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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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zu klein, und da man hierzulande auch das Rindvieh nicht als Zugvieh
benutzt, so ist der Kolonist bei der Feldbestellung immer auf seine eigne Arbeits-
kraft angewiesen. Später wendet sich wohl ein Teil der Nachkommen der
Schifferei zu lind hilft mit seinein Verdienst den Wohlstand des Hauses
mehren. So sind die oldenburgischen Kolonien im Entstehu begriffen, und
eine kurze Fahrt ins preußische Land nach Westen zeigt uns den vollendeten
Kulturprozeß, Da stehn keine Torfhaufen mehr zum Versand bereit am Rande
der Kanäle, das Moor ist ganz verschwunden, große, schöne Ziegelsteinhäuser,
die Giebelseite nach der Straße gerichtet, stehn dicht nebeneinander; alles verrät
eine wohlhabende, zufriedne Bevölkerung,

Es ist in der That eine gewaltige, zähe Arbeit, die hier im Laufe ge
raumer Zeit mit Segen gekrönt worden ist; und was man hier auf preußischem
Gebiet langsam erreicht hat, wird dann auf oldenburgischen Gebiet schnell erzielt
werde", wenn die Industrie im Moor festen Fuß gefaßt hat, denn das Moor,
der Torf, ist, kann man Wohl sagen, zu allen Dingen nütze. Zwar haben sich
bis heute mir zwei Industrien wirklich eingebürgert, die Produktion von Pre߬
torf und von Torfstreu, aber der Torf ist ein zukunftreicher Rohstoff, Man
stellt aus ihm vor allem Kote her, und die Nebenprodukte dieses Verkolungs-
Prozesses sind weit wertvoller, als die bei der Braunkvhleuschtvelcrei erhaltnen -
Gasöl, Paraffin, Kreosvtnatron, Gondron, sogar Alkohol wirtschaftet mau
heraus. Daneben benntzt man die Torffaser zu Webereien, man kämmt sie
und stellt so eine sehr gerühmte Verbandwatte her. Vorläufig sind es die
Torfwerke, die Preßtorf und Torfstreu machen, die eine schnellere Aufschließung
der Moore bewirken, und die Einleitung dieser Kulturpolitik, die mit der An¬
lage größerer Kanalnetze begann, hat auch dem Saterlande, wo die größten
derartigen Anlagen liegen, neuen Aufschwung gebracht, der seine rechte Wirkung
allerdings erst in der Zukunft außer" wird. Die Entwicklung hat erst die
Ränder des Gebiets erfaßt, und immer noch ist die Saker-Ems die einzige
zentrale Verkehrsstraße des Landes, Der Bollinger Kanal, der nordsüdlich
führt, berührt nur die Westgrenze, und die mit der Zeit hergestellten Sandwege
können einen größern Verkehr im Sommer nur mäßig, im Herbst, Winter und
Frühjahr gar nicht leiten.

So trägt das Ländchen noch heute deu Charakter einer gewissen Welt
frembden; alte Sitten und Gebräuche sind hier noch lebendiger als anderswo.
Die Dichtigkeit der Bevölkerung betrügt noch 28 Menschen auf deu Quadrat¬
kilometer, und durchschnittlich kommen in den vier Gemeinden 850 Hektar Kultur¬
land auf 3000 Hektar unkultiviertes Land, Nur die Gemeinde Strücklinge",
die unmittelbar a" neue" Wasserstraße" liegt, zeigt einen lebhafter" Fortschritt
und beweist zugleich die Wechselwirkung zwischen Wasserstraßen und Zunahme
der Kultur, Mau tritt einem solchen Volksreste, der so viele spüre" alter
Sonderart zeigt, etwas befangen gegenüber und ist überrascht, wie die allge¬
meine Bildung doch ihren Weg über das unwirtlichste Moor gefunden und
den Menschen kampffähig auch im modernen Leben gemacht hat. Ein Be-


zu klein, und da man hierzulande auch das Rindvieh nicht als Zugvieh
benutzt, so ist der Kolonist bei der Feldbestellung immer auf seine eigne Arbeits-
kraft angewiesen. Später wendet sich wohl ein Teil der Nachkommen der
Schifferei zu lind hilft mit seinein Verdienst den Wohlstand des Hauses
mehren. So sind die oldenburgischen Kolonien im Entstehu begriffen, und
eine kurze Fahrt ins preußische Land nach Westen zeigt uns den vollendeten
Kulturprozeß, Da stehn keine Torfhaufen mehr zum Versand bereit am Rande
der Kanäle, das Moor ist ganz verschwunden, große, schöne Ziegelsteinhäuser,
die Giebelseite nach der Straße gerichtet, stehn dicht nebeneinander; alles verrät
eine wohlhabende, zufriedne Bevölkerung,

Es ist in der That eine gewaltige, zähe Arbeit, die hier im Laufe ge
raumer Zeit mit Segen gekrönt worden ist; und was man hier auf preußischem
Gebiet langsam erreicht hat, wird dann auf oldenburgischen Gebiet schnell erzielt
werde», wenn die Industrie im Moor festen Fuß gefaßt hat, denn das Moor,
der Torf, ist, kann man Wohl sagen, zu allen Dingen nütze. Zwar haben sich
bis heute mir zwei Industrien wirklich eingebürgert, die Produktion von Pre߬
torf und von Torfstreu, aber der Torf ist ein zukunftreicher Rohstoff, Man
stellt aus ihm vor allem Kote her, und die Nebenprodukte dieses Verkolungs-
Prozesses sind weit wertvoller, als die bei der Braunkvhleuschtvelcrei erhaltnen -
Gasöl, Paraffin, Kreosvtnatron, Gondron, sogar Alkohol wirtschaftet mau
heraus. Daneben benntzt man die Torffaser zu Webereien, man kämmt sie
und stellt so eine sehr gerühmte Verbandwatte her. Vorläufig sind es die
Torfwerke, die Preßtorf und Torfstreu machen, die eine schnellere Aufschließung
der Moore bewirken, und die Einleitung dieser Kulturpolitik, die mit der An¬
lage größerer Kanalnetze begann, hat auch dem Saterlande, wo die größten
derartigen Anlagen liegen, neuen Aufschwung gebracht, der seine rechte Wirkung
allerdings erst in der Zukunft außer» wird. Die Entwicklung hat erst die
Ränder des Gebiets erfaßt, und immer noch ist die Saker-Ems die einzige
zentrale Verkehrsstraße des Landes, Der Bollinger Kanal, der nordsüdlich
führt, berührt nur die Westgrenze, und die mit der Zeit hergestellten Sandwege
können einen größern Verkehr im Sommer nur mäßig, im Herbst, Winter und
Frühjahr gar nicht leiten.

So trägt das Ländchen noch heute deu Charakter einer gewissen Welt
frembden; alte Sitten und Gebräuche sind hier noch lebendiger als anderswo.
Die Dichtigkeit der Bevölkerung betrügt noch 28 Menschen auf deu Quadrat¬
kilometer, und durchschnittlich kommen in den vier Gemeinden 850 Hektar Kultur¬
land auf 3000 Hektar unkultiviertes Land, Nur die Gemeinde Strücklinge»,
die unmittelbar a» neue» Wasserstraße» liegt, zeigt einen lebhafter» Fortschritt
und beweist zugleich die Wechselwirkung zwischen Wasserstraßen und Zunahme
der Kultur, Mau tritt einem solchen Volksreste, der so viele spüre» alter
Sonderart zeigt, etwas befangen gegenüber und ist überrascht, wie die allge¬
meine Bildung doch ihren Weg über das unwirtlichste Moor gefunden und
den Menschen kampffähig auch im modernen Leben gemacht hat. Ein Be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/151>, abgerufen am 30.06.2024.