Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Gin deutsches Uünstlerleben vom Triumph des Todes und dem jüngsten Gericht einen tiefen Eindruck auf Er mietete sich in der Via S. Andrea delle statte im Hanse der Signora Der bekannte Schlachtenmaler Horace Vernet, der zu jener Zeit Direktor Gin deutsches Uünstlerleben vom Triumph des Todes und dem jüngsten Gericht einen tiefen Eindruck auf Er mietete sich in der Via S. Andrea delle statte im Hanse der Signora Der bekannte Schlachtenmaler Horace Vernet, der zu jener Zeit Direktor <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0526" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231696"/> <fw type="header" place="top"> Gin deutsches Uünstlerleben</fw><lb/> <p xml:id="ID_1714" prev="#ID_1713"> vom Triumph des Todes und dem jüngsten Gericht einen tiefen Eindruck auf<lb/> ihn, und in der Betrachtung durch die zauberhafte Stille begünstigt, die auch<lb/> jetzt noch über dem in seiner Art einzigen Domplatz liegt, gewann er den<lb/> ersten Begriff von der „altitalienischen" Kunst. Nach Florenz zurückgekehrt,<lb/> tritt er in Begleitung eines Vetturin, „eines alten römischen Ehrenmannes"<lb/> die Reise nach Rom an. Der Leser seiner Biographie begleitet ihn auf der<lb/> Fahrt, bis er mit ihm fern am Horizont die Kuppel von Se. Peter erblickt.<lb/> Das Bewußtsein, den Mittelpunkt der ganzen christlichen Weltgeschichte vor<lb/> sich zu sehen, durchdrang sein ganzes Empfinden. Wie ein Märchen war es,<lb/> was doch Wirklichkeit war. „Die Kampagnci ringsum lag schweigend und<lb/> totenstill wie ein Gottesacker, kein Laut eines Vogels ließ sich hören, und<lb/> darüber spannte sich der tiefblaue, italienische Himmel. Mau bringt sein<lb/> Inneres unwillkürlich in Beziehung zu der umgebenden Natur, doch hier wirkte<lb/> etwas auf mich, was ich nicht verstand, nur mich mit ernster Ahnung erfüllte."<lb/> Er meinte die Macht und Größe der katholischen Kirche, deren Zauber er sich<lb/> bald mit ganzer Seele ergeben sollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1715"> Er mietete sich in der Via S. Andrea delle statte im Hanse der Signora<lb/> Rosa, einer „ältern Dame von anständiger Haltung" ein, die sich rühmte, des<lb/> Malers Salvator Rosa Nachkommin zu sein, und bei der vor Jahren der<lb/> Dichter Zacharias Werner vor seiner Konversion gewohnt hatte. Seine Zimmer¬<lb/> nachbarn waren Franzosen, meistens Maler, die ein tolles, ungezügeltes und<lb/> teilweise wildgeniales Leben führten. Trotz seiner schweren, kontemplativer,<lb/> nordischen Natur wurde er doch anfangs in diesen Strudel französischer Leicht¬<lb/> fertigkeit hineingerissen. Wasmann fühlte sich in dem großen Rom wie in<lb/> einem Labyrinth, das ihn verwirrte, sodaß er nur langsam zur Besinnung<lb/> und zu sich selbst kam. Die Leichtigkeit der Franzosen, mit der sie ohne lange<lb/> Überlegung, ohne Plan und Skizze ein zimmerhohes Bild in wenigen Tagen<lb/> znsammenmalteu, imponierte ihm, und indem er es ihnen nachzumachen suchte,<lb/> gab er die Eigentümlichkeit seiner Natur preis, die ihn „ans liebevolles Hin¬<lb/> geben an einen Gegenstand hinwies."</p><lb/> <p xml:id="ID_1716" next="#ID_1717"> Der bekannte Schlachtenmaler Horace Vernet, der zu jener Zeit Direktor<lb/> der Akademie war, galt den französischen Künstlern als der Meister, dem man<lb/> nacheifern müsse, und der seinerseits unter seinen Jüngern „den Strom wildester<lb/> Ausgelassenheit toben ließ, wie er Lust hatte." Theatralisch wie die Künstler<lb/> war auch die französische Kunst jener Zeit des Bürgerkönigs Louis Philippe,<lb/> „dieses guten Mannes, dem wir zu essen geben," wie die jungen Maler scherz¬<lb/> weise zu sagen pflegten. In sonderbarem Gegensatz zu ihr stand die pedantische<lb/> Gediegenheit der Deutschen. Im Sommer pflegte auch die Künstlerschar das<lb/> heiße Rom zu verlassen und sich in den Gebirgen zu zerstreuen. Tivoli war<lb/> der nächste Ausflugsort. Eine bequeme Tagereise zu Fuß davon entfernt, in<lb/> Subiaco, fand ein größeres Rendezvous der Künstlergescllschcift statt. Die<lb/> Gesellschaft, die sich in dem Wirtshause zusammenfand, war ein buntes Gemisch<lb/> aller Nationen, hauptsächlich aber Franzosen, „die mit handwerksmäßiger<lb/> Routine schöne Standpunkte einsackten und täglich ihr Pensum von Esfekt-<lb/> studien heimbrachten. Die Sonne mußte auf denselben immer von hinten<lb/> leuchten, transparente Massen und helle Ränder bilden. Die Deutschen ver¬<lb/> fuhren mit mehr Nachdenken und Geschmack in ihrem naturalistischen Treiben."<lb/> Mit meisterhafter Anschaulichkeit hat Wasmann die ganze Künstlerkolonie, die<lb/> Franzosen, Deutschen, Spanier, Engländer in ihren Eigenheiten, ihrer Lebens-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0526]
Gin deutsches Uünstlerleben
vom Triumph des Todes und dem jüngsten Gericht einen tiefen Eindruck auf
ihn, und in der Betrachtung durch die zauberhafte Stille begünstigt, die auch
jetzt noch über dem in seiner Art einzigen Domplatz liegt, gewann er den
ersten Begriff von der „altitalienischen" Kunst. Nach Florenz zurückgekehrt,
tritt er in Begleitung eines Vetturin, „eines alten römischen Ehrenmannes"
die Reise nach Rom an. Der Leser seiner Biographie begleitet ihn auf der
Fahrt, bis er mit ihm fern am Horizont die Kuppel von Se. Peter erblickt.
Das Bewußtsein, den Mittelpunkt der ganzen christlichen Weltgeschichte vor
sich zu sehen, durchdrang sein ganzes Empfinden. Wie ein Märchen war es,
was doch Wirklichkeit war. „Die Kampagnci ringsum lag schweigend und
totenstill wie ein Gottesacker, kein Laut eines Vogels ließ sich hören, und
darüber spannte sich der tiefblaue, italienische Himmel. Mau bringt sein
Inneres unwillkürlich in Beziehung zu der umgebenden Natur, doch hier wirkte
etwas auf mich, was ich nicht verstand, nur mich mit ernster Ahnung erfüllte."
Er meinte die Macht und Größe der katholischen Kirche, deren Zauber er sich
bald mit ganzer Seele ergeben sollte.
Er mietete sich in der Via S. Andrea delle statte im Hanse der Signora
Rosa, einer „ältern Dame von anständiger Haltung" ein, die sich rühmte, des
Malers Salvator Rosa Nachkommin zu sein, und bei der vor Jahren der
Dichter Zacharias Werner vor seiner Konversion gewohnt hatte. Seine Zimmer¬
nachbarn waren Franzosen, meistens Maler, die ein tolles, ungezügeltes und
teilweise wildgeniales Leben führten. Trotz seiner schweren, kontemplativer,
nordischen Natur wurde er doch anfangs in diesen Strudel französischer Leicht¬
fertigkeit hineingerissen. Wasmann fühlte sich in dem großen Rom wie in
einem Labyrinth, das ihn verwirrte, sodaß er nur langsam zur Besinnung
und zu sich selbst kam. Die Leichtigkeit der Franzosen, mit der sie ohne lange
Überlegung, ohne Plan und Skizze ein zimmerhohes Bild in wenigen Tagen
znsammenmalteu, imponierte ihm, und indem er es ihnen nachzumachen suchte,
gab er die Eigentümlichkeit seiner Natur preis, die ihn „ans liebevolles Hin¬
geben an einen Gegenstand hinwies."
Der bekannte Schlachtenmaler Horace Vernet, der zu jener Zeit Direktor
der Akademie war, galt den französischen Künstlern als der Meister, dem man
nacheifern müsse, und der seinerseits unter seinen Jüngern „den Strom wildester
Ausgelassenheit toben ließ, wie er Lust hatte." Theatralisch wie die Künstler
war auch die französische Kunst jener Zeit des Bürgerkönigs Louis Philippe,
„dieses guten Mannes, dem wir zu essen geben," wie die jungen Maler scherz¬
weise zu sagen pflegten. In sonderbarem Gegensatz zu ihr stand die pedantische
Gediegenheit der Deutschen. Im Sommer pflegte auch die Künstlerschar das
heiße Rom zu verlassen und sich in den Gebirgen zu zerstreuen. Tivoli war
der nächste Ausflugsort. Eine bequeme Tagereise zu Fuß davon entfernt, in
Subiaco, fand ein größeres Rendezvous der Künstlergescllschcift statt. Die
Gesellschaft, die sich in dem Wirtshause zusammenfand, war ein buntes Gemisch
aller Nationen, hauptsächlich aber Franzosen, „die mit handwerksmäßiger
Routine schöne Standpunkte einsackten und täglich ihr Pensum von Esfekt-
studien heimbrachten. Die Sonne mußte auf denselben immer von hinten
leuchten, transparente Massen und helle Ränder bilden. Die Deutschen ver¬
fuhren mit mehr Nachdenken und Geschmack in ihrem naturalistischen Treiben."
Mit meisterhafter Anschaulichkeit hat Wasmann die ganze Künstlerkolonie, die
Franzosen, Deutschen, Spanier, Engländer in ihren Eigenheiten, ihrer Lebens-
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