Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Die Rechtsanwaltschaft bei den Amtsgerichten oder zu erschweren. Daß Mißstünde der geschilderten Art oft mir durch die Daß ferner ein Rechtsanwalt, der mehr einer wissenschaftlich-juristischen Das schlimmste bei den geschilderten Mißstünden ist nur, daß jedes Mittel Die Rechtsanwaltschaft bei den Amtsgerichten oder zu erschweren. Daß Mißstünde der geschilderten Art oft mir durch die Daß ferner ein Rechtsanwalt, der mehr einer wissenschaftlich-juristischen Das schlimmste bei den geschilderten Mißstünden ist nur, daß jedes Mittel <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0543" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231713"/> <fw type="header" place="top"> Die Rechtsanwaltschaft bei den Amtsgerichten</fw><lb/> <p xml:id="ID_1762" prev="#ID_1761"> oder zu erschweren. Daß Mißstünde der geschilderten Art oft mir durch die<lb/> Schuld der Anwälte entsteh», ist nicht zu bezweifeln; hierdurch wird aber die<lb/> Thatsache nicht berührt, daß die Unabhängigkeit des Nechtsanwalts darunter<lb/> leidet, wenn er darauf angewiesen ist, die Berufsthätigkeit lediglich vor dem<lb/> Einzelrichter auszuüben. Die schlimmsten Zustände aber werden gezeitigt, wenn<lb/> beim Vorhandensein mehrerer bei demselben Gericht zugelassener Anwälte nicht<lb/> sämtliche, sondern nur einer oder der andre von Mißlichkeiten der geschilderten<lb/> Art betroffen wird, wenn z. B. der Amtsrichter gerade einen der Anwälte<lb/> von Konkursverwaltungen ausschließt oder ihn in sonstiger Weise seine Ab¬<lb/> hängigkeit fühlen läßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1763"> Daß ferner ein Rechtsanwalt, der mehr einer wissenschaftlich-juristischen<lb/> Thätigkeit zuneigt, seine Befriedigung nicht als Anwalt beim Amtsgericht<lb/> finden kann, ist klar; der nur beim Amtsgericht zugelassene Anwalt ist ja aus¬<lb/> geschlossen von der Mitwirkung bei hohen Streitwerten, also bei größern und<lb/> schwierigern Rechtsstreitigkeiten, und angewiesen auf eine Mitwirkung zur<lb/> Verwirklichung von Ansprüchen, bei denen es nach dem Sinne des Gesetzes<lb/> eines Urwalds gar nicht bedarf. — Hierbei mag noch auf die schwierige<lb/> Lage hingewiesen werden, die sich für den Amtsgerichtsanwalt aus dieser<lb/> seiner Ausschließung von den landgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten gegenüber<lb/> den Rechtsuchenden ergiebt. Nicht einmal der gebildete Laie, geschweige denn<lb/> der ungebildete, weiß, ob ein anhängig zu machender Rechtsstreit zur Zu¬<lb/> ständigkeit des Amtsgerichts oder des Landgerichts gehört, oft ersieht der<lb/> Amtsgerichtsanwalt erst aus zeitraubenden Feststellungen und Erörterungen,<lb/> daß ein ihm übertragner Anspruch vor das Landgericht gehört. In diesem<lb/> Falle der Partei die Erklärung abzugeben, daß er nur „Bagatellanwalt" sei,<lb/> ist dem Anwalt, wie begreiflich, peinlich und unangenehm. Dann giebt es<lb/> aber nur zwei Wege; entweder führt er den Rechtsstreit als „Korrespondenz¬<lb/> mandatar" und hat, da eine Gebührenteilung unter den Anwälten unzulässig<lb/> ist, die Vorwürfe der Partei zu fürchten, wenn das Prozeßgericht die Er¬<lb/> stattung seiner Gebühren ablehnt; oder er greift zu dem Aushilfsmittel der<lb/> Ausklagung in Teilbeträgen, d. h. er bürdet dem Amtsrichter eine Arbeit auf,<lb/> die diesem bei richtiger Behandlung der Sache gar nicht obgelegen hätte, giebt<lb/> ihm hiermit berechtigten Anlaß zur Unzufriedenheit und setzt sich selber dem<lb/> Vorwurf des Eigennutzes und der Vernachlässigung der ihm anvertrauten<lb/> Interessen aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_1764" next="#ID_1765"> Das schlimmste bei den geschilderten Mißstünden ist nur, daß jedes Mittel<lb/> zur Abhilfe ausgeschlossen ist. Der naheliegende Vorschlag, die am Sitz der<lb/> Amtsgerichte wohnhaften Anwälte zugleich bei den Landgerichten zuzulassen, hat<lb/> sehr große Bedenken gegen sich. Hiermit würde eine ungerechtfertigte Bevor¬<lb/> zugung der Amtsgerichtsanwälte verbunden sein, da diese dann sowohl beim<lb/> Amtsgericht als auch beim Landgericht die Praxis ausüben würden, zumal da</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0543]
Die Rechtsanwaltschaft bei den Amtsgerichten
oder zu erschweren. Daß Mißstünde der geschilderten Art oft mir durch die
Schuld der Anwälte entsteh», ist nicht zu bezweifeln; hierdurch wird aber die
Thatsache nicht berührt, daß die Unabhängigkeit des Nechtsanwalts darunter
leidet, wenn er darauf angewiesen ist, die Berufsthätigkeit lediglich vor dem
Einzelrichter auszuüben. Die schlimmsten Zustände aber werden gezeitigt, wenn
beim Vorhandensein mehrerer bei demselben Gericht zugelassener Anwälte nicht
sämtliche, sondern nur einer oder der andre von Mißlichkeiten der geschilderten
Art betroffen wird, wenn z. B. der Amtsrichter gerade einen der Anwälte
von Konkursverwaltungen ausschließt oder ihn in sonstiger Weise seine Ab¬
hängigkeit fühlen läßt.
Daß ferner ein Rechtsanwalt, der mehr einer wissenschaftlich-juristischen
Thätigkeit zuneigt, seine Befriedigung nicht als Anwalt beim Amtsgericht
finden kann, ist klar; der nur beim Amtsgericht zugelassene Anwalt ist ja aus¬
geschlossen von der Mitwirkung bei hohen Streitwerten, also bei größern und
schwierigern Rechtsstreitigkeiten, und angewiesen auf eine Mitwirkung zur
Verwirklichung von Ansprüchen, bei denen es nach dem Sinne des Gesetzes
eines Urwalds gar nicht bedarf. — Hierbei mag noch auf die schwierige
Lage hingewiesen werden, die sich für den Amtsgerichtsanwalt aus dieser
seiner Ausschließung von den landgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten gegenüber
den Rechtsuchenden ergiebt. Nicht einmal der gebildete Laie, geschweige denn
der ungebildete, weiß, ob ein anhängig zu machender Rechtsstreit zur Zu¬
ständigkeit des Amtsgerichts oder des Landgerichts gehört, oft ersieht der
Amtsgerichtsanwalt erst aus zeitraubenden Feststellungen und Erörterungen,
daß ein ihm übertragner Anspruch vor das Landgericht gehört. In diesem
Falle der Partei die Erklärung abzugeben, daß er nur „Bagatellanwalt" sei,
ist dem Anwalt, wie begreiflich, peinlich und unangenehm. Dann giebt es
aber nur zwei Wege; entweder führt er den Rechtsstreit als „Korrespondenz¬
mandatar" und hat, da eine Gebührenteilung unter den Anwälten unzulässig
ist, die Vorwürfe der Partei zu fürchten, wenn das Prozeßgericht die Er¬
stattung seiner Gebühren ablehnt; oder er greift zu dem Aushilfsmittel der
Ausklagung in Teilbeträgen, d. h. er bürdet dem Amtsrichter eine Arbeit auf,
die diesem bei richtiger Behandlung der Sache gar nicht obgelegen hätte, giebt
ihm hiermit berechtigten Anlaß zur Unzufriedenheit und setzt sich selber dem
Vorwurf des Eigennutzes und der Vernachlässigung der ihm anvertrauten
Interessen aus.
Das schlimmste bei den geschilderten Mißstünden ist nur, daß jedes Mittel
zur Abhilfe ausgeschlossen ist. Der naheliegende Vorschlag, die am Sitz der
Amtsgerichte wohnhaften Anwälte zugleich bei den Landgerichten zuzulassen, hat
sehr große Bedenken gegen sich. Hiermit würde eine ungerechtfertigte Bevor¬
zugung der Amtsgerichtsanwälte verbunden sein, da diese dann sowohl beim
Amtsgericht als auch beim Landgericht die Praxis ausüben würden, zumal da
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