Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Die großen Berliner Uunstausstellungen Wenn man sich noch weiter in der ausländischen Kunst umsieht -- wir Die großen Berliner Uunstausstellungen Wenn man sich noch weiter in der ausländischen Kunst umsieht — wir <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0042" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231212"/> <fw type="header" place="top"> Die großen Berliner Uunstausstellungen</fw><lb/> <p xml:id="ID_98" next="#ID_99"> Wenn man sich noch weiter in der ausländischen Kunst umsieht — wir<lb/> haben oben nur die Italiener und Spanier als Vertreter eines starken natio¬<lb/> nalen Selbstbewußtseins in der Kunst hervorgehoben —, so wird man die Be¬<lb/> obachtung machen, daß das nationale Element fast überall stärker in den Vorder¬<lb/> grund des künstlerischen Schaffens tritt als in Deutschland. Von dem konser¬<lb/> vativen England, wo die übrigens schnell wieder in Vergessenheit geratnen<lb/> Glasgower Natursimpel keinen dauernden Schaden angerichtet zu haben scheinen,<lb/> und sich die revolutionäre Bewegung überhaupt weniger in Architektur, Malerei<lb/> und Bildhauerkunst als im Kunstgewerbe austobt, wollen wir dabei absehen,<lb/> obwohl die Berliner Ausstellung durch ein köstliches Bild von Alma-Tadema,<lb/> ein Frühlingsfest im alten Rom, dazu verlockt. Man wird vielleicht den Ein¬<lb/> wand erheben, daß dieser Künstler als geborner Holländer kein charakteristischer<lb/> Vertreter der englischen Malerei sei. Seine Kunst hat sich jedoch nicht in<lb/> Holland, sondern auf englischem Boden entwickelt, wo sie um so mehr Ver¬<lb/> ständnis sand, als die Neigung für eine Wiederbelebung des Altertums durch<lb/> die bildende Kunst schon seit dem vorigen Jahrhundert eine Lieblingsbeschäf¬<lb/> tigung der Engländer gewesen war und vor dem Auftreten des jungen Hol¬<lb/> länders ältere englische Maler gleiche Ziele verfolgten. Aber auch in Frankreich,<lb/> dem Ausgangspunkt der modernen Kunstbewegung, sind die charakteristischen<lb/> Eigentümlichkeiten der sranzöstschen Kunst aus den scheinbar sehr erbitterten<lb/> Kämpfen feindlicher Knnstparteien unversehrt hervorgegangen, weil sie tief im<lb/> Volkscharakter begründet sind. Weder der Impressionismus noch die wunderliche<lb/> Pflanze des Neo-Impressionismus, die in Paris nur flüchtige Beachtung und<lb/> ein wenig gallische Heiterkeit, in Berlin dagegen tiefsinnige Betrachtung und<lb/> Bewunderung hervorgerufen hat, haben einen bemerkenswerten Einfluß auf die<lb/> Malerei großen Stils, oder wie man jetzt vorsichtiger sagen muß, auf die<lb/> Malereien großen Umfangs geübt. Der hohle pathetische Ton, den David<lb/> vor hundert Jahren angeschlagen hat, und das Gemisch von Wollust, Grauen<lb/> und Ekel, das Couture vor fünfzig Jahren mit seinen „Römern der Verfall¬<lb/> zeit" dem deklamatorischen Pathos seiner künstlerischen Ahnherren hinzugesetzt<lb/> hat, sind auch heute noch die Leitsterne der französischen Maler, die durch die<lb/> Bemalung weiter Leinwandflächen in den „Salons" prunken und durch Ver¬<lb/> sendung ihrer Bilder nach dem Auslande Sensation machen wollen. Die<lb/> moderne Malweise mit ihren impressionistischen Klecksereien würde ihnen nur<lb/> den Effekt verderben, da es bei den Darstellungen dieser Art hauptsächlich auf<lb/> die Entfaltung virtuoseuhafter Kunststücke in Zeichnung, Modellierung und<lb/> Kühnheit der Komposition ankommt. Es soll damit keineswegs gesagt sein,<lb/> daß diese Maler sämtlich oder auch nur in der Mehrzahl Flunkerer sind, denen<lb/> es nur auf Reklamemacherei ankommt. Es giebt uuter ihnen gewiß sehr viele<lb/> ehrliche Leute, die der Meinung sind, daß sie mit dieser Art von Malerei<lb/> geradeswegs auf die höchste» Ziele der Kunst lossteuern, und diese teils der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0042]
Die großen Berliner Uunstausstellungen
Wenn man sich noch weiter in der ausländischen Kunst umsieht — wir
haben oben nur die Italiener und Spanier als Vertreter eines starken natio¬
nalen Selbstbewußtseins in der Kunst hervorgehoben —, so wird man die Be¬
obachtung machen, daß das nationale Element fast überall stärker in den Vorder¬
grund des künstlerischen Schaffens tritt als in Deutschland. Von dem konser¬
vativen England, wo die übrigens schnell wieder in Vergessenheit geratnen
Glasgower Natursimpel keinen dauernden Schaden angerichtet zu haben scheinen,
und sich die revolutionäre Bewegung überhaupt weniger in Architektur, Malerei
und Bildhauerkunst als im Kunstgewerbe austobt, wollen wir dabei absehen,
obwohl die Berliner Ausstellung durch ein köstliches Bild von Alma-Tadema,
ein Frühlingsfest im alten Rom, dazu verlockt. Man wird vielleicht den Ein¬
wand erheben, daß dieser Künstler als geborner Holländer kein charakteristischer
Vertreter der englischen Malerei sei. Seine Kunst hat sich jedoch nicht in
Holland, sondern auf englischem Boden entwickelt, wo sie um so mehr Ver¬
ständnis sand, als die Neigung für eine Wiederbelebung des Altertums durch
die bildende Kunst schon seit dem vorigen Jahrhundert eine Lieblingsbeschäf¬
tigung der Engländer gewesen war und vor dem Auftreten des jungen Hol¬
länders ältere englische Maler gleiche Ziele verfolgten. Aber auch in Frankreich,
dem Ausgangspunkt der modernen Kunstbewegung, sind die charakteristischen
Eigentümlichkeiten der sranzöstschen Kunst aus den scheinbar sehr erbitterten
Kämpfen feindlicher Knnstparteien unversehrt hervorgegangen, weil sie tief im
Volkscharakter begründet sind. Weder der Impressionismus noch die wunderliche
Pflanze des Neo-Impressionismus, die in Paris nur flüchtige Beachtung und
ein wenig gallische Heiterkeit, in Berlin dagegen tiefsinnige Betrachtung und
Bewunderung hervorgerufen hat, haben einen bemerkenswerten Einfluß auf die
Malerei großen Stils, oder wie man jetzt vorsichtiger sagen muß, auf die
Malereien großen Umfangs geübt. Der hohle pathetische Ton, den David
vor hundert Jahren angeschlagen hat, und das Gemisch von Wollust, Grauen
und Ekel, das Couture vor fünfzig Jahren mit seinen „Römern der Verfall¬
zeit" dem deklamatorischen Pathos seiner künstlerischen Ahnherren hinzugesetzt
hat, sind auch heute noch die Leitsterne der französischen Maler, die durch die
Bemalung weiter Leinwandflächen in den „Salons" prunken und durch Ver¬
sendung ihrer Bilder nach dem Auslande Sensation machen wollen. Die
moderne Malweise mit ihren impressionistischen Klecksereien würde ihnen nur
den Effekt verderben, da es bei den Darstellungen dieser Art hauptsächlich auf
die Entfaltung virtuoseuhafter Kunststücke in Zeichnung, Modellierung und
Kühnheit der Komposition ankommt. Es soll damit keineswegs gesagt sein,
daß diese Maler sämtlich oder auch nur in der Mehrzahl Flunkerer sind, denen
es nur auf Reklamemacherei ankommt. Es giebt uuter ihnen gewiß sehr viele
ehrliche Leute, die der Meinung sind, daß sie mit dieser Art von Malerei
geradeswegs auf die höchste» Ziele der Kunst lossteuern, und diese teils der
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