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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Eine Frühlingsfahrt nach den Abruzzeir und nach Apulien

Mahlern, vorspringenden Löwen und Dreiecksgiebel gebildet ist. Das Innere
enthält zwei Stockwerke je mit acht Räumen, von denen jeder den Außenwänden
genau entspricht, sodaß er ein regelmäßiges Trapez darstellt. Jeder Raum ist
mit einem von vier Säulen getragnen quadratischen Kreuzgewölbe eingedeckt;
infolgedessen bleibt auf zwei Seiten je ein spitzwinkliges Dreieck übrig, das
eine Art spitzbogigen Tonnengewölbes erhalten hat. An die Stelle der Säulen
treten im obern Stockwerk Bündel von je drei Säulen, um eine etwas größere
Leichtigkeit und Heiterkeit des Baueindrucks zu erzielen. Die Belichtung
geschah ursprünglich durch kleine Maneröffnungen; die jetzigen gotischen Fenster
stammen aus der Zeit der Anjous. In den Türmen liegen die Treppen und
Aborte. Das Material des Baues ist der graugelbe Kalkstein der Umgegend;
die Wandbekleidung im Innern mit ihrem rautenförmigen Muster, die Thür¬
umrahmungen, Kamin- und sonstige" Anlagen sind aus einem sehr einschlu߬
reichen, roten Marmor (broeoig-to) gearbeitet. Der Zustand des Baus ist im
allgemeinen gut; die Regierung, die nach Gregorovius Angabe das Schloß
im Jahre 1875 für 25000 Lire gekauft hat, sorgt sür die Erhaltung, indem
sie hier einen ständig anwesenden Custode unterhält und jährlich mehrere
Hundert Lire für die erforderlichen Ausbesserungen ausgiebt.")

Der Stil des Bars ist sür einen Deutschen schwer zu klassifizieren. Wir
haben in Deutschland kein Werk, das sich auch nur annaherno in Vergleich
stellen ließe. Castel del Monte ist eine architektonische Schöpfung von ganz
selbständiger Art. Gewisse Glieder, wie das Portal oder die Säulen, sind
noch echt romanisch, mit dem klassizistischen Beigeschmack, der uus auch in ge¬
wissen gleichzeitigen oder etwas frühern Werken Oberitaliens und der Provence
begegnet. Die Gewölbeform dagegen kann als ein Vorläufer der Gotik gelten
und findet sich so nur in französischen Bauten jener Zeit wieder. Durch
diesen Umstand hat sich der berühmte französische Gelehrte Bertaux bestimmen
lassen (in einem im Jahre 1897 erschienenen Berichte,"") den Baumeister
als Franzosen oder doch zum mindesten als in Frankreich ausgebildet zu be¬
zeichnen. Es ist überhaupt für uns Deutsche recht beschämend, daß unsre
westlichen Nachbarn für die italienischen Kunstschöpfungen unsrer Hohenstaufen
ein viel lebendigeres Interesse hegen und bethätigen als wir; so hat z. V. Herr
Chaussemiche als xensionimirs als as ?ranos im Frühjahr 1897
etwa sechs Wochen hier gearbeitet, gemessen und gezeichnet.

(Schluß folgt)






") Die Oberaufsicht führt der sehr liebenswürdige Ingenieur und Provinzialkonservator
Cav, Sarto in Tram.
") Lomtss-rorulus av 1'av^äömig clos insorixtions se Kollos-IsttrW. IV. Lsrio.
loin. XXV. ?g.ris, 1897. S. 432 ff. Ich hoffe demnächst an andrer Stelle den Nachweis zu
bringen, das; seine Ausführungen nicht ganz einwandfrei sind.
Eine Frühlingsfahrt nach den Abruzzeir und nach Apulien

Mahlern, vorspringenden Löwen und Dreiecksgiebel gebildet ist. Das Innere
enthält zwei Stockwerke je mit acht Räumen, von denen jeder den Außenwänden
genau entspricht, sodaß er ein regelmäßiges Trapez darstellt. Jeder Raum ist
mit einem von vier Säulen getragnen quadratischen Kreuzgewölbe eingedeckt;
infolgedessen bleibt auf zwei Seiten je ein spitzwinkliges Dreieck übrig, das
eine Art spitzbogigen Tonnengewölbes erhalten hat. An die Stelle der Säulen
treten im obern Stockwerk Bündel von je drei Säulen, um eine etwas größere
Leichtigkeit und Heiterkeit des Baueindrucks zu erzielen. Die Belichtung
geschah ursprünglich durch kleine Maneröffnungen; die jetzigen gotischen Fenster
stammen aus der Zeit der Anjous. In den Türmen liegen die Treppen und
Aborte. Das Material des Baues ist der graugelbe Kalkstein der Umgegend;
die Wandbekleidung im Innern mit ihrem rautenförmigen Muster, die Thür¬
umrahmungen, Kamin- und sonstige» Anlagen sind aus einem sehr einschlu߬
reichen, roten Marmor (broeoig-to) gearbeitet. Der Zustand des Baus ist im
allgemeinen gut; die Regierung, die nach Gregorovius Angabe das Schloß
im Jahre 1875 für 25000 Lire gekauft hat, sorgt sür die Erhaltung, indem
sie hier einen ständig anwesenden Custode unterhält und jährlich mehrere
Hundert Lire für die erforderlichen Ausbesserungen ausgiebt.")

Der Stil des Bars ist sür einen Deutschen schwer zu klassifizieren. Wir
haben in Deutschland kein Werk, das sich auch nur annaherno in Vergleich
stellen ließe. Castel del Monte ist eine architektonische Schöpfung von ganz
selbständiger Art. Gewisse Glieder, wie das Portal oder die Säulen, sind
noch echt romanisch, mit dem klassizistischen Beigeschmack, der uus auch in ge¬
wissen gleichzeitigen oder etwas frühern Werken Oberitaliens und der Provence
begegnet. Die Gewölbeform dagegen kann als ein Vorläufer der Gotik gelten
und findet sich so nur in französischen Bauten jener Zeit wieder. Durch
diesen Umstand hat sich der berühmte französische Gelehrte Bertaux bestimmen
lassen (in einem im Jahre 1897 erschienenen Berichte,"") den Baumeister
als Franzosen oder doch zum mindesten als in Frankreich ausgebildet zu be¬
zeichnen. Es ist überhaupt für uns Deutsche recht beschämend, daß unsre
westlichen Nachbarn für die italienischen Kunstschöpfungen unsrer Hohenstaufen
ein viel lebendigeres Interesse hegen und bethätigen als wir; so hat z. V. Herr
Chaussemiche als xensionimirs als as ?ranos im Frühjahr 1897
etwa sechs Wochen hier gearbeitet, gemessen und gezeichnet.

(Schluß folgt)






") Die Oberaufsicht führt der sehr liebenswürdige Ingenieur und Provinzialkonservator
Cav, Sarto in Tram.
") Lomtss-rorulus av 1'av^äömig clos insorixtions se Kollos-IsttrW. IV. Lsrio.
loin. XXV. ?g.ris, 1897. S. 432 ff. Ich hoffe demnächst an andrer Stelle den Nachweis zu
bringen, das; seine Ausführungen nicht ganz einwandfrei sind.
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[0096] Eine Frühlingsfahrt nach den Abruzzeir und nach Apulien Mahlern, vorspringenden Löwen und Dreiecksgiebel gebildet ist. Das Innere enthält zwei Stockwerke je mit acht Räumen, von denen jeder den Außenwänden genau entspricht, sodaß er ein regelmäßiges Trapez darstellt. Jeder Raum ist mit einem von vier Säulen getragnen quadratischen Kreuzgewölbe eingedeckt; infolgedessen bleibt auf zwei Seiten je ein spitzwinkliges Dreieck übrig, das eine Art spitzbogigen Tonnengewölbes erhalten hat. An die Stelle der Säulen treten im obern Stockwerk Bündel von je drei Säulen, um eine etwas größere Leichtigkeit und Heiterkeit des Baueindrucks zu erzielen. Die Belichtung geschah ursprünglich durch kleine Maneröffnungen; die jetzigen gotischen Fenster stammen aus der Zeit der Anjous. In den Türmen liegen die Treppen und Aborte. Das Material des Baues ist der graugelbe Kalkstein der Umgegend; die Wandbekleidung im Innern mit ihrem rautenförmigen Muster, die Thür¬ umrahmungen, Kamin- und sonstige» Anlagen sind aus einem sehr einschlu߬ reichen, roten Marmor (broeoig-to) gearbeitet. Der Zustand des Baus ist im allgemeinen gut; die Regierung, die nach Gregorovius Angabe das Schloß im Jahre 1875 für 25000 Lire gekauft hat, sorgt sür die Erhaltung, indem sie hier einen ständig anwesenden Custode unterhält und jährlich mehrere Hundert Lire für die erforderlichen Ausbesserungen ausgiebt.") Der Stil des Bars ist sür einen Deutschen schwer zu klassifizieren. Wir haben in Deutschland kein Werk, das sich auch nur annaherno in Vergleich stellen ließe. Castel del Monte ist eine architektonische Schöpfung von ganz selbständiger Art. Gewisse Glieder, wie das Portal oder die Säulen, sind noch echt romanisch, mit dem klassizistischen Beigeschmack, der uus auch in ge¬ wissen gleichzeitigen oder etwas frühern Werken Oberitaliens und der Provence begegnet. Die Gewölbeform dagegen kann als ein Vorläufer der Gotik gelten und findet sich so nur in französischen Bauten jener Zeit wieder. Durch diesen Umstand hat sich der berühmte französische Gelehrte Bertaux bestimmen lassen (in einem im Jahre 1897 erschienenen Berichte,"") den Baumeister als Franzosen oder doch zum mindesten als in Frankreich ausgebildet zu be¬ zeichnen. Es ist überhaupt für uns Deutsche recht beschämend, daß unsre westlichen Nachbarn für die italienischen Kunstschöpfungen unsrer Hohenstaufen ein viel lebendigeres Interesse hegen und bethätigen als wir; so hat z. V. Herr Chaussemiche als xensionimirs als as ?ranos im Frühjahr 1897 etwa sechs Wochen hier gearbeitet, gemessen und gezeichnet. (Schluß folgt) ") Die Oberaufsicht führt der sehr liebenswürdige Ingenieur und Provinzialkonservator Cav, Sarto in Tram. ") Lomtss-rorulus av 1'av^äömig clos insorixtions se Kollos-IsttrW. IV. Lsrio. loin. XXV. ?g.ris, 1897. S. 432 ff. Ich hoffe demnächst an andrer Stelle den Nachweis zu bringen, das; seine Ausführungen nicht ganz einwandfrei sind.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/96>, abgerufen am 15.01.2025.