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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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An der Meute des Jahrhunderts

heit und poltert Nachdruck verlangt, eine starke Flotte. Gegen wen sich die
Spitze dieser Maßregel vornehmlich richtet, ist gar nicht zweifelhaft. Frankreich
wird durch die Natur der Dinge immer mehr an die Seite Deutschlands ge¬
drängt, und schon jetzt vertragen sich im Auslande Franzosen und Deutsche
vortrefflich; mit Rußland stehn wir im besten Einvernehmen, und in den leitenden
Kreisen Nordamerikas besteht der lebhafteste Wunsch, mit uus in Frieden und
Freundschaft zu leben. Die Macht, mit der Nur im schärfsten wirtschaftlichen
Konkurrenzkampf stehn, also unser zukünftiger Gegner, ist England. Das weiß
auch längst unsre Marine. Es ist das nicht in dein Sinne der Fall, als ob
wir unter allen Umständen Krieg mit ihm führen müßten; was geschehen kann,
um einen für beide Teile furchtbaren und verlustvollen Zusammenstoß abzu¬
wenden, das wird unsre Politik ganz gewiß thun. Aber das wird nur möglich
sein, wenn sich England entschließt, uns fortan als gleichberechtigt zu behandeln,
uns den Platz an der Sonne zu gönnen, und dazu wird es sich nur dann
entschließen, wenn es mit der deutschen Flotte als mit einem gefährlichen, also
beachtenswerten Gegner zu rechnen hat. Dazu wird die schwere Erschütterung
seines Ansehens in der Welt dnrch seine Niederlagen in Südafrika und durch
die Unfähigkeit seiner Generale mächtig beitragen, denn dadurch wird England
bescheidner werden und vielleicht für uns einmal ein brauchbarer Bundesgenosse,
der nicht bei jedem Vertrage von vornherein den Löwenanteil für sich be¬
ansprucht. Eine friedliche Verständigung aber mit Englaud wäre jedem noch
so siegreichen Kriege gegen England unendlich vorzuziehen, und die Hoffnung
braucht mau nicht aufzugeben, daß sich auf diesem Wege ein gerechtes Gleich¬
gewicht der Mächte i" der Welt herstelle, wie es in Europa besteht. Bon
diesem Standpunkt aus können der Neichsregieruug die lebhaften Sympathien
des Volks für die Buren mir willkommen sein. Sie haben das Bewnßtsci"
der Stammes- und Interessengemeinschaft zwischen dem deutschen und nieder¬
ländischen Volkstum in ganz überraschender Störte erweckt, sie begünstigen den
höchst wünschenswerten engern Anschluß Hollands an Deutschland, der allein
den Niederländern ihren kostbaren indischen Besitz sichern kann, sie tragen mächtig
dazu bei, in unserm Volk das Verständnis für die Weltpolitik, also für den
Ausbau der Flotte zu fördern.

Hinter diese großartigen Aussichten treten alle Fragen, der inner" Politik
zurück, ja gerade die wichtigsten sind ohne eine glückliche answürtige Politik
nicht einmal lösbar. Für parlamentarische Klopffechtereien wird also das kom¬
mende Jahrhundert bei uns kein Feld bieten, es wird den starken Regierungen
und den starken Völkern gehöre". Der Parlamentarismus ist überall im
sinke", den" er macht, wo er herrscht, die modemen politischen Machtmittel,
die Volksvertretung, die Regierende", die Presse für großkapitalistische Inter¬
essengruppen käuflich, öffnet also der schlimmsten Verderbnis den Weg. Danken
wir Deutschen Gott, daß wir eine wirkliche Monarchie habe", die "icht aus
Furcht vor der sogenannten öffentlichen Meinung und vor künstliche", Zeitnngs-
lärin handelt, sonder" nur nach ihrer wohlerwogiie" Überzeugung, daß Nur


An der Meute des Jahrhunderts

heit und poltert Nachdruck verlangt, eine starke Flotte. Gegen wen sich die
Spitze dieser Maßregel vornehmlich richtet, ist gar nicht zweifelhaft. Frankreich
wird durch die Natur der Dinge immer mehr an die Seite Deutschlands ge¬
drängt, und schon jetzt vertragen sich im Auslande Franzosen und Deutsche
vortrefflich; mit Rußland stehn wir im besten Einvernehmen, und in den leitenden
Kreisen Nordamerikas besteht der lebhafteste Wunsch, mit uus in Frieden und
Freundschaft zu leben. Die Macht, mit der Nur im schärfsten wirtschaftlichen
Konkurrenzkampf stehn, also unser zukünftiger Gegner, ist England. Das weiß
auch längst unsre Marine. Es ist das nicht in dein Sinne der Fall, als ob
wir unter allen Umständen Krieg mit ihm führen müßten; was geschehen kann,
um einen für beide Teile furchtbaren und verlustvollen Zusammenstoß abzu¬
wenden, das wird unsre Politik ganz gewiß thun. Aber das wird nur möglich
sein, wenn sich England entschließt, uns fortan als gleichberechtigt zu behandeln,
uns den Platz an der Sonne zu gönnen, und dazu wird es sich nur dann
entschließen, wenn es mit der deutschen Flotte als mit einem gefährlichen, also
beachtenswerten Gegner zu rechnen hat. Dazu wird die schwere Erschütterung
seines Ansehens in der Welt dnrch seine Niederlagen in Südafrika und durch
die Unfähigkeit seiner Generale mächtig beitragen, denn dadurch wird England
bescheidner werden und vielleicht für uns einmal ein brauchbarer Bundesgenosse,
der nicht bei jedem Vertrage von vornherein den Löwenanteil für sich be¬
ansprucht. Eine friedliche Verständigung aber mit Englaud wäre jedem noch
so siegreichen Kriege gegen England unendlich vorzuziehen, und die Hoffnung
braucht mau nicht aufzugeben, daß sich auf diesem Wege ein gerechtes Gleich¬
gewicht der Mächte i» der Welt herstelle, wie es in Europa besteht. Bon
diesem Standpunkt aus können der Neichsregieruug die lebhaften Sympathien
des Volks für die Buren mir willkommen sein. Sie haben das Bewnßtsci»
der Stammes- und Interessengemeinschaft zwischen dem deutschen und nieder¬
ländischen Volkstum in ganz überraschender Störte erweckt, sie begünstigen den
höchst wünschenswerten engern Anschluß Hollands an Deutschland, der allein
den Niederländern ihren kostbaren indischen Besitz sichern kann, sie tragen mächtig
dazu bei, in unserm Volk das Verständnis für die Weltpolitik, also für den
Ausbau der Flotte zu fördern.

Hinter diese großartigen Aussichten treten alle Fragen, der inner» Politik
zurück, ja gerade die wichtigsten sind ohne eine glückliche answürtige Politik
nicht einmal lösbar. Für parlamentarische Klopffechtereien wird also das kom¬
mende Jahrhundert bei uns kein Feld bieten, es wird den starken Regierungen
und den starken Völkern gehöre». Der Parlamentarismus ist überall im
sinke», den» er macht, wo er herrscht, die modemen politischen Machtmittel,
die Volksvertretung, die Regierende», die Presse für großkapitalistische Inter¬
essengruppen käuflich, öffnet also der schlimmsten Verderbnis den Weg. Danken
wir Deutschen Gott, daß wir eine wirkliche Monarchie habe», die »icht aus
Furcht vor der sogenannten öffentlichen Meinung und vor künstliche», Zeitnngs-
lärin handelt, sonder» nur nach ihrer wohlerwogiie» Überzeugung, daß Nur


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/15>, abgerufen am 30.06.2024.