Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Skizzen aus unsern" heutige" Volksleben Jedenfalls entsprach der Lärm der Bedeutung des Tages. Das; er die schöne Rede Während "un draußen auf dem Platze ungetrübte Festfreude herrschte, erhob Aber, meine Herren, sagte der Bürgermeister, der i" seiiier jovialste" Laune Ja, aber -- Herr Bürgermeister. Überlassen Sie diesen Dichter mir, ich gebe Ih"e" ulei" Wort, ich mache Jawohl, Herr Bürgernleister. Sie laufe", was Sie die Beine tragen, in den Goldne" Adler und lassen Jawohl, Herr Bürgermeister. Den ganz großen Kranz vorn um Wagen auch? Ja, den auch. Man atmete auf. Der Herr Bürgermeister "ahn die Sache in seine kräftige Meister Kricket hatte den Kostümierten des Festzngs strengen Auftrag gegeben, Skizzen aus unsern« heutige« Volksleben Jedenfalls entsprach der Lärm der Bedeutung des Tages. Das; er die schöne Rede Während »un draußen auf dem Platze ungetrübte Festfreude herrschte, erhob Aber, meine Herren, sagte der Bürgermeister, der i» seiiier jovialste» Laune Ja, aber — Herr Bürgermeister. Überlassen Sie diesen Dichter mir, ich gebe Ih»e» ulei» Wort, ich mache Jawohl, Herr Bürgernleister. Sie laufe», was Sie die Beine tragen, in den Goldne» Adler und lassen Jawohl, Herr Bürgermeister. Den ganz großen Kranz vorn um Wagen auch? Ja, den auch. Man atmete auf. Der Herr Bürgermeister »ahn die Sache in seine kräftige Meister Kricket hatte den Kostümierten des Festzngs strengen Auftrag gegeben, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0290" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231460"/> <fw type="header" place="top"> Skizzen aus unsern« heutige« Volksleben</fw><lb/> <p xml:id="ID_907" prev="#ID_906"> Jedenfalls entsprach der Lärm der Bedeutung des Tages. Das; er die schöne Rede<lb/> verschlang, die der Bürgermeister an das verehrliche Publikum hielt, und in der<lb/> er den Bürgerst»» Schmalzlebens und den heutigen nach allen Beziehungen wohl-<lb/> gelungnen Tag als einen „Markstein" in der ruhmreichen Geschichte Schmalzlebens<lb/> pries, war bedauerlich, aber leider nicht zu ändern. Das Fest war nun einmal<lb/> im Gange. Die Jungen standen vor den ausgebreiteten Herrlichkeiten der Würfel-<lb/> und Kaufbuden und genossen das wonnevolle Gefühl, den Groschen in der Tasche<lb/> immer noch einmal umzukehren und zu erwägen, was man alles dafür kaufen<lb/> konnte; die Mütter ließen ihre Jüngsten auf dem linken Arme tanzen, und die<lb/> Väter rauchte» Cigarren und sahe» sich nach etwas Trinkbarem um.</p><lb/> <p xml:id="ID_908"> Während »un draußen auf dem Platze ungetrübte Festfreude herrschte, erhob<lb/> im Innern des Festzeltes bange Sorge ihr Haupt. Schon wahrend des Festzugs<lb/> hatte mau im Hintergründe des Kirchplatzes eine nachdenkliche Gestalt, den Blei¬<lb/> stift ans Kinn gedrückt, stehn sehen. Der Herr Rektor hatte den Dichter auf den<lb/> erste» Blick erkannt. Ja, es war der Dichter, Herr Doktor Felix Mandelstein.<lb/> Der Herr Rektor war bis in die tiefste Seele hinein erschrocken und hatte nur<lb/> mit Mühe seine würdige Haltung in der Gruppe aufrecht erhalten. Jetzt war<lb/> anßer ihm die ganze Theaterdirektion in Sorge. Man hatte den Dichter nicht<lb/> eingeladen, man hatte nicht einmal an ihn gedacht, man hatte sein Stück barbarisch<lb/> behandelt, zerschnitten, beflickt und besohlt. Jetzt kam der Dichter ungeladen; was<lb/> nun machen?</p><lb/> <p xml:id="ID_909"> Aber, meine Herren, sagte der Bürgermeister, der i» seiiier jovialste» Laune<lb/> war, lassen Sie doch nicht so die Ohren hängen. Was kann »»s denn so ein<lb/> Dichter thun?</p><lb/> <p xml:id="ID_910"> Ja, aber — Herr Bürgermeister.</p><lb/> <p xml:id="ID_911"> Überlassen Sie diesen Dichter mir, ich gebe Ih»e» ulei» Wort, ich mache<lb/> ih» so kirre, daß er aus der Hand frißt. Bringe» Sie ihn nur hierher. Und<lb/> Sie, Ruppert —</p><lb/> <p xml:id="ID_912"> Jawohl, Herr Bürgernleister.</p><lb/> <p xml:id="ID_913"> Sie laufe», was Sie die Beine tragen, in den Goldne» Adler und lassen<lb/> sich ein Dutzend Flaschen Sekt geben und bringen sie her. Und Eis! verstanden?<lb/> Und Sie, Gerlcbock, suchen Krausen ans und lassen sich von seine»! Festwage» drei<lb/> große Lorbeerkränze geben. Er soll die Weißen Blumen herausschneiden und große<lb/> rot und weiße Schleifen daran machen. Die Kränze sollen heute abend in? Theater<lb/> bereit liegen.</p><lb/> <p xml:id="ID_914"> Jawohl, Herr Bürgermeister. Den ganz großen Kranz vorn um Wagen auch?</p><lb/> <p xml:id="ID_915"> Ja, den auch.</p><lb/> <p xml:id="ID_916"> Man atmete auf. Der Herr Bürgermeister »ahn die Sache in seine kräftige<lb/> Hand, man konnte getrost auf eiuen glückliche» A»sga»g rechne». Der Dichter kam<lb/> a», etwas steif und einsilbig, denn es hatte ihn verschnupft, daß man ihn »icht<lb/> eiugelade» hatte. Der Bürgernleister log sich und die Seinen unverschämt heraus,<lb/> und das übrige that der Champagner, und als die Zeit des Festspiels kam, herrschte<lb/> wieder heiteres Wetter.</p><lb/> <p xml:id="ID_917" next="#ID_918"> Meister Kricket hatte den Kostümierten des Festzngs strengen Auftrag gegeben,<lb/> die Kostüme z» schonen und beizeiten wieder abzuliefern. Man hatte gethan,<lb/> was man konnte, aber mancher Ärmel und manche Krause hatten Schaden gelitten,<lb/> und König Wenzel mußte, während draußen das Publikum schou ungeduldig<lb/> wurde, flicken und flicken, um die Schäden einigermaßen auszubessern. Man hatte<lb/> Oberpredigers schönsten Lehnsessel geholt und ihn in die Mitte der ersten Stuhl-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0290]
Skizzen aus unsern« heutige« Volksleben
Jedenfalls entsprach der Lärm der Bedeutung des Tages. Das; er die schöne Rede
verschlang, die der Bürgermeister an das verehrliche Publikum hielt, und in der
er den Bürgerst»» Schmalzlebens und den heutigen nach allen Beziehungen wohl-
gelungnen Tag als einen „Markstein" in der ruhmreichen Geschichte Schmalzlebens
pries, war bedauerlich, aber leider nicht zu ändern. Das Fest war nun einmal
im Gange. Die Jungen standen vor den ausgebreiteten Herrlichkeiten der Würfel-
und Kaufbuden und genossen das wonnevolle Gefühl, den Groschen in der Tasche
immer noch einmal umzukehren und zu erwägen, was man alles dafür kaufen
konnte; die Mütter ließen ihre Jüngsten auf dem linken Arme tanzen, und die
Väter rauchte» Cigarren und sahe» sich nach etwas Trinkbarem um.
Während »un draußen auf dem Platze ungetrübte Festfreude herrschte, erhob
im Innern des Festzeltes bange Sorge ihr Haupt. Schon wahrend des Festzugs
hatte mau im Hintergründe des Kirchplatzes eine nachdenkliche Gestalt, den Blei¬
stift ans Kinn gedrückt, stehn sehen. Der Herr Rektor hatte den Dichter auf den
erste» Blick erkannt. Ja, es war der Dichter, Herr Doktor Felix Mandelstein.
Der Herr Rektor war bis in die tiefste Seele hinein erschrocken und hatte nur
mit Mühe seine würdige Haltung in der Gruppe aufrecht erhalten. Jetzt war
anßer ihm die ganze Theaterdirektion in Sorge. Man hatte den Dichter nicht
eingeladen, man hatte nicht einmal an ihn gedacht, man hatte sein Stück barbarisch
behandelt, zerschnitten, beflickt und besohlt. Jetzt kam der Dichter ungeladen; was
nun machen?
Aber, meine Herren, sagte der Bürgermeister, der i» seiiier jovialste» Laune
war, lassen Sie doch nicht so die Ohren hängen. Was kann »»s denn so ein
Dichter thun?
Ja, aber — Herr Bürgermeister.
Überlassen Sie diesen Dichter mir, ich gebe Ih»e» ulei» Wort, ich mache
ih» so kirre, daß er aus der Hand frißt. Bringe» Sie ihn nur hierher. Und
Sie, Ruppert —
Jawohl, Herr Bürgernleister.
Sie laufe», was Sie die Beine tragen, in den Goldne» Adler und lassen
sich ein Dutzend Flaschen Sekt geben und bringen sie her. Und Eis! verstanden?
Und Sie, Gerlcbock, suchen Krausen ans und lassen sich von seine»! Festwage» drei
große Lorbeerkränze geben. Er soll die Weißen Blumen herausschneiden und große
rot und weiße Schleifen daran machen. Die Kränze sollen heute abend in? Theater
bereit liegen.
Jawohl, Herr Bürgermeister. Den ganz großen Kranz vorn um Wagen auch?
Ja, den auch.
Man atmete auf. Der Herr Bürgermeister »ahn die Sache in seine kräftige
Hand, man konnte getrost auf eiuen glückliche» A»sga»g rechne». Der Dichter kam
a», etwas steif und einsilbig, denn es hatte ihn verschnupft, daß man ihn »icht
eiugelade» hatte. Der Bürgernleister log sich und die Seinen unverschämt heraus,
und das übrige that der Champagner, und als die Zeit des Festspiels kam, herrschte
wieder heiteres Wetter.
Meister Kricket hatte den Kostümierten des Festzngs strengen Auftrag gegeben,
die Kostüme z» schonen und beizeiten wieder abzuliefern. Man hatte gethan,
was man konnte, aber mancher Ärmel und manche Krause hatten Schaden gelitten,
und König Wenzel mußte, während draußen das Publikum schou ungeduldig
wurde, flicken und flicken, um die Schäden einigermaßen auszubessern. Man hatte
Oberpredigers schönsten Lehnsessel geholt und ihn in die Mitte der ersten Stuhl-
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