Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Möglichkeiten und Notwendigkeiten der auswärtigen Politik Deutschlands die Mitte des Jahres 1897 bemessen; in der Begründung wie in den Neichs- Vor allem hat der Ausgang des spanisch-amerikanischen Kriegs in den Möglichkeiten und Notwendigkeiten der auswärtigen Politik Deutschlands die Mitte des Jahres 1897 bemessen; in der Begründung wie in den Neichs- Vor allem hat der Ausgang des spanisch-amerikanischen Kriegs in den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0020" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231190"/> <fw type="header" place="top"> Möglichkeiten und Notwendigkeiten der auswärtigen Politik Deutschlands</fw><lb/> <p xml:id="ID_29" prev="#ID_28"> die Mitte des Jahres 1897 bemessen; in der Begründung wie in den Neichs-<lb/> tagsverhandlungen ist immer wieder betont worden, daß der Flottenplan, der<lb/> spätestens bis zum Schluß des Etatsjahres 1903, das ist also bis zum<lb/> 31. März 1904, durchgeführt werden muß, den damals, zur Zeit der Aus¬<lb/> arbeitung des Gesetzes geltenden Seeinteressen Deutschlands angepaßt ist. In<lb/> der kurzen Spanne von kaum zwei Jahren aber haben seitdem diese Seeinter¬<lb/> essen schon eine gewaltige Erweiterung erfahren: Unser Spezialseehandel ist<lb/> von 5^ Milliarden im Jahre 1897 auf 6V, Milliarden im Jahre 1898 ge¬<lb/> stiegen, unser Seeschiffahrtsverkehr dehnt sich ^ man kann sagen — täglich nach<lb/> Zahl, Wert und Größe der Schiffe wie nach Vielfältigkeit der Routen aus,<lb/> die Zahl der Neichsaugehörigen, die drüben im Erwerbsleben stehn, wächst<lb/> ständig, die Höhe deutschen Kapitals, das in fremden Ländern angelegt ist<lb/> und seine Zinsen nach der Heimat schickt, wird mit 15 bis 20 Milliarden Mark<lb/> nicht übertrieben taxiert sein; unser Kolonialbesitz hat sich durch die Pachtung<lb/> von Kiautschou mit der Provinz Schankung als Hinterland und den Kauf<lb/> Mikronesiens — vielleicht auch durch das deutsch-englische Abkommen über<lb/> Südafrika — bedeutend erweitert und stellt nunmehr an die Kriegsmarine<lb/> neue und große Aufgaben. Aber nicht nur unsre Seeinteressen haben sich in<lb/> dieser kurzen Zeit vergrößert und werden gewiß von Jahr zu Jahr weiter<lb/> wachsen, auch die politische Konstellation hat seit Mitte des Jahres 1897 Ver¬<lb/> schiebungen erfahren, die die Bedeutung der Seemacht recht eindringlich ein¬<lb/> schärfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_30" next="#ID_31"> Vor allem hat der Ausgang des spanisch-amerikanischen Kriegs in den<lb/> Vereinigten Staaten eine Großmacht ersten Ranges in die Weltpolitik ver¬<lb/> flochten. Die Kehrseite der Monroedoktrin, daß, wenn Amerika für die Ameri¬<lb/> kaner sei, Amerika sich auch auf Amerika beschränke, gilt nicht mehr: die Union<lb/> spricht nun ein Wort mit in allen Welthändeln, und sie ist mit Eifer und<lb/> Nachdruck bedacht, das Instrument ihrer Politik, die Kriegsflotte zu verstärken.<lb/> In Großbritannien hat der Imperialismus jetzt schon zu einer gewaltigen Ver¬<lb/> mehrung der Marine geführt, die von allen Parteien, einschließlich den radi¬<lb/> kalsten Sozialdemokraten, gebilligt wird. Nußland weist gleichfalls seit kurzem<lb/> das Bestreben der Flottenverstärknng auf; seit 1397 ist sein Marinebudget von<lb/> 134 auf 187 Millionen gestiegen. Frankreich ist unablässig in Versuchen und<lb/> Erfindungen, seine Flotte leistungsfähiger zu machen. In Japan erwächst<lb/> eine große Seemacht in Ostasien. Alle diese Staaten wissen, daß eine Auf¬<lb/> teilung der Erde begonnen hat: China, Afrika, vielleicht Südamerika sind der<lb/> Preis, um den gerungen wird — mit handelspolitischen Maßnahmen, mit<lb/> diplomatischen Künsten, mit den Machtmitteln des Staats. Deutschland kann<lb/> hier um seiner Existenz willen nicht zurückbleiben. Will es leben, so muß es<lb/> Seefahrer, will es Seefahrer, so bedarf es der Seegeltung. Landheere und<lb/> Bündnisverträge spielen in der Weltpolitik nnr eine subsidiäre Rolle, als</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0020]
Möglichkeiten und Notwendigkeiten der auswärtigen Politik Deutschlands
die Mitte des Jahres 1897 bemessen; in der Begründung wie in den Neichs-
tagsverhandlungen ist immer wieder betont worden, daß der Flottenplan, der
spätestens bis zum Schluß des Etatsjahres 1903, das ist also bis zum
31. März 1904, durchgeführt werden muß, den damals, zur Zeit der Aus¬
arbeitung des Gesetzes geltenden Seeinteressen Deutschlands angepaßt ist. In
der kurzen Spanne von kaum zwei Jahren aber haben seitdem diese Seeinter¬
essen schon eine gewaltige Erweiterung erfahren: Unser Spezialseehandel ist
von 5^ Milliarden im Jahre 1897 auf 6V, Milliarden im Jahre 1898 ge¬
stiegen, unser Seeschiffahrtsverkehr dehnt sich ^ man kann sagen — täglich nach
Zahl, Wert und Größe der Schiffe wie nach Vielfältigkeit der Routen aus,
die Zahl der Neichsaugehörigen, die drüben im Erwerbsleben stehn, wächst
ständig, die Höhe deutschen Kapitals, das in fremden Ländern angelegt ist
und seine Zinsen nach der Heimat schickt, wird mit 15 bis 20 Milliarden Mark
nicht übertrieben taxiert sein; unser Kolonialbesitz hat sich durch die Pachtung
von Kiautschou mit der Provinz Schankung als Hinterland und den Kauf
Mikronesiens — vielleicht auch durch das deutsch-englische Abkommen über
Südafrika — bedeutend erweitert und stellt nunmehr an die Kriegsmarine
neue und große Aufgaben. Aber nicht nur unsre Seeinteressen haben sich in
dieser kurzen Zeit vergrößert und werden gewiß von Jahr zu Jahr weiter
wachsen, auch die politische Konstellation hat seit Mitte des Jahres 1897 Ver¬
schiebungen erfahren, die die Bedeutung der Seemacht recht eindringlich ein¬
schärfen.
Vor allem hat der Ausgang des spanisch-amerikanischen Kriegs in den
Vereinigten Staaten eine Großmacht ersten Ranges in die Weltpolitik ver¬
flochten. Die Kehrseite der Monroedoktrin, daß, wenn Amerika für die Ameri¬
kaner sei, Amerika sich auch auf Amerika beschränke, gilt nicht mehr: die Union
spricht nun ein Wort mit in allen Welthändeln, und sie ist mit Eifer und
Nachdruck bedacht, das Instrument ihrer Politik, die Kriegsflotte zu verstärken.
In Großbritannien hat der Imperialismus jetzt schon zu einer gewaltigen Ver¬
mehrung der Marine geführt, die von allen Parteien, einschließlich den radi¬
kalsten Sozialdemokraten, gebilligt wird. Nußland weist gleichfalls seit kurzem
das Bestreben der Flottenverstärknng auf; seit 1397 ist sein Marinebudget von
134 auf 187 Millionen gestiegen. Frankreich ist unablässig in Versuchen und
Erfindungen, seine Flotte leistungsfähiger zu machen. In Japan erwächst
eine große Seemacht in Ostasien. Alle diese Staaten wissen, daß eine Auf¬
teilung der Erde begonnen hat: China, Afrika, vielleicht Südamerika sind der
Preis, um den gerungen wird — mit handelspolitischen Maßnahmen, mit
diplomatischen Künsten, mit den Machtmitteln des Staats. Deutschland kann
hier um seiner Existenz willen nicht zurückbleiben. Will es leben, so muß es
Seefahrer, will es Seefahrer, so bedarf es der Seegeltung. Landheere und
Bündnisverträge spielen in der Weltpolitik nnr eine subsidiäre Rolle, als
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