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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Gin deutsches llünstlerleben

auch den "damals schon berühmten Schüler des Cornelius, Kaulbach, einen
schönen Jüngling von schlanker, zart gebauter Figur, in knappen Leibrock und
breitkrempigen Hut, der sich scheu und vornehm von dem größer" Haufen
entfernt hielt, der, seinem Talent huldigend, sich an ihn drängte."

Trotz der mancherlei Reibereien und persönlichen Gegensätze war damals
in München ein freudiges Wirken und Zusammenleben, wie noch keine Zeit
es gesehen hat, der fröhliche Jugendrausch eines jungen Deutschlands. "Wenn
die ganze große Künstlermasfe jenseits des Englischen Garten in Bogenhausen
bei gutem Bier versammelt, fröhlich durch und neben einander summte und
brauste; wenn dann Stille geboten wurde, und einer der verehrten Meister eine
kurze Ansprache hielt, oder der alte Eberhard einen selbstverfaßten, altdeutschen
Reimspruch vortrug, während aller Blicke ehrfurchtsvoll auf den Redner ge¬
richtet waren; wenn es dann hieß: "Cornelius kommt" und man den Alt¬
meister in seiner gedrungnen Gestalt, mit seinen majestätischen, scharf aus¬
geprägte" Gesichtszügen in das Thor des Gartens hereinreiten sah, dann erhob
sich ein Jubel und Hurrarufen, das kein Ende nahm. Es herrschte eine frei¬
willige Unterordnung und Vereinigung unter einer künstlerischen Autorität."
Das war jene Zeit, von der Cornelius 1835 in einer in Rom gehaltnen Rede
sagte: "Als aber König Ludwig den Thron seiner Väter bestieg, da gings erst
los, hei! wie wurde da gemeißelt, gebaut, gezeichnet und gemalt! mit
welcher Lust, mit welcher Heiterkeit ging da jeder ans Werk! Aber es war
eine ernste Heiterkeit. Auch war München damals kein Treibhaus der Kunst."
Als Wasmann dreißig Jahre später wieder einmal nach München kam, hatte
die Stadt ein andres Aussehen gewonnen. "Die niedern Kräfte der Kunst
waren ungebunden und schrankenlos in beständigem Widerspruch untereinander
und in offenbarem Kampf gegen ideales Streben- Der fröhliche Lärm der
Künstler war längst verklungen, man stand sich zahm und mißtrauisch gegen¬
über, sprach von dem Preisconrcint der Bilder. Große Preise und das
Geschick, sich der Mode anzuschmiegen, bestimmten den Wert des Werks."

Dem rauhen Münchner Klima konnte der kränkliche Körper Wasmanns
auf die Dauer nicht Widerstand leisten. Schon längst hatten die süßen Trauben
und Pfirsiche des Münchner Obstmarkts die Sehnsucht nach der warmen Luft
des Südens geweckt. Ein großes Genrebild, das Wasmann nach Hamburg
geschickt hatte, hatte ihm die Fortsetzung seiner Stipendien und die Aussicht,
solche auch sür Italien zu erlangen, verschafft. Und so sehen wir den nord¬
deutschen Künstler wieder auf rüstiger Wanderschaft südwärts. Das Ziel seiner
Wünsche war Italien, die Übergangsstufe sollte das südliche Tirol sein. Tirol
war damals noch nicht in den Weltverkehr hineingezogen und fast nur von
Münchner Malern besucht, die häufig Streifzüge in diese "romantische Gebirgs-
welt" machten. Auf seiner Wanderung durch das herrliche Tirol, von dessen
Schönheit Wasmann in seiner schlichten Anschaulichkeit seinen Lesern erzählt,


Gin deutsches llünstlerleben

auch den „damals schon berühmten Schüler des Cornelius, Kaulbach, einen
schönen Jüngling von schlanker, zart gebauter Figur, in knappen Leibrock und
breitkrempigen Hut, der sich scheu und vornehm von dem größer» Haufen
entfernt hielt, der, seinem Talent huldigend, sich an ihn drängte."

Trotz der mancherlei Reibereien und persönlichen Gegensätze war damals
in München ein freudiges Wirken und Zusammenleben, wie noch keine Zeit
es gesehen hat, der fröhliche Jugendrausch eines jungen Deutschlands. „Wenn
die ganze große Künstlermasfe jenseits des Englischen Garten in Bogenhausen
bei gutem Bier versammelt, fröhlich durch und neben einander summte und
brauste; wenn dann Stille geboten wurde, und einer der verehrten Meister eine
kurze Ansprache hielt, oder der alte Eberhard einen selbstverfaßten, altdeutschen
Reimspruch vortrug, während aller Blicke ehrfurchtsvoll auf den Redner ge¬
richtet waren; wenn es dann hieß: »Cornelius kommt« und man den Alt¬
meister in seiner gedrungnen Gestalt, mit seinen majestätischen, scharf aus¬
geprägte« Gesichtszügen in das Thor des Gartens hereinreiten sah, dann erhob
sich ein Jubel und Hurrarufen, das kein Ende nahm. Es herrschte eine frei¬
willige Unterordnung und Vereinigung unter einer künstlerischen Autorität."
Das war jene Zeit, von der Cornelius 1835 in einer in Rom gehaltnen Rede
sagte: „Als aber König Ludwig den Thron seiner Väter bestieg, da gings erst
los, hei! wie wurde da gemeißelt, gebaut, gezeichnet und gemalt! mit
welcher Lust, mit welcher Heiterkeit ging da jeder ans Werk! Aber es war
eine ernste Heiterkeit. Auch war München damals kein Treibhaus der Kunst."
Als Wasmann dreißig Jahre später wieder einmal nach München kam, hatte
die Stadt ein andres Aussehen gewonnen. „Die niedern Kräfte der Kunst
waren ungebunden und schrankenlos in beständigem Widerspruch untereinander
und in offenbarem Kampf gegen ideales Streben- Der fröhliche Lärm der
Künstler war längst verklungen, man stand sich zahm und mißtrauisch gegen¬
über, sprach von dem Preisconrcint der Bilder. Große Preise und das
Geschick, sich der Mode anzuschmiegen, bestimmten den Wert des Werks."

Dem rauhen Münchner Klima konnte der kränkliche Körper Wasmanns
auf die Dauer nicht Widerstand leisten. Schon längst hatten die süßen Trauben
und Pfirsiche des Münchner Obstmarkts die Sehnsucht nach der warmen Luft
des Südens geweckt. Ein großes Genrebild, das Wasmann nach Hamburg
geschickt hatte, hatte ihm die Fortsetzung seiner Stipendien und die Aussicht,
solche auch sür Italien zu erlangen, verschafft. Und so sehen wir den nord¬
deutschen Künstler wieder auf rüstiger Wanderschaft südwärts. Das Ziel seiner
Wünsche war Italien, die Übergangsstufe sollte das südliche Tirol sein. Tirol
war damals noch nicht in den Weltverkehr hineingezogen und fast nur von
Münchner Malern besucht, die häufig Streifzüge in diese „romantische Gebirgs-
welt" machten. Auf seiner Wanderung durch das herrliche Tirol, von dessen
Schönheit Wasmann in seiner schlichten Anschaulichkeit seinen Lesern erzählt,


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[0430] Gin deutsches llünstlerleben auch den „damals schon berühmten Schüler des Cornelius, Kaulbach, einen schönen Jüngling von schlanker, zart gebauter Figur, in knappen Leibrock und breitkrempigen Hut, der sich scheu und vornehm von dem größer» Haufen entfernt hielt, der, seinem Talent huldigend, sich an ihn drängte." Trotz der mancherlei Reibereien und persönlichen Gegensätze war damals in München ein freudiges Wirken und Zusammenleben, wie noch keine Zeit es gesehen hat, der fröhliche Jugendrausch eines jungen Deutschlands. „Wenn die ganze große Künstlermasfe jenseits des Englischen Garten in Bogenhausen bei gutem Bier versammelt, fröhlich durch und neben einander summte und brauste; wenn dann Stille geboten wurde, und einer der verehrten Meister eine kurze Ansprache hielt, oder der alte Eberhard einen selbstverfaßten, altdeutschen Reimspruch vortrug, während aller Blicke ehrfurchtsvoll auf den Redner ge¬ richtet waren; wenn es dann hieß: »Cornelius kommt« und man den Alt¬ meister in seiner gedrungnen Gestalt, mit seinen majestätischen, scharf aus¬ geprägte« Gesichtszügen in das Thor des Gartens hereinreiten sah, dann erhob sich ein Jubel und Hurrarufen, das kein Ende nahm. Es herrschte eine frei¬ willige Unterordnung und Vereinigung unter einer künstlerischen Autorität." Das war jene Zeit, von der Cornelius 1835 in einer in Rom gehaltnen Rede sagte: „Als aber König Ludwig den Thron seiner Väter bestieg, da gings erst los, hei! wie wurde da gemeißelt, gebaut, gezeichnet und gemalt! mit welcher Lust, mit welcher Heiterkeit ging da jeder ans Werk! Aber es war eine ernste Heiterkeit. Auch war München damals kein Treibhaus der Kunst." Als Wasmann dreißig Jahre später wieder einmal nach München kam, hatte die Stadt ein andres Aussehen gewonnen. „Die niedern Kräfte der Kunst waren ungebunden und schrankenlos in beständigem Widerspruch untereinander und in offenbarem Kampf gegen ideales Streben- Der fröhliche Lärm der Künstler war längst verklungen, man stand sich zahm und mißtrauisch gegen¬ über, sprach von dem Preisconrcint der Bilder. Große Preise und das Geschick, sich der Mode anzuschmiegen, bestimmten den Wert des Werks." Dem rauhen Münchner Klima konnte der kränkliche Körper Wasmanns auf die Dauer nicht Widerstand leisten. Schon längst hatten die süßen Trauben und Pfirsiche des Münchner Obstmarkts die Sehnsucht nach der warmen Luft des Südens geweckt. Ein großes Genrebild, das Wasmann nach Hamburg geschickt hatte, hatte ihm die Fortsetzung seiner Stipendien und die Aussicht, solche auch sür Italien zu erlangen, verschafft. Und so sehen wir den nord¬ deutschen Künstler wieder auf rüstiger Wanderschaft südwärts. Das Ziel seiner Wünsche war Italien, die Übergangsstufe sollte das südliche Tirol sein. Tirol war damals noch nicht in den Weltverkehr hineingezogen und fast nur von Münchner Malern besucht, die häufig Streifzüge in diese „romantische Gebirgs- welt" machten. Auf seiner Wanderung durch das herrliche Tirol, von dessen Schönheit Wasmann in seiner schlichten Anschaulichkeit seinen Lesern erzählt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/430>, abgerufen am 15.01.2025.