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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Kritische Studie" zu Fürst Bismarcks Gedanken und Ennneiungen

nicht dem Könige zu, der vielmehr den artilleristischen Angriff befohlen habe, ^)
sondern den Militärs. Noch in Ferneres hätten sie den gewaltsamen Angriff
auf die Südfront gewollt und für aussichtsvoll gehalten; erst vor Paris sei der
Gedanke aufgekommen, nicht zu schießen, obwohl ein Beschluß derart niemals
gefaßt worden sei, sondern man erkläre jetzt nur, warten zu wollen, bis alles
bereit sei.2) Übrigens dachte er bei der "Beschießung" vor allem auch an ein
Bombardement der Stadt selbst, wie bei Straßburg.^)

Wie gut Bismarck hier unterrichtet war, läßt sich jetzt bis ins einzelne
nachweisen. Schon in den ersten Tagen des Vormarsches auf Paris wurden
die ersten Maßregeln zum gewaltsamen Angriff auf die Hauptstadt getroffen,
also zu einer Zeit, wo Toul die einzige zur Verfügung stehende Bahnlinie
noch sperrte. Schon von Reims aus ordnete Moltke am 8. September auf
Befehl des Königs die "schleunige Heranführung der erforderlichen Festungs¬
artillerie" an, da "voraussichtlich zwischen dem 25. und 30. d. M. der ernst¬
hafte Angriff auf Paris beginnen wird"; von Ferneres aus befahl er am
23. September nach dem Falle von Toul telegraphisch dem Oberkommando
der III. Armee die bisher dort verwandten schweren Geschütze mit Bahn bis
Nanteuil östlich von Meaux zu bringen, dann mit requirierten Geschirren bis
vor Paris.^) "Die Ausladung und der weitere Landtransport des per Bahn
bis Nanteuil s. Marne heranzuführenden schweren Belagerungsgeschützes auf
Paris" sollte am 28. September beginnen, den Anfang der Beschießung er¬
wartete Moltke damals (am 27. September) "kaum vor Ende dieser Woche,"
also um den 1. Oktober, und er sollte mit der Verlegung des königlichen
Hauptquartiers nach Versailles oder Se. Germain-en-Laye zusammenfallen. In
der That ging der erste Geschütztransport am 27. früh von Nancy nach Nanteuil
ub mit der Bestimmung gegen die Forts Jssy und Vanves/') Ebenso wurde
noch in Ferneres nach einem Gutachten der Generale von Hindersin und von
Kleist vom 30. September, die dafür am 2. Oktober 420 Belagerungsgeschütze
verlangten, der Hauptangriff auf die Südwestfrout und ein Nebenangriff auf
die Nordostfront (Se. Denis) beschlossen, sobald ausreichende Mittel vorhanden
seien, was man jetzt erst für "die ersten Tage des Dezember" erwartete/')








') Busch I, 41ö (20, November), vgl, 49L,
-) "Der Generalstab behauptete, das; sie ein paar Forts (Jssu und Vannes) in drei Tagen
zusammenschieben und dann gegen die schwache Enceinte vorgehn könnten," Busch I, 4S4
"?>0, November), 4l>" (1, Dezember), 511 (12, Dezember),
") Busch 1, 441,
<) Moltke an Roon Reims ". September, Moltkes Militärische Korrespondenz III, 2,
Ur, 267 an das Oberkommando der III, Armee in Versailles 23. September, n, a, O, Ur, 292,
") Moltke um Seichte 27, September, um Blumenthal von demselben Tage, Militärische
Korrespondenz III, 2, Ur, 297, 298,
") Moltke an den König 22, Dezember, a, a, O, Ur, 581. Vergl, Generalstabswerk II,
1, 1"v f, Dazu WilmowAi, Feldbricfe 74 f. Der König an Moltke 28, November n, a, O,
S, 415,
Kritische Studie» zu Fürst Bismarcks Gedanken und Ennneiungen

nicht dem Könige zu, der vielmehr den artilleristischen Angriff befohlen habe, ^)
sondern den Militärs. Noch in Ferneres hätten sie den gewaltsamen Angriff
auf die Südfront gewollt und für aussichtsvoll gehalten; erst vor Paris sei der
Gedanke aufgekommen, nicht zu schießen, obwohl ein Beschluß derart niemals
gefaßt worden sei, sondern man erkläre jetzt nur, warten zu wollen, bis alles
bereit sei.2) Übrigens dachte er bei der „Beschießung" vor allem auch an ein
Bombardement der Stadt selbst, wie bei Straßburg.^)

Wie gut Bismarck hier unterrichtet war, läßt sich jetzt bis ins einzelne
nachweisen. Schon in den ersten Tagen des Vormarsches auf Paris wurden
die ersten Maßregeln zum gewaltsamen Angriff auf die Hauptstadt getroffen,
also zu einer Zeit, wo Toul die einzige zur Verfügung stehende Bahnlinie
noch sperrte. Schon von Reims aus ordnete Moltke am 8. September auf
Befehl des Königs die „schleunige Heranführung der erforderlichen Festungs¬
artillerie" an, da „voraussichtlich zwischen dem 25. und 30. d. M. der ernst¬
hafte Angriff auf Paris beginnen wird"; von Ferneres aus befahl er am
23. September nach dem Falle von Toul telegraphisch dem Oberkommando
der III. Armee die bisher dort verwandten schweren Geschütze mit Bahn bis
Nanteuil östlich von Meaux zu bringen, dann mit requirierten Geschirren bis
vor Paris.^) „Die Ausladung und der weitere Landtransport des per Bahn
bis Nanteuil s. Marne heranzuführenden schweren Belagerungsgeschützes auf
Paris" sollte am 28. September beginnen, den Anfang der Beschießung er¬
wartete Moltke damals (am 27. September) „kaum vor Ende dieser Woche,"
also um den 1. Oktober, und er sollte mit der Verlegung des königlichen
Hauptquartiers nach Versailles oder Se. Germain-en-Laye zusammenfallen. In
der That ging der erste Geschütztransport am 27. früh von Nancy nach Nanteuil
ub mit der Bestimmung gegen die Forts Jssy und Vanves/') Ebenso wurde
noch in Ferneres nach einem Gutachten der Generale von Hindersin und von
Kleist vom 30. September, die dafür am 2. Oktober 420 Belagerungsgeschütze
verlangten, der Hauptangriff auf die Südwestfrout und ein Nebenangriff auf
die Nordostfront (Se. Denis) beschlossen, sobald ausreichende Mittel vorhanden
seien, was man jetzt erst für „die ersten Tage des Dezember" erwartete/')








') Busch I, 41ö (20, November), vgl, 49L,
-) „Der Generalstab behauptete, das; sie ein paar Forts (Jssu und Vannes) in drei Tagen
zusammenschieben und dann gegen die schwache Enceinte vorgehn könnten," Busch I, 4S4
«?>0, November), 4l>» (1, Dezember), 511 (12, Dezember),
") Busch 1, 441,
<) Moltke an Roon Reims «. September, Moltkes Militärische Korrespondenz III, 2,
Ur, 267 an das Oberkommando der III, Armee in Versailles 23. September, n, a, O, Ur, 292,
") Moltke um Seichte 27, September, um Blumenthal von demselben Tage, Militärische
Korrespondenz III, 2, Ur, 297, 298,
") Moltke an den König 22, Dezember, a, a, O, Ur, 581. Vergl, Generalstabswerk II,
1, 1»v f, Dazu WilmowAi, Feldbricfe 74 f. Der König an Moltke 28, November n, a, O,
S, 415,
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[0254] Kritische Studie» zu Fürst Bismarcks Gedanken und Ennneiungen nicht dem Könige zu, der vielmehr den artilleristischen Angriff befohlen habe, ^) sondern den Militärs. Noch in Ferneres hätten sie den gewaltsamen Angriff auf die Südfront gewollt und für aussichtsvoll gehalten; erst vor Paris sei der Gedanke aufgekommen, nicht zu schießen, obwohl ein Beschluß derart niemals gefaßt worden sei, sondern man erkläre jetzt nur, warten zu wollen, bis alles bereit sei.2) Übrigens dachte er bei der „Beschießung" vor allem auch an ein Bombardement der Stadt selbst, wie bei Straßburg.^) Wie gut Bismarck hier unterrichtet war, läßt sich jetzt bis ins einzelne nachweisen. Schon in den ersten Tagen des Vormarsches auf Paris wurden die ersten Maßregeln zum gewaltsamen Angriff auf die Hauptstadt getroffen, also zu einer Zeit, wo Toul die einzige zur Verfügung stehende Bahnlinie noch sperrte. Schon von Reims aus ordnete Moltke am 8. September auf Befehl des Königs die „schleunige Heranführung der erforderlichen Festungs¬ artillerie" an, da „voraussichtlich zwischen dem 25. und 30. d. M. der ernst¬ hafte Angriff auf Paris beginnen wird"; von Ferneres aus befahl er am 23. September nach dem Falle von Toul telegraphisch dem Oberkommando der III. Armee die bisher dort verwandten schweren Geschütze mit Bahn bis Nanteuil östlich von Meaux zu bringen, dann mit requirierten Geschirren bis vor Paris.^) „Die Ausladung und der weitere Landtransport des per Bahn bis Nanteuil s. Marne heranzuführenden schweren Belagerungsgeschützes auf Paris" sollte am 28. September beginnen, den Anfang der Beschießung er¬ wartete Moltke damals (am 27. September) „kaum vor Ende dieser Woche," also um den 1. Oktober, und er sollte mit der Verlegung des königlichen Hauptquartiers nach Versailles oder Se. Germain-en-Laye zusammenfallen. In der That ging der erste Geschütztransport am 27. früh von Nancy nach Nanteuil ub mit der Bestimmung gegen die Forts Jssy und Vanves/') Ebenso wurde noch in Ferneres nach einem Gutachten der Generale von Hindersin und von Kleist vom 30. September, die dafür am 2. Oktober 420 Belagerungsgeschütze verlangten, der Hauptangriff auf die Südwestfrout und ein Nebenangriff auf die Nordostfront (Se. Denis) beschlossen, sobald ausreichende Mittel vorhanden seien, was man jetzt erst für „die ersten Tage des Dezember" erwartete/') ') Busch I, 41ö (20, November), vgl, 49L, -) „Der Generalstab behauptete, das; sie ein paar Forts (Jssu und Vannes) in drei Tagen zusammenschieben und dann gegen die schwache Enceinte vorgehn könnten," Busch I, 4S4 «?>0, November), 4l>» (1, Dezember), 511 (12, Dezember), ") Busch 1, 441, <) Moltke an Roon Reims «. September, Moltkes Militärische Korrespondenz III, 2, Ur, 267 an das Oberkommando der III, Armee in Versailles 23. September, n, a, O, Ur, 292, ") Moltke um Seichte 27, September, um Blumenthal von demselben Tage, Militärische Korrespondenz III, 2, Ur, 297, 298, ") Moltke an den König 22, Dezember, a, a, O, Ur, 581. Vergl, Generalstabswerk II, 1, 1»v f, Dazu WilmowAi, Feldbricfe 74 f. Der König an Moltke 28, November n, a, O, S, 415,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/254>, abgerufen am 15.01.2025.