Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Altsächsisches Annstgewerbe Charakter. Durch das Wachstum der Siedlungen wurde man jedoch allmählich Etwa ein Jahrhundert nach der Grundsteinlegung des Kölner Doms kam Es wäre ungerecht, die gotischen Kirchen Siebenbürgens nach dem Kölner Die Kirchcnbefestiguugen gehören fast ausschließlich dein dreizehnten, vier- Altsächsisches Annstgewerbe Charakter. Durch das Wachstum der Siedlungen wurde man jedoch allmählich Etwa ein Jahrhundert nach der Grundsteinlegung des Kölner Doms kam Es wäre ungerecht, die gotischen Kirchen Siebenbürgens nach dem Kölner Die Kirchcnbefestiguugen gehören fast ausschließlich dein dreizehnten, vier- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0578" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231748"/> <fw type="header" place="top"> Altsächsisches Annstgewerbe</fw><lb/> <p xml:id="ID_1892" prev="#ID_1891"> Charakter. Durch das Wachstum der Siedlungen wurde man jedoch allmählich<lb/> zu Steinbauten genötigt. Und da zur Zeit der Auswanderung am Rhein der<lb/> romanische Stil herrschte, so tritt er in den ältesten Gotteshäusern des Sachsen-<lb/> landes ebenfalls zu Tage. Vollständig erhalten haben sich nur die Kirchen in<lb/> Mönchsdorf, UrWegen und Michelsberg. Der letzte Ort hat vielleicht die<lb/> älteste sächsische Kirche. An Schönheit übertrifft sie aber der Weißenburger<lb/> oder Karlsbnrger Dom, dessen Vorbilder jedenfalls in der Normandie oder in<lb/> Mitteldeutschland zu suchen sind. Überbleibsel von Baudenkmälern romanischen<lb/> Stils und mit romanischer Ornamentik finden sich in stattlicher Anzahl. Merk¬<lb/> würdigerweise —' und vielleicht leistet dieser Unstrut hilfreiche Hand zur Auf¬<lb/> klärung über die Wege der Kolonisation — trifft man die Überreste romanischer<lb/> Baukunst nur zwischen Weißenburg und Reps, wenige im Burzenlande südlich<lb/> von Kronstäbe. Die wiederhergestellte Kirche in Mönchsdorf, das zu dem<lb/> Besitztum des Weißenburger Bistums gehörte, muß noch besonders erwähnt<lb/> werden. Nach Art der im Jesuitenstil erbauten Kirchen wird sie über dem<lb/> Haupteingang an der Westfront von zwei ganzen Türmen überragt, während<lb/> in Weißenburg oder Kronstäbe der Turmbau wie bei vielen bekannten gotischen<lb/> Domen auf halbem Wege stecken geblieben ist. Auch bei der Michelsberger<lb/> Kirche fehlen die beiden Türme. Dagegen hat hier der Steinmetz die rund-<lb/> bogigen Arkaden und das hohe Portal wunderbar ausgearbeitet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1893"> Etwa ein Jahrhundert nach der Grundsteinlegung des Kölner Doms kam<lb/> der gotische Baustil nach Siebenbürgen. Ehe man den reinen gotischen Stil<lb/> anwandte, schuf man,, Bauten mit den Charakterzügen beider Architekturen.<lb/> Diese Merkmale der Übergangszeit findet man an der Kirche zu Sächsisch-<lb/> Recn, Se. Barthvlomü, und an der Kerzer Abtei, der einzigen im Sachsen-<lb/> laud; sie ist heute eine herrliche Ruine. Um das Jahr 1400 entstand die<lb/> erste Kirche im gotischen Stil, die sogenannte „schwarze" Stadtpfarrkirche zu<lb/> Kronstäbe. Sie darf als das vornehmste Baudenkmal ihrer Art gelten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1894"> Es wäre ungerecht, die gotischen Kirchen Siebenbürgens nach dem Kölner<lb/> Dom zu beurteilen. schlicht, nüchtern, oft ungeschlacht sehen die Sachseu-<lb/> bauten gotischen Stils aus. Die Strebepfeiler haften an der Mauerwand;<lb/> die Thüren sind derb und ungegliedert; die Ecktürmchen fehlen häufig;<lb/> die Verzierung ist sparsam verteilt. Doch derartige Unzulänglichkeiten haben<lb/> ihren Grund. Die Sachsen waren vielleicht wohlhabende Bürger und Bauern;<lb/> aber ihnen, die gänzlich auf ihre Säckel und Fäuste angewiesen blieben,<lb/> fehlte jede helfende Geldquelle. Sie mußten sich mit dem bescheidnen Ma¬<lb/> terial von Back-, höchstens Bruchsteinen begnügen. Einzig Kronstäbe besaß<lb/> reichlichere Mittel zur Beschaffung von Hausteinen. Der Mangel an Hau¬<lb/> steinen verbot die stilgerechte Durchbrechung der Wand, auch sehlt die kräftige<lb/> Wirkung des behauenen nackten Gesteins. Ferner läßt die bedrohte Lage<lb/> des Sachsenvolks, wodurch es zur Beschleunigung des Baues getrieben<lb/> wurde, das Fehlen jedes Schmucks begreiflich erscheinen. Im Innern holte<lb/> man nach, was man am Äußern unterlassen mußte. Nur zu oft mußte eben<lb/> jede Verschönerung unterbleiben, denn Kriegsnot wütete beständig im Lande.<lb/> Dieser kaum unterbrvchne Kriegszustand hat einen für die Sachsen überaus<lb/> charakteristischen Baustil gezeitigt, den der Kirchenkastelle und Verteidigungs¬<lb/> kirchen. So haben die Sachsen, als sie ummauerte Gotteshäuser schufen, ihre<lb/> Geschichte wirklich mit Lapioarschrift geschrieben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1895" next="#ID_1896"> Die Kirchcnbefestiguugen gehören fast ausschließlich dein dreizehnten, vier-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0578]
Altsächsisches Annstgewerbe
Charakter. Durch das Wachstum der Siedlungen wurde man jedoch allmählich
zu Steinbauten genötigt. Und da zur Zeit der Auswanderung am Rhein der
romanische Stil herrschte, so tritt er in den ältesten Gotteshäusern des Sachsen-
landes ebenfalls zu Tage. Vollständig erhalten haben sich nur die Kirchen in
Mönchsdorf, UrWegen und Michelsberg. Der letzte Ort hat vielleicht die
älteste sächsische Kirche. An Schönheit übertrifft sie aber der Weißenburger
oder Karlsbnrger Dom, dessen Vorbilder jedenfalls in der Normandie oder in
Mitteldeutschland zu suchen sind. Überbleibsel von Baudenkmälern romanischen
Stils und mit romanischer Ornamentik finden sich in stattlicher Anzahl. Merk¬
würdigerweise —' und vielleicht leistet dieser Unstrut hilfreiche Hand zur Auf¬
klärung über die Wege der Kolonisation — trifft man die Überreste romanischer
Baukunst nur zwischen Weißenburg und Reps, wenige im Burzenlande südlich
von Kronstäbe. Die wiederhergestellte Kirche in Mönchsdorf, das zu dem
Besitztum des Weißenburger Bistums gehörte, muß noch besonders erwähnt
werden. Nach Art der im Jesuitenstil erbauten Kirchen wird sie über dem
Haupteingang an der Westfront von zwei ganzen Türmen überragt, während
in Weißenburg oder Kronstäbe der Turmbau wie bei vielen bekannten gotischen
Domen auf halbem Wege stecken geblieben ist. Auch bei der Michelsberger
Kirche fehlen die beiden Türme. Dagegen hat hier der Steinmetz die rund-
bogigen Arkaden und das hohe Portal wunderbar ausgearbeitet.
Etwa ein Jahrhundert nach der Grundsteinlegung des Kölner Doms kam
der gotische Baustil nach Siebenbürgen. Ehe man den reinen gotischen Stil
anwandte, schuf man,, Bauten mit den Charakterzügen beider Architekturen.
Diese Merkmale der Übergangszeit findet man an der Kirche zu Sächsisch-
Recn, Se. Barthvlomü, und an der Kerzer Abtei, der einzigen im Sachsen-
laud; sie ist heute eine herrliche Ruine. Um das Jahr 1400 entstand die
erste Kirche im gotischen Stil, die sogenannte „schwarze" Stadtpfarrkirche zu
Kronstäbe. Sie darf als das vornehmste Baudenkmal ihrer Art gelten.
Es wäre ungerecht, die gotischen Kirchen Siebenbürgens nach dem Kölner
Dom zu beurteilen. schlicht, nüchtern, oft ungeschlacht sehen die Sachseu-
bauten gotischen Stils aus. Die Strebepfeiler haften an der Mauerwand;
die Thüren sind derb und ungegliedert; die Ecktürmchen fehlen häufig;
die Verzierung ist sparsam verteilt. Doch derartige Unzulänglichkeiten haben
ihren Grund. Die Sachsen waren vielleicht wohlhabende Bürger und Bauern;
aber ihnen, die gänzlich auf ihre Säckel und Fäuste angewiesen blieben,
fehlte jede helfende Geldquelle. Sie mußten sich mit dem bescheidnen Ma¬
terial von Back-, höchstens Bruchsteinen begnügen. Einzig Kronstäbe besaß
reichlichere Mittel zur Beschaffung von Hausteinen. Der Mangel an Hau¬
steinen verbot die stilgerechte Durchbrechung der Wand, auch sehlt die kräftige
Wirkung des behauenen nackten Gesteins. Ferner läßt die bedrohte Lage
des Sachsenvolks, wodurch es zur Beschleunigung des Baues getrieben
wurde, das Fehlen jedes Schmucks begreiflich erscheinen. Im Innern holte
man nach, was man am Äußern unterlassen mußte. Nur zu oft mußte eben
jede Verschönerung unterbleiben, denn Kriegsnot wütete beständig im Lande.
Dieser kaum unterbrvchne Kriegszustand hat einen für die Sachsen überaus
charakteristischen Baustil gezeitigt, den der Kirchenkastelle und Verteidigungs¬
kirchen. So haben die Sachsen, als sie ummauerte Gotteshäuser schufen, ihre
Geschichte wirklich mit Lapioarschrift geschrieben.
Die Kirchcnbefestiguugen gehören fast ausschließlich dein dreizehnten, vier-
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