Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Samoa leidenschaftlichere Leute mit so kitzlicher Angelegenheit betraut sein könnten, "Daß nach altem Volksspruch der Vernünftige nachgeben sollte, ist viel So sehr man dem alten Weltfahrer gerade in Bezug auf die imperia¬ Samoa leidenschaftlichere Leute mit so kitzlicher Angelegenheit betraut sein könnten, „Daß nach altem Volksspruch der Vernünftige nachgeben sollte, ist viel So sehr man dem alten Weltfahrer gerade in Bezug auf die imperia¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0396" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231566"/> <fw type="header" place="top"> Samoa</fw><lb/> <p xml:id="ID_1287" prev="#ID_1286"> leidenschaftlichere Leute mit so kitzlicher Angelegenheit betraut sein könnten,<lb/> wäre die günstige Gelegenheit auszunutzen, um „bei dieser hoffentlich letzten<lb/> Konferenz in Sachen Samoas" ohne Verzug eine endgiltige Erledigung herbei¬<lb/> zuführen</p><lb/> <p xml:id="ID_1288"> „Daß nach altem Volksspruch der Vernünftige nachgeben sollte, ist viel<lb/> bemäkelt worden, hätte insofern indes seine Giltigkeit, daß er die Unvernünftigen<lb/> mit ihrem vernunftlosen Treiben allein lassen wird, wenn sie zur Vernunft zu<lb/> bringen der Mühe nicht lohnt. Trotz eines dramatischen Verzweiflungsschreis<lb/> hat auf die Dauer niemals der Unsinn gesiegt, sondern Lnovlscl^s is xovvr,<lb/> um die Unordnung wieder in Ordnung zu bringen, sonst wären wir alle mit¬<lb/> einander längst nicht mehr am Leben."</p><lb/> <p xml:id="ID_1289" next="#ID_1290"> So sehr man dem alten Weltfahrer gerade in Bezug auf die imperia¬<lb/> listische Strömung in England, den Vereinigten Staaten und auch in Deutsch¬<lb/> land darin zustimmen kann, daß Unsinn auf die Dauer nicht siegen wird, so<lb/> wird sich Bastion selbst doch wohl der Erkenntnis nicht ganz verschließen, daß der<lb/> Unsinn unter Umständen den Zeitgeist in einem Grade zu verseuchen vermag, daß<lb/> er zeitweise zu einer Macht wird, mit der man rechnen muß. Er wird dann<lb/> gewiß anerkennen, daß die endgiltige Erledigung der Scimoafrage, wie er sie<lb/> in Übereinstimmung mit der Ansicht der Kommission allein für möglich hält,<lb/> selbst für die durchaus unbefangen, nüchtern und verständig urteilenden deutschen<lb/> Staatsmänner, die jetzt zu entscheiden haben, mit sehr großen Bedenken und<lb/> Schwierigkeiten verknüpft sein muß. Nicht wegen des sogenannten Ehreu-<lb/> punkts und auch nicht aus Rücksicht auf das Gezeter unsrer Imperialisten, die<lb/> diesen Ehrenpunkt frivol mißbrauchen. Das Deutsche Reich braucht sich Gott<lb/> sei Dank darum noch nicht zu kümmern. Aber nachdem die rohen, vom<lb/> Zaune gebrochnen Gewaltthätigkeiten der Anglosachsen gegen deutsche Interessen<lb/> vor und auf Samoa vor vier Monaten so schlagend bewiesen haben, daß die<lb/> Regierungen der Vereinigten Staaten und Großbritanniens, wenn sie auch<lb/> vielleicht noch nicht ganz von der imperialistischen Barbarei und Tollheit be¬<lb/> herrscht werden, so doch unfähig oder auch, was wenigstens England betrifft,<lb/> zeitweise nicht willens sind, ihren Ausbrüchen im internationalen Verkehr selbst<lb/> mit einer vertragsmäßig befreundeten Großmacht vorzubeugen, gewinnt das<lb/> Überlassen der Inseln an England eine höchst unerfreuliche Bedeutung und ist<lb/> auf den Übergang der Alleinherrschaft an Deutschland sehr wenig zu hoffen.<lb/> Wir konnten wohl in der Kretafrage seiner Zeit die Flöte ans den Tisch legen<lb/> und, wie Bastian sagt, die Unvernünftigen in ihrem vernunftlosen Treiben<lb/> vorläufig allein lassen, denn dort hatten wir gar kein vertragsmäßiges Recht,<lb/> weiter mitzuspielen, das uns gebrochen werden sollte; und wir verscherzten<lb/> uns dadurch auch nicht die Möglichkeit, wenn sich über kurz oder lang das<lb/> Konzert in Dissonanzen auflöst und dann notgedrungen die levantinische Un¬<lb/> ordnung in Ordnung gebracht werden muß, die Flöte wiederaufzunehmen und<lb/> kräftig zu spielen. In Samoa dagegen handelt es sich um die Wiederherstellung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0396]
Samoa
leidenschaftlichere Leute mit so kitzlicher Angelegenheit betraut sein könnten,
wäre die günstige Gelegenheit auszunutzen, um „bei dieser hoffentlich letzten
Konferenz in Sachen Samoas" ohne Verzug eine endgiltige Erledigung herbei¬
zuführen
„Daß nach altem Volksspruch der Vernünftige nachgeben sollte, ist viel
bemäkelt worden, hätte insofern indes seine Giltigkeit, daß er die Unvernünftigen
mit ihrem vernunftlosen Treiben allein lassen wird, wenn sie zur Vernunft zu
bringen der Mühe nicht lohnt. Trotz eines dramatischen Verzweiflungsschreis
hat auf die Dauer niemals der Unsinn gesiegt, sondern Lnovlscl^s is xovvr,
um die Unordnung wieder in Ordnung zu bringen, sonst wären wir alle mit¬
einander längst nicht mehr am Leben."
So sehr man dem alten Weltfahrer gerade in Bezug auf die imperia¬
listische Strömung in England, den Vereinigten Staaten und auch in Deutsch¬
land darin zustimmen kann, daß Unsinn auf die Dauer nicht siegen wird, so
wird sich Bastion selbst doch wohl der Erkenntnis nicht ganz verschließen, daß der
Unsinn unter Umständen den Zeitgeist in einem Grade zu verseuchen vermag, daß
er zeitweise zu einer Macht wird, mit der man rechnen muß. Er wird dann
gewiß anerkennen, daß die endgiltige Erledigung der Scimoafrage, wie er sie
in Übereinstimmung mit der Ansicht der Kommission allein für möglich hält,
selbst für die durchaus unbefangen, nüchtern und verständig urteilenden deutschen
Staatsmänner, die jetzt zu entscheiden haben, mit sehr großen Bedenken und
Schwierigkeiten verknüpft sein muß. Nicht wegen des sogenannten Ehreu-
punkts und auch nicht aus Rücksicht auf das Gezeter unsrer Imperialisten, die
diesen Ehrenpunkt frivol mißbrauchen. Das Deutsche Reich braucht sich Gott
sei Dank darum noch nicht zu kümmern. Aber nachdem die rohen, vom
Zaune gebrochnen Gewaltthätigkeiten der Anglosachsen gegen deutsche Interessen
vor und auf Samoa vor vier Monaten so schlagend bewiesen haben, daß die
Regierungen der Vereinigten Staaten und Großbritanniens, wenn sie auch
vielleicht noch nicht ganz von der imperialistischen Barbarei und Tollheit be¬
herrscht werden, so doch unfähig oder auch, was wenigstens England betrifft,
zeitweise nicht willens sind, ihren Ausbrüchen im internationalen Verkehr selbst
mit einer vertragsmäßig befreundeten Großmacht vorzubeugen, gewinnt das
Überlassen der Inseln an England eine höchst unerfreuliche Bedeutung und ist
auf den Übergang der Alleinherrschaft an Deutschland sehr wenig zu hoffen.
Wir konnten wohl in der Kretafrage seiner Zeit die Flöte ans den Tisch legen
und, wie Bastian sagt, die Unvernünftigen in ihrem vernunftlosen Treiben
vorläufig allein lassen, denn dort hatten wir gar kein vertragsmäßiges Recht,
weiter mitzuspielen, das uns gebrochen werden sollte; und wir verscherzten
uns dadurch auch nicht die Möglichkeit, wenn sich über kurz oder lang das
Konzert in Dissonanzen auflöst und dann notgedrungen die levantinische Un¬
ordnung in Ordnung gebracht werden muß, die Flöte wiederaufzunehmen und
kräftig zu spielen. In Samoa dagegen handelt es sich um die Wiederherstellung
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