puncte zu durchfahren, um erst einen allgemeinen Begriff von der Stadt zu bekommen, auch habe ich schon einen Plan gekauft und mir meinen Weg bezeichnet, so muß man handeln sonst wird man ver¬ wirrt und vergißt eines über das andere. Ich kam zur Porta Se. Givani (Giovanni) herein und das erste was meinen Buten sich darbot, war das Colosseum! welch ein Anblik, dann an einem herlichen antiken Triumphbogen vorbei, später die Säule des Trajan; so sah ich auf dem Weg nach dein Wirthshause (:ich wohne im Hotel ä'^lomANö bei Franz einem Schwitzer:) schon alles dieses herrliche. Am Tage ist es sehr warm, am Abend und Morgen so kalt, daß ich ein Caminfeuer in meiner Stube angebrannt und dennoch den Mantel und Filzsoken über die Stiefel anhabe, niemals habe ich s" gefroren wie hier. Mein Tagebuch vom Abgange von Neapel an wird in ^» nächsten Tagen abgehen, Ich muß mich erst wieder sammeln. Lassen Sie meinem Vater wissen, daß ich hier in Rom bin. Meine Dankbarkeit gegen ihn ist ohne Gränzen, daß er mir alle diese Genüsse verschafft. Wunderliche Dinge sind seit der Zeit um Euch herum vorgegangen möge alles gut enden oder schon geendet haben; Ich sitze ruhig in Rom, zwar in einem engen Gäßgen aber in Rom. Lassen Sie den Freunden und Freundinnen etwas von mir wissen. Soret bitte sagen zu lassen, daß sein Brief vom 23 April? mit dem Ihrigen heute erst in meine Hände gekommen. Ich hoffte Briefe von meinem Vater hier zu finden, aber umsonst, um steckt nur alles? Das Tage¬ buch geht vorwärts und bald werden Sie es lesen. Da ich die erste Nachricht von Ihnen, von Unserem Weimar erhielt, so gehörten natürlich auch diese Zeilen Ihnen zuerst. Wenn mau 8 Wochen gar nichts aus der Heimath hört s» wird man endlich irre an den Menschen. Ich bin hier »och niemals irre um mir geworden wie es der alten Garde ziemt. Am besten ist es Sie theilen meinem Vater gerade diesen Brief mit. Ich bin wohl manchmal etwas müde, da schließe ich und wenn es um Mittag ist. Grüßen Sie Gille, Nauny, die andern Kinder und empfehlen Sie mich dem Herrn Oberknmmcrherrn. Der Raum wird zu kurz ich muß enden. Lebt alle wohl bis uns ein fröhliches Wiedersehn. Ein anderes mal mehr. Rom den 16 Oetob. 1830. Die alte Garde Goethe. Den Brief von Soret an Eckermnnn kann ich leider nicht abgeben, da derselbe mich in Genua treuloser Weise verlassen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/207>, abgerufen am 30.06.2024.