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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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August von Goethes Briefe aus Italien

auseinander. Man wird ordentlich vom Leben gerammelt; doch ich setze die
Büreumiitze auf und rufe Vivo IVIüinpLi'sur. Der Trievlor weht auch im Hafen
und da kann es ja nicht fehlen. Könnte ich Euch nur ein Frühftük in meiner
Stube geben! ich esse keinen Bissen und trinke kein Glas Wein ohne nicht
Eurer zu Gedenken und Gott im Voraus zu danken für die traulichen Abende,
die ich im November Schnee bei Euch zubringen werde. Ich bin nirgends
fremd, der gute Mensch findet überall Brüder und Gleichgesinnte und sollte es
unter den Lnzaronis seyn (-eine verschriene aber gute Menschen Unee:). Nur
muß man sagen! Leben und leben lassen, dann geht alles gut; ein Paar alte
Achtgroschenstücke mehr oder weniger das ist ja nichts! Grüßen Sie Gille,
Nanny, Carl, Marie un Mela. Schmidts empfehlen Sie mich und, den Herrn
Oberkammerherrn rufen Sie den Entfernten freundlich ins Gedächtniß. Ich
bin glücklich kehre aber eben so gern zurück und freue mich auf ein Weimar¬
leben. Lebt wohl Kinder und gedenkt des Abwesenden freundlich. Ihr treu
Goethe. ergebener


9

Heute bin ich in Rom angekommen nachdem ich 4 Wochen in Neapel,
einer ungeheuern Weltstadt verlebt. Ich habe meine Tage gut und ehrlich zu¬
gebracht. Zum Beweiß daß ich an Sie gedacht lege ein Paar Liielarnöiis aus
dem Haus des Tasso in Sorrent bei, welche ich eigenhändig pflükte. Daß
ich Später komme als ich versprach ist natürlich da ich 4 Wochen durch den
Armbruch verloren. Da ich einmal das Geld daran wende so will ich Italien
ganz kennen lernen. Es ist ein wunderbares Land und es gehört der Ent¬
schluß der Alten Garde dazu, sich von einem Orten loß zu reißen und zum
anderen zu kommen; deswegen bin ich auch in 26 Stunden von Neapel nach
Rom gereißt, wozu ein gewöhnlicher Reisender Tag braucht. Nun bin
ich hier es ist das höchste Ziel meiner Reisen und wenn ich es mit Nutzen
durchgetrieben, kehre ich ohne Unterlaß zurück. Es ist die erste, aber wahr¬
scheinlich mich die letzte Reise, die ich mache, darum kann es auf ein Paar
Tage mehr oder weniger nicht ankommen. Heute Abend stand ich auf dem
Obersten Punct der spanischen Treppe am Obelisken von Santa Trinita del
Monte, wo man beinahe ganz Rom übersehen kann. Die Sonne ging hinter
Sant Peter unter es war ein göttlicher Anblick. Ich dachte tönten nur
Gitters hier seyn, Nanny nicht zu vergehen! Ich habe schon meinen Plan
gemacht Rom kennen zu lernen. Es ist groß, ungeheuer. Wenn man zwar
aus Neapel kommt, welches viel viel kleiner ist, so kommt es einem hier Todt
vor; denn Neapel hat 500,000 Einwohner Rom nur 1.50,000. Diß sind die
ersten Zeilen die ich seit Neapel schreibe, aber da ich heute Ihren Brief und
Naunys Zeilen erhielt, so setzte ich mich noch den Abend um 10 Uhr hin.
Aus meinen Tagebüchern werden Sie ersehen was ich treibe und getrieben,
machen Sie aber keine falschen Auslegungen, wie ich schon in Ihrem Briefe
gefunden. Rom ist das ernsteste, Neapel das Tollste, was ich gesehen. Ich
habe mir in letzteren keinen Vorwurf zu macheu und im ersteren wird es eben


August von Goethes Briefe aus Italien

auseinander. Man wird ordentlich vom Leben gerammelt; doch ich setze die
Büreumiitze auf und rufe Vivo IVIüinpLi'sur. Der Trievlor weht auch im Hafen
und da kann es ja nicht fehlen. Könnte ich Euch nur ein Frühftük in meiner
Stube geben! ich esse keinen Bissen und trinke kein Glas Wein ohne nicht
Eurer zu Gedenken und Gott im Voraus zu danken für die traulichen Abende,
die ich im November Schnee bei Euch zubringen werde. Ich bin nirgends
fremd, der gute Mensch findet überall Brüder und Gleichgesinnte und sollte es
unter den Lnzaronis seyn (-eine verschriene aber gute Menschen Unee:). Nur
muß man sagen! Leben und leben lassen, dann geht alles gut; ein Paar alte
Achtgroschenstücke mehr oder weniger das ist ja nichts! Grüßen Sie Gille,
Nanny, Carl, Marie un Mela. Schmidts empfehlen Sie mich und, den Herrn
Oberkammerherrn rufen Sie den Entfernten freundlich ins Gedächtniß. Ich
bin glücklich kehre aber eben so gern zurück und freue mich auf ein Weimar¬
leben. Lebt wohl Kinder und gedenkt des Abwesenden freundlich. Ihr treu
Goethe. ergebener


9

Heute bin ich in Rom angekommen nachdem ich 4 Wochen in Neapel,
einer ungeheuern Weltstadt verlebt. Ich habe meine Tage gut und ehrlich zu¬
gebracht. Zum Beweiß daß ich an Sie gedacht lege ein Paar Liielarnöiis aus
dem Haus des Tasso in Sorrent bei, welche ich eigenhändig pflükte. Daß
ich Später komme als ich versprach ist natürlich da ich 4 Wochen durch den
Armbruch verloren. Da ich einmal das Geld daran wende so will ich Italien
ganz kennen lernen. Es ist ein wunderbares Land und es gehört der Ent¬
schluß der Alten Garde dazu, sich von einem Orten loß zu reißen und zum
anderen zu kommen; deswegen bin ich auch in 26 Stunden von Neapel nach
Rom gereißt, wozu ein gewöhnlicher Reisender Tag braucht. Nun bin
ich hier es ist das höchste Ziel meiner Reisen und wenn ich es mit Nutzen
durchgetrieben, kehre ich ohne Unterlaß zurück. Es ist die erste, aber wahr¬
scheinlich mich die letzte Reise, die ich mache, darum kann es auf ein Paar
Tage mehr oder weniger nicht ankommen. Heute Abend stand ich auf dem
Obersten Punct der spanischen Treppe am Obelisken von Santa Trinita del
Monte, wo man beinahe ganz Rom übersehen kann. Die Sonne ging hinter
Sant Peter unter es war ein göttlicher Anblick. Ich dachte tönten nur
Gitters hier seyn, Nanny nicht zu vergehen! Ich habe schon meinen Plan
gemacht Rom kennen zu lernen. Es ist groß, ungeheuer. Wenn man zwar
aus Neapel kommt, welches viel viel kleiner ist, so kommt es einem hier Todt
vor; denn Neapel hat 500,000 Einwohner Rom nur 1.50,000. Diß sind die
ersten Zeilen die ich seit Neapel schreibe, aber da ich heute Ihren Brief und
Naunys Zeilen erhielt, so setzte ich mich noch den Abend um 10 Uhr hin.
Aus meinen Tagebüchern werden Sie ersehen was ich treibe und getrieben,
machen Sie aber keine falschen Auslegungen, wie ich schon in Ihrem Briefe
gefunden. Rom ist das ernsteste, Neapel das Tollste, was ich gesehen. Ich
habe mir in letzteren keinen Vorwurf zu macheu und im ersteren wird es eben


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[0206] August von Goethes Briefe aus Italien auseinander. Man wird ordentlich vom Leben gerammelt; doch ich setze die Büreumiitze auf und rufe Vivo IVIüinpLi'sur. Der Trievlor weht auch im Hafen und da kann es ja nicht fehlen. Könnte ich Euch nur ein Frühftük in meiner Stube geben! ich esse keinen Bissen und trinke kein Glas Wein ohne nicht Eurer zu Gedenken und Gott im Voraus zu danken für die traulichen Abende, die ich im November Schnee bei Euch zubringen werde. Ich bin nirgends fremd, der gute Mensch findet überall Brüder und Gleichgesinnte und sollte es unter den Lnzaronis seyn (-eine verschriene aber gute Menschen Unee:). Nur muß man sagen! Leben und leben lassen, dann geht alles gut; ein Paar alte Achtgroschenstücke mehr oder weniger das ist ja nichts! Grüßen Sie Gille, Nanny, Carl, Marie un Mela. Schmidts empfehlen Sie mich und, den Herrn Oberkammerherrn rufen Sie den Entfernten freundlich ins Gedächtniß. Ich bin glücklich kehre aber eben so gern zurück und freue mich auf ein Weimar¬ leben. Lebt wohl Kinder und gedenkt des Abwesenden freundlich. Ihr treu Goethe. ergebener 9 Heute bin ich in Rom angekommen nachdem ich 4 Wochen in Neapel, einer ungeheuern Weltstadt verlebt. Ich habe meine Tage gut und ehrlich zu¬ gebracht. Zum Beweiß daß ich an Sie gedacht lege ein Paar Liielarnöiis aus dem Haus des Tasso in Sorrent bei, welche ich eigenhändig pflükte. Daß ich Später komme als ich versprach ist natürlich da ich 4 Wochen durch den Armbruch verloren. Da ich einmal das Geld daran wende so will ich Italien ganz kennen lernen. Es ist ein wunderbares Land und es gehört der Ent¬ schluß der Alten Garde dazu, sich von einem Orten loß zu reißen und zum anderen zu kommen; deswegen bin ich auch in 26 Stunden von Neapel nach Rom gereißt, wozu ein gewöhnlicher Reisender Tag braucht. Nun bin ich hier es ist das höchste Ziel meiner Reisen und wenn ich es mit Nutzen durchgetrieben, kehre ich ohne Unterlaß zurück. Es ist die erste, aber wahr¬ scheinlich mich die letzte Reise, die ich mache, darum kann es auf ein Paar Tage mehr oder weniger nicht ankommen. Heute Abend stand ich auf dem Obersten Punct der spanischen Treppe am Obelisken von Santa Trinita del Monte, wo man beinahe ganz Rom übersehen kann. Die Sonne ging hinter Sant Peter unter es war ein göttlicher Anblick. Ich dachte tönten nur Gitters hier seyn, Nanny nicht zu vergehen! Ich habe schon meinen Plan gemacht Rom kennen zu lernen. Es ist groß, ungeheuer. Wenn man zwar aus Neapel kommt, welches viel viel kleiner ist, so kommt es einem hier Todt vor; denn Neapel hat 500,000 Einwohner Rom nur 1.50,000. Diß sind die ersten Zeilen die ich seit Neapel schreibe, aber da ich heute Ihren Brief und Naunys Zeilen erhielt, so setzte ich mich noch den Abend um 10 Uhr hin. Aus meinen Tagebüchern werden Sie ersehen was ich treibe und getrieben, machen Sie aber keine falschen Auslegungen, wie ich schon in Ihrem Briefe gefunden. Rom ist das ernsteste, Neapel das Tollste, was ich gesehen. Ich habe mir in letzteren keinen Vorwurf zu macheu und im ersteren wird es eben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/206>, abgerufen am 30.06.2024.