Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Möglichkeiten und Notwendigkeiten der auswärtigen Politik Deutschlands Kaiserkrone kämpfen sollte. Dreimal dnrchhieb er den gordischen Knoten mit Ans dem Lande haben wir dieser Notwendigkeit gehorcht. Zur See stehn "Seitdem ein Großstaat ohne wirtschaftliche Weltinteressen undenkbar ge¬ Möglichkeiten und Notwendigkeiten der auswärtigen Politik Deutschlands Kaiserkrone kämpfen sollte. Dreimal dnrchhieb er den gordischen Knoten mit Ans dem Lande haben wir dieser Notwendigkeit gehorcht. Zur See stehn „Seitdem ein Großstaat ohne wirtschaftliche Weltinteressen undenkbar ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0019" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231189"/> <fw type="header" place="top"> Möglichkeiten und Notwendigkeiten der auswärtigen Politik Deutschlands</fw><lb/> <p xml:id="ID_26" prev="#ID_25"> Kaiserkrone kämpfen sollte. Dreimal dnrchhieb er den gordischen Knoten mit<lb/> scharfem Streiche. War für ihn mich der Krieg nnr die Fortsetzung der<lb/> Politik mit andern Mitteln, so hat doch sein Genie von Anfang an erkannt,<lb/> daß ohne Blut und Eisen weltgeschichtliche Thaten nicht vollbracht werden.<lb/> Er hat oft verkündet, man müsse den Krieg hinausschieben, so lauge es irgend<lb/> gehe, aber er hat sich und der Welt niemals verhehlt, daß der Krieg doch die<lb/> ultima, ratio der Diplomatie sei. Auch Bündnisse vermögen die Entscheidung<lb/> um Lebensfragen der Nation nicht für alle Zeiten aus dem Bereiche der<lb/> Waffen zu heben. Wer die „Gedanken und Erinnerungen" liest, wird staunen,<lb/> mit welcher Skepsis der Schöpfer der deutsch-österreichischen Allianz und des<lb/> Dreibunds von Bündnissen spricht; so z. B. (Band II, S. 249): „Die Halt¬<lb/> barkeit aller Verträge zwischen Großstaaten ist eine bedingte, sobald sie »im<lb/> Kampf ums Dasein« auf die Probe gestellt wird. Keine große Nation wird<lb/> je zu bewegen sein, ihr Bestehen auf dem Altar der Vertragstreue zu opfern,<lb/> wenn sie gezwungen ist, zwischen beiden zu wählen. Das ultrg. xc>886 ngmo<lb/> obli^or kann durch keine Vertragsklausel außer Kraft gesetzt werden." Darum<lb/> war Anfang und Ende der Vismarckischen Politik, Deutschland-Preußen für<lb/> sich allein wehrhaft zu machen. Die Waffen entscheiden über die Welt!</p><lb/> <p xml:id="ID_27"> Ans dem Lande haben wir dieser Notwendigkeit gehorcht. Zur See stehn<lb/> wir erst im Anfange des Wegs. Erkennen wir an, daß wir keine Möglichkeit<lb/> haben, auf unsern Anteil an der Weltmacht und der Weltwirtschaft zu ver¬<lb/> zichten, ohne als Großstaat und Kulturvolk abzudanken, so müssen wir auch<lb/> die Folgerungen ziehn und unsrer Politik das für die Entscheidung brauchbare<lb/> Werkzeug liefern. Das aber ist die Kriegsflotte; diplomatische Künste und<lb/> Bündnisverträge nützen uus ohne sie heutzutage, wo sich unsre Rivalen in<lb/> der Welt auf starke Flotten stützen, nur wenig. Wenn ein agrarisches Blatt<lb/> uulüugst schrieb, es sei freilich nicht so ganz einfach, gleichzeitig im Dreibund<lb/> sowie in gutem Verhältnis zum Zweibund und infolge dieses Rückhalts anch<lb/> zu England zu stehn, aber es gebe bei den mannigfaltigen Beziehungen der<lb/> Staaten überhaupt keine einfache Formel, sie würden immer ein hier enger,<lb/> dort loser geknüpftes Netz bilden, und es komme nur darauf an, „daß unsre<lb/> Diplomatie wie die Spinne in der Mitte dieses Netzes sitzt," so ist zu dieser<lb/> naiven Theorie zu bemerken, daß — um im Bilde zu bleiben — auch die<lb/> Spinne des Netzes umsonst inmitten sitzen würde, wenn sie nicht mit scharfem<lb/> Gebiß und flinken Füßen zur Vernichtung ihrer Widersacher bewehrt wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_28" next="#ID_29"> „Seitdem ein Großstaat ohne wirtschaftliche Weltinteressen undenkbar ge¬<lb/> worden ist, ist auch ein wahrer Großstaat ohne Seemacht nicht mehr zu<lb/> denken." Dieses Wort Friedrich Ratzels ist in seiner epigrammatischen Kürze<lb/> die wirkungsvollste Fürsprache für die Kriegsflotte. Für ihren Ausbau ist<lb/> mit dem Gesetz vom 10. April 1898 eine feste Grundlage geschaffen worden.<lb/> Aber dieses Fundament ist in seinen Dimensionen nach den Verhältnissen um</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0019]
Möglichkeiten und Notwendigkeiten der auswärtigen Politik Deutschlands
Kaiserkrone kämpfen sollte. Dreimal dnrchhieb er den gordischen Knoten mit
scharfem Streiche. War für ihn mich der Krieg nnr die Fortsetzung der
Politik mit andern Mitteln, so hat doch sein Genie von Anfang an erkannt,
daß ohne Blut und Eisen weltgeschichtliche Thaten nicht vollbracht werden.
Er hat oft verkündet, man müsse den Krieg hinausschieben, so lauge es irgend
gehe, aber er hat sich und der Welt niemals verhehlt, daß der Krieg doch die
ultima, ratio der Diplomatie sei. Auch Bündnisse vermögen die Entscheidung
um Lebensfragen der Nation nicht für alle Zeiten aus dem Bereiche der
Waffen zu heben. Wer die „Gedanken und Erinnerungen" liest, wird staunen,
mit welcher Skepsis der Schöpfer der deutsch-österreichischen Allianz und des
Dreibunds von Bündnissen spricht; so z. B. (Band II, S. 249): „Die Halt¬
barkeit aller Verträge zwischen Großstaaten ist eine bedingte, sobald sie »im
Kampf ums Dasein« auf die Probe gestellt wird. Keine große Nation wird
je zu bewegen sein, ihr Bestehen auf dem Altar der Vertragstreue zu opfern,
wenn sie gezwungen ist, zwischen beiden zu wählen. Das ultrg. xc>886 ngmo
obli^or kann durch keine Vertragsklausel außer Kraft gesetzt werden." Darum
war Anfang und Ende der Vismarckischen Politik, Deutschland-Preußen für
sich allein wehrhaft zu machen. Die Waffen entscheiden über die Welt!
Ans dem Lande haben wir dieser Notwendigkeit gehorcht. Zur See stehn
wir erst im Anfange des Wegs. Erkennen wir an, daß wir keine Möglichkeit
haben, auf unsern Anteil an der Weltmacht und der Weltwirtschaft zu ver¬
zichten, ohne als Großstaat und Kulturvolk abzudanken, so müssen wir auch
die Folgerungen ziehn und unsrer Politik das für die Entscheidung brauchbare
Werkzeug liefern. Das aber ist die Kriegsflotte; diplomatische Künste und
Bündnisverträge nützen uus ohne sie heutzutage, wo sich unsre Rivalen in
der Welt auf starke Flotten stützen, nur wenig. Wenn ein agrarisches Blatt
uulüugst schrieb, es sei freilich nicht so ganz einfach, gleichzeitig im Dreibund
sowie in gutem Verhältnis zum Zweibund und infolge dieses Rückhalts anch
zu England zu stehn, aber es gebe bei den mannigfaltigen Beziehungen der
Staaten überhaupt keine einfache Formel, sie würden immer ein hier enger,
dort loser geknüpftes Netz bilden, und es komme nur darauf an, „daß unsre
Diplomatie wie die Spinne in der Mitte dieses Netzes sitzt," so ist zu dieser
naiven Theorie zu bemerken, daß — um im Bilde zu bleiben — auch die
Spinne des Netzes umsonst inmitten sitzen würde, wenn sie nicht mit scharfem
Gebiß und flinken Füßen zur Vernichtung ihrer Widersacher bewehrt wäre.
„Seitdem ein Großstaat ohne wirtschaftliche Weltinteressen undenkbar ge¬
worden ist, ist auch ein wahrer Großstaat ohne Seemacht nicht mehr zu
denken." Dieses Wort Friedrich Ratzels ist in seiner epigrammatischen Kürze
die wirkungsvollste Fürsprache für die Kriegsflotte. Für ihren Ausbau ist
mit dem Gesetz vom 10. April 1898 eine feste Grundlage geschaffen worden.
Aber dieses Fundament ist in seinen Dimensionen nach den Verhältnissen um
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