Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Okkultismus und Buddhismus zwei Verkörperungen verfließen durchschnittlich 8000 Jahre, die die Seele in Okkultismus und Buddhismus zwei Verkörperungen verfließen durchschnittlich 8000 Jahre, die die Seele in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0552" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231722"/> <fw type="header" place="top"> Okkultismus und Buddhismus</fw><lb/> <p xml:id="ID_1777" prev="#ID_1776"> zwei Verkörperungen verfließen durchschnittlich 8000 Jahre, die die Seele in<lb/> Avitchi oder Devachan oder an beiden Orten zubringt. Indem jedes Karna<lb/> in den dem Tode folgenden Zuständen seine volle Wirkung übt und sich damit<lb/> seine volle Vergeltung schafft, werden alle Forderungen der Gerechtigkeit voll¬<lb/> kommen erfüllt. Ewige Strafen, die ja zu zeitlichen Verschuldungen in gar<lb/> keinem Verhältnis stehn würden, giebt es nicht. Auch die vollkommensten<lb/> Seelen, die zum Range eines Buddha gelangen, werden noch wiedergeboren,<lb/> aber sie wählen mit Bewußtsein den Menschenleib, in dem sie sich verkörpern<lb/> wollen. Die große Seele, die sich in dem historischen Buddha verkörpert hat,<lb/> in diesem weder zum ersten- noch zum letztenmale, verzichtet auf ihr Recht,<lb/> ungemessen lange Zeiträume im Nirwana zuzubringen, um so viel wie möglich<lb/> Seelen zu höherm geistigem Leben zu erheben. Nirwana ist nicht Vernichtung,<lb/> sondern ein Zustand höchster, für den gewöhnlichen Menschen unfaßbarer<lb/> Seligkeit. Buddha soll schon in seinem sterblichen Leibe ins Nirwana aus¬<lb/> gestiegen sein, und auch andre Erleuchtete haben das gewagt, aber, meint der<lb/> Verfasser, es sei ein sehr gefährliches Wagstück, weil es selbst mit den Mitteln<lb/> des Geheimwisfens schwierig sei, den vom Geiste auf längere Zeit verlassenen<lb/> Leib vor Fäulnis zu bewahren, und weil der vergeistigter Seele der Entschluß,<lb/> in den irdischen Jammerleib zurückzukehren, sehr schwer falle. (Dieser Ent¬<lb/> schluß muß doch der Buddhaseele noch schwerer fallen, wenn sie nach jahr¬<lb/> tausendelangem Aufenthalt in Nirwana sogar Kind werden soll, wo sie einen<lb/> noch längern Zeitraum dieses elenden Erdenlebens vor sich hat.) Ist der<lb/> Kreislauf einer Weltenkette geschlossen, so erteilen die vollendeten, zum Range<lb/> von Planetengeistern aufgestiegnen Seelen der neu erstehenden Welt die An¬<lb/> triebe, die während der Dauer dieser Welt wirksam bleiben. Anfang und Ende<lb/> jeder Welt sind jedoch von der Mitte so weit entfernt, daß sie für einen in<lb/> der Mitte lebenden Menschen kein Interesse haben können. Wir, die wir in<lb/> einer solchen Mitte leben, haben noch Hunderte von Verkörperungen und<lb/> dazwischen liegenden geistigen Zuständen vor uns, deren nächste unsre ganze<lb/> Aufmerksamkeit erfordern, weil deren Gestaltung von unserm gegenwärtigen<lb/> Verhalten abhängt. Während der Christ glaubt, daß er nach dem Tode vor<lb/> Jehovah, dem Weltenrichter erscheinen werde, zeigt die „wahre" Wissenschaft,<lb/> daß die Menschheit „sicherlich während Millionen und Millionen von Jahren<lb/> keinem andern als nur dem alldurchdringenden Richter, jenem siebenten Grund¬<lb/> teil oder All-Geist gegenüber gestellt werden wird, der überall ist und durch<lb/> sein Wirken auf den Stoff das Dasein des Menschen selbst und die Welt, in<lb/> der er lebt, sowie die zukünftigen Zustände, denen er zustrebt, hervorruft.<lb/> Das siebente Grundteil, unbestimmbar, uns unerklärbar auf unsrer jetzigen<lb/> Wissensstufe, ist selbstverständlich der einzige vom Geheimwissen anerkannte<lb/> Gott, und keine Verpersönlichung desselben kann etwas andres als ein Sinn¬<lb/> bild sein."</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0552]
Okkultismus und Buddhismus
zwei Verkörperungen verfließen durchschnittlich 8000 Jahre, die die Seele in
Avitchi oder Devachan oder an beiden Orten zubringt. Indem jedes Karna
in den dem Tode folgenden Zuständen seine volle Wirkung übt und sich damit
seine volle Vergeltung schafft, werden alle Forderungen der Gerechtigkeit voll¬
kommen erfüllt. Ewige Strafen, die ja zu zeitlichen Verschuldungen in gar
keinem Verhältnis stehn würden, giebt es nicht. Auch die vollkommensten
Seelen, die zum Range eines Buddha gelangen, werden noch wiedergeboren,
aber sie wählen mit Bewußtsein den Menschenleib, in dem sie sich verkörpern
wollen. Die große Seele, die sich in dem historischen Buddha verkörpert hat,
in diesem weder zum ersten- noch zum letztenmale, verzichtet auf ihr Recht,
ungemessen lange Zeiträume im Nirwana zuzubringen, um so viel wie möglich
Seelen zu höherm geistigem Leben zu erheben. Nirwana ist nicht Vernichtung,
sondern ein Zustand höchster, für den gewöhnlichen Menschen unfaßbarer
Seligkeit. Buddha soll schon in seinem sterblichen Leibe ins Nirwana aus¬
gestiegen sein, und auch andre Erleuchtete haben das gewagt, aber, meint der
Verfasser, es sei ein sehr gefährliches Wagstück, weil es selbst mit den Mitteln
des Geheimwisfens schwierig sei, den vom Geiste auf längere Zeit verlassenen
Leib vor Fäulnis zu bewahren, und weil der vergeistigter Seele der Entschluß,
in den irdischen Jammerleib zurückzukehren, sehr schwer falle. (Dieser Ent¬
schluß muß doch der Buddhaseele noch schwerer fallen, wenn sie nach jahr¬
tausendelangem Aufenthalt in Nirwana sogar Kind werden soll, wo sie einen
noch längern Zeitraum dieses elenden Erdenlebens vor sich hat.) Ist der
Kreislauf einer Weltenkette geschlossen, so erteilen die vollendeten, zum Range
von Planetengeistern aufgestiegnen Seelen der neu erstehenden Welt die An¬
triebe, die während der Dauer dieser Welt wirksam bleiben. Anfang und Ende
jeder Welt sind jedoch von der Mitte so weit entfernt, daß sie für einen in
der Mitte lebenden Menschen kein Interesse haben können. Wir, die wir in
einer solchen Mitte leben, haben noch Hunderte von Verkörperungen und
dazwischen liegenden geistigen Zuständen vor uns, deren nächste unsre ganze
Aufmerksamkeit erfordern, weil deren Gestaltung von unserm gegenwärtigen
Verhalten abhängt. Während der Christ glaubt, daß er nach dem Tode vor
Jehovah, dem Weltenrichter erscheinen werde, zeigt die „wahre" Wissenschaft,
daß die Menschheit „sicherlich während Millionen und Millionen von Jahren
keinem andern als nur dem alldurchdringenden Richter, jenem siebenten Grund¬
teil oder All-Geist gegenüber gestellt werden wird, der überall ist und durch
sein Wirken auf den Stoff das Dasein des Menschen selbst und die Welt, in
der er lebt, sowie die zukünftigen Zustände, denen er zustrebt, hervorruft.
Das siebente Grundteil, unbestimmbar, uns unerklärbar auf unsrer jetzigen
Wissensstufe, ist selbstverständlich der einzige vom Geheimwissen anerkannte
Gott, und keine Verpersönlichung desselben kann etwas andres als ein Sinn¬
bild sein."
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