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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Australien und die deutsche Aolouialbeweguug

Die klimatisch begünstigte Erde ist leider schon in staatsrechtlichen Besitz
genommen; daß wir Deutschen dabei zu spät kamen, ist zu bedauern, aber ganz
gewiß keines Seekriegs wert. Ein solcher würde in englischen, von Weißen
bevölkerten Kolonien jedenfalls alles dort vorhandne Deutschtum vollends zer¬
stören. Ob Sieger oder Besiegte -- wir Deutschen in englischen Kolonien
würden den brutalen Übermut oder aber die uoch brutalere Wut des Engländers
zu sühlen haben; nur auf unsrer vernichteten Existenz ließe sich in den von
Deutschland eroberten Kulturkolonien Englands ein neues Deutschtum zwangs¬
weise aufbauen. Das klingt selbstsüchtig, uupatriotisch, feige. Aber vergesse"
wir es doch nicht, daß Großbritannien seit der Zeit seiner Meerherrschaft noch
niemals ein von Engländern bevölkertes Stück Erde an ein Volk fremder
Zunge verloren hat. Sollte dies der Fall werden, die zähe Verbissenheit der
englischen Rasse würde noch weit schwerer zu überwinden sein wie der polnische
Widerstand in Preußen. Daheim mag man sich über die Tragweite eines
Kvlonialkonflikts mit England hinwegtäuschen; wir Deutschen im Auslande
wissen die Folgen eines solchen besser vorauszusehen. Es ist unsre Pflicht,
vor einer solchen Möglichkeit zu warnen, deren strategischer Erfolg nnter Um¬
ständen gesichert sein mag, deren sonstige Konsequenzen aber dem Deutschtum
im Auslande und dem deutschen Handel insbesondre tiefe Wunden schlagen
würden.

Mit der Erwerbung englischer Kolonien, in denen kein Europäer zu leben
vermag, kaun uus, um dorthin die überschüssige Bevölkerung zu leiten, nicht
gedient sein. Nur das Kapland Südafrikas oder Australien kommen für diesen
Zweck in Frage. Wäre es eine grundfalsche Politik, etwa in China größere
Territorien erwerben zu wollen, eben weil dort für deutsche Auswandrer kein
Raum, kein Nährboden mehr vorhanden ist, so würde es andrerseits ebenso
verkehrt sein, in dem noch schwach bevölkerten Südafrika oder Australien statt
auf friedliche, auf kriegerische Weise für uns Deutsche Platz zu schaffen. Dem
freiwilligen Zuzüge von Deutschen nach Australien steht auch in Zukunft nichts
entgegen. Obwohl fremder Nationalität, können wir dort unter ganz denselben
politischen und wirtschaftlichen Bedingungen leben wie jeder, der aus England
einwanderte. Wenn wir klagen -- und dies liegt einmal im deutschen Blute --,
so thun wir dies nicht deswegen, weil wir benachteiligt wären, sondern ledig¬
lich deshalb, weil wir in sozialer Beziehung so vieles anders wünschen. Fragte
man aber z. B.' uns australische Deutschen, ob wir die englische Oberhoheit
mit einer deutsch gedachten vertauschen möchten -- ich bin des ganz gewiß,
auch bei geheimer Abstimmung würde sich unter zehn Stimmen nicht eine für
eine Änderung des swws <zuo aussprechen. Die in Deutschland notwendige
starke Heeresorganisation, die in Deutschland historisch gewordne straffe Ver¬
waltung, die in Deutschland vorhandnen Beschränkungen der Rede-, Preß- und
Vereinsfreiheit sind uns anf den australischen Kontinent nicht nachgefolgt; wir


Australien und die deutsche Aolouialbeweguug

Die klimatisch begünstigte Erde ist leider schon in staatsrechtlichen Besitz
genommen; daß wir Deutschen dabei zu spät kamen, ist zu bedauern, aber ganz
gewiß keines Seekriegs wert. Ein solcher würde in englischen, von Weißen
bevölkerten Kolonien jedenfalls alles dort vorhandne Deutschtum vollends zer¬
stören. Ob Sieger oder Besiegte — wir Deutschen in englischen Kolonien
würden den brutalen Übermut oder aber die uoch brutalere Wut des Engländers
zu sühlen haben; nur auf unsrer vernichteten Existenz ließe sich in den von
Deutschland eroberten Kulturkolonien Englands ein neues Deutschtum zwangs¬
weise aufbauen. Das klingt selbstsüchtig, uupatriotisch, feige. Aber vergesse»
wir es doch nicht, daß Großbritannien seit der Zeit seiner Meerherrschaft noch
niemals ein von Engländern bevölkertes Stück Erde an ein Volk fremder
Zunge verloren hat. Sollte dies der Fall werden, die zähe Verbissenheit der
englischen Rasse würde noch weit schwerer zu überwinden sein wie der polnische
Widerstand in Preußen. Daheim mag man sich über die Tragweite eines
Kvlonialkonflikts mit England hinwegtäuschen; wir Deutschen im Auslande
wissen die Folgen eines solchen besser vorauszusehen. Es ist unsre Pflicht,
vor einer solchen Möglichkeit zu warnen, deren strategischer Erfolg nnter Um¬
ständen gesichert sein mag, deren sonstige Konsequenzen aber dem Deutschtum
im Auslande und dem deutschen Handel insbesondre tiefe Wunden schlagen
würden.

Mit der Erwerbung englischer Kolonien, in denen kein Europäer zu leben
vermag, kaun uus, um dorthin die überschüssige Bevölkerung zu leiten, nicht
gedient sein. Nur das Kapland Südafrikas oder Australien kommen für diesen
Zweck in Frage. Wäre es eine grundfalsche Politik, etwa in China größere
Territorien erwerben zu wollen, eben weil dort für deutsche Auswandrer kein
Raum, kein Nährboden mehr vorhanden ist, so würde es andrerseits ebenso
verkehrt sein, in dem noch schwach bevölkerten Südafrika oder Australien statt
auf friedliche, auf kriegerische Weise für uns Deutsche Platz zu schaffen. Dem
freiwilligen Zuzüge von Deutschen nach Australien steht auch in Zukunft nichts
entgegen. Obwohl fremder Nationalität, können wir dort unter ganz denselben
politischen und wirtschaftlichen Bedingungen leben wie jeder, der aus England
einwanderte. Wenn wir klagen — und dies liegt einmal im deutschen Blute —,
so thun wir dies nicht deswegen, weil wir benachteiligt wären, sondern ledig¬
lich deshalb, weil wir in sozialer Beziehung so vieles anders wünschen. Fragte
man aber z. B.' uns australische Deutschen, ob wir die englische Oberhoheit
mit einer deutsch gedachten vertauschen möchten — ich bin des ganz gewiß,
auch bei geheimer Abstimmung würde sich unter zehn Stimmen nicht eine für
eine Änderung des swws <zuo aussprechen. Die in Deutschland notwendige
starke Heeresorganisation, die in Deutschland historisch gewordne straffe Ver¬
waltung, die in Deutschland vorhandnen Beschränkungen der Rede-, Preß- und
Vereinsfreiheit sind uns anf den australischen Kontinent nicht nachgefolgt; wir


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[0204] Australien und die deutsche Aolouialbeweguug Die klimatisch begünstigte Erde ist leider schon in staatsrechtlichen Besitz genommen; daß wir Deutschen dabei zu spät kamen, ist zu bedauern, aber ganz gewiß keines Seekriegs wert. Ein solcher würde in englischen, von Weißen bevölkerten Kolonien jedenfalls alles dort vorhandne Deutschtum vollends zer¬ stören. Ob Sieger oder Besiegte — wir Deutschen in englischen Kolonien würden den brutalen Übermut oder aber die uoch brutalere Wut des Engländers zu sühlen haben; nur auf unsrer vernichteten Existenz ließe sich in den von Deutschland eroberten Kulturkolonien Englands ein neues Deutschtum zwangs¬ weise aufbauen. Das klingt selbstsüchtig, uupatriotisch, feige. Aber vergesse» wir es doch nicht, daß Großbritannien seit der Zeit seiner Meerherrschaft noch niemals ein von Engländern bevölkertes Stück Erde an ein Volk fremder Zunge verloren hat. Sollte dies der Fall werden, die zähe Verbissenheit der englischen Rasse würde noch weit schwerer zu überwinden sein wie der polnische Widerstand in Preußen. Daheim mag man sich über die Tragweite eines Kvlonialkonflikts mit England hinwegtäuschen; wir Deutschen im Auslande wissen die Folgen eines solchen besser vorauszusehen. Es ist unsre Pflicht, vor einer solchen Möglichkeit zu warnen, deren strategischer Erfolg nnter Um¬ ständen gesichert sein mag, deren sonstige Konsequenzen aber dem Deutschtum im Auslande und dem deutschen Handel insbesondre tiefe Wunden schlagen würden. Mit der Erwerbung englischer Kolonien, in denen kein Europäer zu leben vermag, kaun uus, um dorthin die überschüssige Bevölkerung zu leiten, nicht gedient sein. Nur das Kapland Südafrikas oder Australien kommen für diesen Zweck in Frage. Wäre es eine grundfalsche Politik, etwa in China größere Territorien erwerben zu wollen, eben weil dort für deutsche Auswandrer kein Raum, kein Nährboden mehr vorhanden ist, so würde es andrerseits ebenso verkehrt sein, in dem noch schwach bevölkerten Südafrika oder Australien statt auf friedliche, auf kriegerische Weise für uns Deutsche Platz zu schaffen. Dem freiwilligen Zuzüge von Deutschen nach Australien steht auch in Zukunft nichts entgegen. Obwohl fremder Nationalität, können wir dort unter ganz denselben politischen und wirtschaftlichen Bedingungen leben wie jeder, der aus England einwanderte. Wenn wir klagen — und dies liegt einmal im deutschen Blute —, so thun wir dies nicht deswegen, weil wir benachteiligt wären, sondern ledig¬ lich deshalb, weil wir in sozialer Beziehung so vieles anders wünschen. Fragte man aber z. B.' uns australische Deutschen, ob wir die englische Oberhoheit mit einer deutsch gedachten vertauschen möchten — ich bin des ganz gewiß, auch bei geheimer Abstimmung würde sich unter zehn Stimmen nicht eine für eine Änderung des swws <zuo aussprechen. Die in Deutschland notwendige starke Heeresorganisation, die in Deutschland historisch gewordne straffe Ver¬ waltung, die in Deutschland vorhandnen Beschränkungen der Rede-, Preß- und Vereinsfreiheit sind uns anf den australischen Kontinent nicht nachgefolgt; wir

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/204>, abgerufen am 15.01.2025.