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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Der Schutz der Arbeitswilligen im Reichstage

eine Beute fremden Volkstums werden zu lassen. Der Handel bahnt sich
schließlich zunächst auch ohne eine starke Neichsflotte seinen Weg nach dem
Auslande, obwohl ihm eine solche die Unternehmungen natürlich erleichtern
wird. Der deutsche Auswandrer aber hat von dem Aufblühen des heimischen
Handels selbst keine Besserung seiner isolierten Volksstellung zu erwarten; ihm
kann nur ein die See beherrschendes Deutschland das Nationalgefühl bewahren.
Darum nehmen wir australischen Deutschen den allerunmittelbarsten Anteil an
der so plötzlich durchgebrochnen Kolouialbewegung und hoffen, daß ihr mehr
als ein Tag Sonnenschein beschicken sei.

Geht Deutschland auch zur See als Friedensmissionar durch die Welt,
erobert es nicht mit Gewalt, sondern durch seinen überlegnen Geist, seinen
Fleiß und sein Gemüt, dann wird die welthistorische Aufgabe der germanischen
Nasse damit im christlichen Sinne erfüllt werden, und die Errungenschaften einer
solchen Kulturarbeit würden unser Deutschtum in der That zum Salz der Erde
machen. Zerstören ist leicht -- Aufbauen schwer! Mit dieser wohlgemeinten
Warnung aus der Ferne möchte ich meine Ausführungen schließen.


R. Lehmann


9er Schutz der Arbeitswilligen im Reichstage
3

s ist in den Grenzboten wiederholt beklagt worden, daß die in
der deutschen Staatswissenschaft seit einem Menschenalter immer
mehr zur Alleinherrschaft gelangte und in sich selbst immer ein¬
seitiger und extremer gewordne sozialistische Richtung auf den
Wirtschafts- und sozialpolitischen Sinn und Takt der am öffent¬
lichen Leben teilnehmenden und die öffentliche Meinung machenden Bevölkernngs-
kreise einen nachteiligen Einfluß ausgeübt hat und noch ausübt. Es sollen
damit keineswegs die wissenschaftlichen Leistungen der deutschen Natioucil-
ökonomen und Soziologe", die sich zu den sogenannten Kathedersozialisten
rechnen, herabgesetzt werden, da sie zum Teil nur das geerntet haben, was vor
ihnen gesäet war. Auch ihr Anteil an der sozialpolitischen Gesetzgebung der
letzten zwei Jahrzehnte, auf die wir stolz sein dürfen, soll damit nicht bestritten
und ebenso wenig das Verdienst verkannt werden, das sie sich um die Schärfung
des sozialen Gewissens im Volk erworben haben. Die Klage richtet sich viel¬
mehr immer nur gegen die Einseitigkeit und das Extrem der Doktrin und
gegen die Anmaßung, mit der eine wachsende Anzahl ihrer Vertreter die Herr-


Der Schutz der Arbeitswilligen im Reichstage

eine Beute fremden Volkstums werden zu lassen. Der Handel bahnt sich
schließlich zunächst auch ohne eine starke Neichsflotte seinen Weg nach dem
Auslande, obwohl ihm eine solche die Unternehmungen natürlich erleichtern
wird. Der deutsche Auswandrer aber hat von dem Aufblühen des heimischen
Handels selbst keine Besserung seiner isolierten Volksstellung zu erwarten; ihm
kann nur ein die See beherrschendes Deutschland das Nationalgefühl bewahren.
Darum nehmen wir australischen Deutschen den allerunmittelbarsten Anteil an
der so plötzlich durchgebrochnen Kolouialbewegung und hoffen, daß ihr mehr
als ein Tag Sonnenschein beschicken sei.

Geht Deutschland auch zur See als Friedensmissionar durch die Welt,
erobert es nicht mit Gewalt, sondern durch seinen überlegnen Geist, seinen
Fleiß und sein Gemüt, dann wird die welthistorische Aufgabe der germanischen
Nasse damit im christlichen Sinne erfüllt werden, und die Errungenschaften einer
solchen Kulturarbeit würden unser Deutschtum in der That zum Salz der Erde
machen. Zerstören ist leicht — Aufbauen schwer! Mit dieser wohlgemeinten
Warnung aus der Ferne möchte ich meine Ausführungen schließen.


R. Lehmann


9er Schutz der Arbeitswilligen im Reichstage
3

s ist in den Grenzboten wiederholt beklagt worden, daß die in
der deutschen Staatswissenschaft seit einem Menschenalter immer
mehr zur Alleinherrschaft gelangte und in sich selbst immer ein¬
seitiger und extremer gewordne sozialistische Richtung auf den
Wirtschafts- und sozialpolitischen Sinn und Takt der am öffent¬
lichen Leben teilnehmenden und die öffentliche Meinung machenden Bevölkernngs-
kreise einen nachteiligen Einfluß ausgeübt hat und noch ausübt. Es sollen
damit keineswegs die wissenschaftlichen Leistungen der deutschen Natioucil-
ökonomen und Soziologe», die sich zu den sogenannten Kathedersozialisten
rechnen, herabgesetzt werden, da sie zum Teil nur das geerntet haben, was vor
ihnen gesäet war. Auch ihr Anteil an der sozialpolitischen Gesetzgebung der
letzten zwei Jahrzehnte, auf die wir stolz sein dürfen, soll damit nicht bestritten
und ebenso wenig das Verdienst verkannt werden, das sie sich um die Schärfung
des sozialen Gewissens im Volk erworben haben. Die Klage richtet sich viel¬
mehr immer nur gegen die Einseitigkeit und das Extrem der Doktrin und
gegen die Anmaßung, mit der eine wachsende Anzahl ihrer Vertreter die Herr-


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[0207] Der Schutz der Arbeitswilligen im Reichstage eine Beute fremden Volkstums werden zu lassen. Der Handel bahnt sich schließlich zunächst auch ohne eine starke Neichsflotte seinen Weg nach dem Auslande, obwohl ihm eine solche die Unternehmungen natürlich erleichtern wird. Der deutsche Auswandrer aber hat von dem Aufblühen des heimischen Handels selbst keine Besserung seiner isolierten Volksstellung zu erwarten; ihm kann nur ein die See beherrschendes Deutschland das Nationalgefühl bewahren. Darum nehmen wir australischen Deutschen den allerunmittelbarsten Anteil an der so plötzlich durchgebrochnen Kolouialbewegung und hoffen, daß ihr mehr als ein Tag Sonnenschein beschicken sei. Geht Deutschland auch zur See als Friedensmissionar durch die Welt, erobert es nicht mit Gewalt, sondern durch seinen überlegnen Geist, seinen Fleiß und sein Gemüt, dann wird die welthistorische Aufgabe der germanischen Nasse damit im christlichen Sinne erfüllt werden, und die Errungenschaften einer solchen Kulturarbeit würden unser Deutschtum in der That zum Salz der Erde machen. Zerstören ist leicht — Aufbauen schwer! Mit dieser wohlgemeinten Warnung aus der Ferne möchte ich meine Ausführungen schließen. R. Lehmann 9er Schutz der Arbeitswilligen im Reichstage 3 s ist in den Grenzboten wiederholt beklagt worden, daß die in der deutschen Staatswissenschaft seit einem Menschenalter immer mehr zur Alleinherrschaft gelangte und in sich selbst immer ein¬ seitiger und extremer gewordne sozialistische Richtung auf den Wirtschafts- und sozialpolitischen Sinn und Takt der am öffent¬ lichen Leben teilnehmenden und die öffentliche Meinung machenden Bevölkernngs- kreise einen nachteiligen Einfluß ausgeübt hat und noch ausübt. Es sollen damit keineswegs die wissenschaftlichen Leistungen der deutschen Natioucil- ökonomen und Soziologe», die sich zu den sogenannten Kathedersozialisten rechnen, herabgesetzt werden, da sie zum Teil nur das geerntet haben, was vor ihnen gesäet war. Auch ihr Anteil an der sozialpolitischen Gesetzgebung der letzten zwei Jahrzehnte, auf die wir stolz sein dürfen, soll damit nicht bestritten und ebenso wenig das Verdienst verkannt werden, das sie sich um die Schärfung des sozialen Gewissens im Volk erworben haben. Die Klage richtet sich viel¬ mehr immer nur gegen die Einseitigkeit und das Extrem der Doktrin und gegen die Anmaßung, mit der eine wachsende Anzahl ihrer Vertreter die Herr-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/207>, abgerufen am 15.01.2025.