Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Lin deutsches Rünstlerlebeu die ihm tadelnswert schienen." Man sieht, Wasmann hatte auch einen feinen Als mehrjähriger Stipendiat macht er sich dann wohlgemut auf die Reise Wasmann empfand als Sechzigjähriger seinen Münchner Aufenthalt trotz Lin deutsches Rünstlerlebeu die ihm tadelnswert schienen." Man sieht, Wasmann hatte auch einen feinen Als mehrjähriger Stipendiat macht er sich dann wohlgemut auf die Reise Wasmann empfand als Sechzigjähriger seinen Münchner Aufenthalt trotz <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0428" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231598"/> <fw type="header" place="top"> Lin deutsches Rünstlerlebeu</fw><lb/> <p xml:id="ID_1374" prev="#ID_1373"> die ihm tadelnswert schienen." Man sieht, Wasmann hatte auch einen feinen<lb/> Sarrasmus und eine liebenswürdige Ironie.</p><lb/> <p xml:id="ID_1375"> Als mehrjähriger Stipendiat macht er sich dann wohlgemut auf die Reise<lb/> nach München. „Es war in der schönen alten Zeit, wo man acht Tage von<lb/> Hamburg bis Leipzig brauchte." Wie einen Labetrunk nach langem Durst<lb/> genießt er die Reise, und noch in der Phantasie des sechzigjährigen runden sich<lb/> die erhaltnen Natureindrücke zu feinen poetischen Stimmungsbildern ab: „Das<lb/> Mondlicht lag dämmernd auf der endlosen Lüneburger Heide, wie ein Traum¬<lb/> gesicht sah ich die fernen Eichenwälder und Bauernhöfe mit hohen Ziehbrunnen<lb/> langsam vorübergleiten, während der Postillon, durch den tiefen Sand watend,<lb/> neben dem Wagen ging, hie und da Feuer anschlagend, um die Pfeife an¬<lb/> zuzünden, bis ich in halben Schlaf geschaukelt in der Frühe das hannoversche<lb/> Ülzen vor mir liegen sah." Vom Wege abzweigend macht er eine herrliche<lb/> Fußwanderung durch den Harz, von dem er eine meisterhafte Schilderung ent¬<lb/> wirft. Weiter geht es nach Gotha, Erfurt, Jena. Aus Jena, wo er für das<lb/> Frommannische Haus eine Empfehlung hatte, giebt er einen willkommnen Beitrag<lb/> zum Goethekultus, der den Charakter einer religiösen Verehrung angenommen<lb/> hatte: „In frommen Kreisen herrschte ein starker Goethekultus, der wie das<lb/> feine Parfüm eines kostbaren Räucherwerks bei einem feierlichen Hochamte in<lb/> Rauchwolke» über den Saal hinwallte und sich verbreitete, indem die Damen<lb/> des Hauses Radierungen und Handzeichnungen dieses Meisters, mit Versen<lb/> von demselben begleitet, der Gesellschaft vorlegten." Angesichts des herrlichen<lb/> Mainthals, das „in heiterer Schönheit das Gepräge des christlichen Mittel¬<lb/> alters" trägt, kam ihm die Ahnung, daß es wohl noch etwas unendlich<lb/> schöneres geben müsse als die sinnliche Natur, und das erste Bewußtsein von<lb/> der katholischen Kirche dämmerte auf. München, in das der Hamburger Kunst¬<lb/> jünger eintrat, hatte eben begonnen, das München König Ludwigs I. zu<lb/> werden; es erlebte eben den gewaltigen idealen Aufschwung des gesamte» Kunst¬<lb/> lebens. Man wollte eine neue „auf Wahrheit und Geschichte gegründete<lb/> Richtung." Die Kunst sollte eine Religion sein, für das ganze Volk ein<lb/> Heiligtum, nicht el» Monopol der Gebildeten. Eine große Zahl gereifter<lb/> Männer und junger Feuergeister schloß sich in gemeinsamem Ringen begeistert<lb/> zusammen. Von der Sonne der Fürstengunst beschienen wuchs die junge Kunst-<lb/> Pflanzung enipor. Ihr enthusiastisch verehrter Führer war Cornelius.</p><lb/> <p xml:id="ID_1376" next="#ID_1377"> Wasmann empfand als Sechzigjähriger seinen Münchner Aufenthalt trotz<lb/> fortwährender Heimsuchung durch Krankheit als die schönste Zeit seines Lebens;<lb/> er fühlte sich vou dem Strom der Ideen gleichsam gehoben und getragen.<lb/> Mit staunender Bewunderung bekennt er, daß Cornelius und die Seine» wie<lb/> Riesen kämpften. In dieser Zeit des hochgespannter Enthusiasmus, der Blüte¬<lb/> zeit der christlichen Romantik strebten auch die Maler, die sich „nur" mit der<lb/> Darstellung von Naturgegenständen beschäftigten, Adel und Würde in ihre</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0428]
Lin deutsches Rünstlerlebeu
die ihm tadelnswert schienen." Man sieht, Wasmann hatte auch einen feinen
Sarrasmus und eine liebenswürdige Ironie.
Als mehrjähriger Stipendiat macht er sich dann wohlgemut auf die Reise
nach München. „Es war in der schönen alten Zeit, wo man acht Tage von
Hamburg bis Leipzig brauchte." Wie einen Labetrunk nach langem Durst
genießt er die Reise, und noch in der Phantasie des sechzigjährigen runden sich
die erhaltnen Natureindrücke zu feinen poetischen Stimmungsbildern ab: „Das
Mondlicht lag dämmernd auf der endlosen Lüneburger Heide, wie ein Traum¬
gesicht sah ich die fernen Eichenwälder und Bauernhöfe mit hohen Ziehbrunnen
langsam vorübergleiten, während der Postillon, durch den tiefen Sand watend,
neben dem Wagen ging, hie und da Feuer anschlagend, um die Pfeife an¬
zuzünden, bis ich in halben Schlaf geschaukelt in der Frühe das hannoversche
Ülzen vor mir liegen sah." Vom Wege abzweigend macht er eine herrliche
Fußwanderung durch den Harz, von dem er eine meisterhafte Schilderung ent¬
wirft. Weiter geht es nach Gotha, Erfurt, Jena. Aus Jena, wo er für das
Frommannische Haus eine Empfehlung hatte, giebt er einen willkommnen Beitrag
zum Goethekultus, der den Charakter einer religiösen Verehrung angenommen
hatte: „In frommen Kreisen herrschte ein starker Goethekultus, der wie das
feine Parfüm eines kostbaren Räucherwerks bei einem feierlichen Hochamte in
Rauchwolke» über den Saal hinwallte und sich verbreitete, indem die Damen
des Hauses Radierungen und Handzeichnungen dieses Meisters, mit Versen
von demselben begleitet, der Gesellschaft vorlegten." Angesichts des herrlichen
Mainthals, das „in heiterer Schönheit das Gepräge des christlichen Mittel¬
alters" trägt, kam ihm die Ahnung, daß es wohl noch etwas unendlich
schöneres geben müsse als die sinnliche Natur, und das erste Bewußtsein von
der katholischen Kirche dämmerte auf. München, in das der Hamburger Kunst¬
jünger eintrat, hatte eben begonnen, das München König Ludwigs I. zu
werden; es erlebte eben den gewaltigen idealen Aufschwung des gesamte» Kunst¬
lebens. Man wollte eine neue „auf Wahrheit und Geschichte gegründete
Richtung." Die Kunst sollte eine Religion sein, für das ganze Volk ein
Heiligtum, nicht el» Monopol der Gebildeten. Eine große Zahl gereifter
Männer und junger Feuergeister schloß sich in gemeinsamem Ringen begeistert
zusammen. Von der Sonne der Fürstengunst beschienen wuchs die junge Kunst-
Pflanzung enipor. Ihr enthusiastisch verehrter Führer war Cornelius.
Wasmann empfand als Sechzigjähriger seinen Münchner Aufenthalt trotz
fortwährender Heimsuchung durch Krankheit als die schönste Zeit seines Lebens;
er fühlte sich vou dem Strom der Ideen gleichsam gehoben und getragen.
Mit staunender Bewunderung bekennt er, daß Cornelius und die Seine» wie
Riesen kämpften. In dieser Zeit des hochgespannter Enthusiasmus, der Blüte¬
zeit der christlichen Romantik strebten auch die Maler, die sich „nur" mit der
Darstellung von Naturgegenständen beschäftigten, Adel und Würde in ihre
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