Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches der Berechtigung und den Aussichten von Schuhzoll und Freihandel beschäftigen. Die Freihandelstheorie, meint er, übertrage die für das Inland anerkannten Sehr gut charakterisiert Philippovich den "schwachen Punkt" dieser Theorie. Ju dieser Notwendigkeit, führt er dann weiter ans, bestehende Prodnktions- Nach einer klaren und uubefmignen Würdigung der praktischen Konsequenzen Maßgebliches und Unmaßgebliches der Berechtigung und den Aussichten von Schuhzoll und Freihandel beschäftigen. Die Freihandelstheorie, meint er, übertrage die für das Inland anerkannten Sehr gut charakterisiert Philippovich den „schwachen Punkt" dieser Theorie. Ju dieser Notwendigkeit, führt er dann weiter ans, bestehende Prodnktions- Nach einer klaren und uubefmignen Würdigung der praktischen Konsequenzen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0195" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231365"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_612" prev="#ID_611"> der Berechtigung und den Aussichten von Schuhzoll und Freihandel beschäftigen.<lb/> Das Schlagwort vom „Schuh der nationale» Arbeit" gerät in seinen Konsequenzen<lb/> denn doch etwas scharf in Kollision mit dem Schlagwort vom „Zeichen des Ver¬<lb/> kehrs," und wenn die deutsche Wissenschaft nicht beizeiten dazwischen fährt, könnte<lb/> es leicht geschehn, daß die deutsche Politik, indem sie beiden Schlagworten gerecht<lb/> werden will, die nationale Arbeit ruiniert, statt sie zu Schuhen, und den Verkehr<lb/> abgräbt, statt ihn fruchtbar zu machen. Es ist deshalb erfreulich, daß der Wiener<lb/> Professor der Staatswissenschaften Dr. von Philippovich in dem eben erschienenen<lb/> zweiten, die Volkswirtschaftspolitik behandelnden Bande seines Grundrisses der Poli¬<lb/> tischen Ökonomie (Freiburg i, B., I. C. B. Mohr) dem Kapitel „Schutzzoll und<lb/> Freihandel" vom wissenschaftlichen Standpunkte ans wieder einmal etwas ernsthafter<lb/> zuleide geht.</p><lb/> <p xml:id="ID_613"> Die Freihandelstheorie, meint er, übertrage die für das Inland anerkannten<lb/> Grundsätze des Freihandelsverkehrs auf den Verkehr der Nationen und sehe des¬<lb/> halb im freien Außenhandel das Mittel 1. zur besten Produktionsverteilung;<lb/> 2. zu der für die regelmäßige Bedürfnisbefriedigung günstigsten Versorgung des<lb/> Markes; sie erwarte 3. daß durch die allseitige Konkurrenz, die im Gefolge des<lb/> Freihandels auftritt, jeder Stillstand in der Technik, in der wirtschaftlichen Orga¬<lb/> nisation sowohl der Produktiv» wie des Verkehrs vermieden werde, während die<lb/> Sicherung rentabler Preise für die gegebne Produktion durch staatlichen Schutz<lb/> rückständige Produktiousformeu konserviere und Antriebe zu Verbesserungen hemme;<lb/> sie sehe endlich 4. tu der durch den Freihandel geförderten allseitigen Berührung<lb/> jedes Volks mit allen andern ein unvergleichliches Mittel, den Kulturkreis zu erweitern,<lb/> Interessengemeinschaften zu schaffen und die Gleichmäßigkeit des wirtschaftlichen<lb/> Fortschritts wie der allgemeinen Kulturentwicklung der Völker zu unterstützen.</p><lb/> <p xml:id="ID_614"> Sehr gut charakterisiert Philippovich den „schwachen Punkt" dieser Theorie.<lb/> Er liegt nach ihm in dem Übersehen der Thatsache, daß die gegebnen Produktions¬<lb/> und Knltnrstände „historisch" geworden seien, auf staatlich und national getrennten<lb/> Volksgemeinschaften beruhten, die neben weltwirtschaftlichen Interessen zahlreiche<lb/> Sonderinteressen realer und eingebildeter Art hätten, die bewirkten, daß die Welt¬<lb/> wirtschaftlich beste Prodnktivnsverteilnng nicht immer als die für ihre Gemeinschaft<lb/> nützlichste zur Geltung komme. Würden der Freihandclsverkehr und die damit ver-<lb/> bundne Verbillignng der Produkte erkauft werden müssen durch ausgedehnte Knpital-<lb/> entwertnngen, Lohnmindernngen, Arbeiterentlassungen, so könnte das schwerer em¬<lb/> pfunden werden als die beim Schutzsystem gegebne Verteuerung einzelner Produkte.</p><lb/> <p xml:id="ID_615"> Ju dieser Notwendigkeit, führt er dann weiter ans, bestehende Prodnktions-<lb/> vrganisationen vor Erschütterungen zu bewahren, habe der Schutzzoll seine stärkste<lb/> Begründung, neben der nur noch die von List gebrauchte, der den Schutzzoll als<lb/> Erziehuugszoll betrachte, auf unbestreitbaren Erwägungen beruhe. Die Begründung<lb/> der Schutzsysteme seit 1378 greife aber weiter, indem sie den Schutz sei es der<lb/> gesamten Industrie, sei es der nationalen Arbeit überhaupt für berechtigt erkläre.</p><lb/> <p xml:id="ID_616" next="#ID_617"> Nach einer klaren und uubefmignen Würdigung der praktischen Konsequenzen<lb/> des Schutzsystems gelangt er dann zu dem Ergebnis, daß die „wahrscheinliche Linie<lb/> der künftigen Entwicklung" insofern festgelegt sei, als „der nationalen Abschließung<lb/> innere Gründe der Unausführbarkeit," dagegen „dem Freihandel historische und daher<lb/> veränderliche Zustände" entgegentraten: „Die Verbesserung und Verbillignng der<lb/> Verkehrsmittel und das Wachsen des internationalen Verkehrs, Kapitalanlagen und<lb/> Gründung von Unternehmungen, die Differenzierung der Produktion, das Wachsen<lb/> der Bevölkerung mit seinem Druck ans die Ausdehnung der Produktion und seinein</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0195]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
der Berechtigung und den Aussichten von Schuhzoll und Freihandel beschäftigen.
Das Schlagwort vom „Schuh der nationale» Arbeit" gerät in seinen Konsequenzen
denn doch etwas scharf in Kollision mit dem Schlagwort vom „Zeichen des Ver¬
kehrs," und wenn die deutsche Wissenschaft nicht beizeiten dazwischen fährt, könnte
es leicht geschehn, daß die deutsche Politik, indem sie beiden Schlagworten gerecht
werden will, die nationale Arbeit ruiniert, statt sie zu Schuhen, und den Verkehr
abgräbt, statt ihn fruchtbar zu machen. Es ist deshalb erfreulich, daß der Wiener
Professor der Staatswissenschaften Dr. von Philippovich in dem eben erschienenen
zweiten, die Volkswirtschaftspolitik behandelnden Bande seines Grundrisses der Poli¬
tischen Ökonomie (Freiburg i, B., I. C. B. Mohr) dem Kapitel „Schutzzoll und
Freihandel" vom wissenschaftlichen Standpunkte ans wieder einmal etwas ernsthafter
zuleide geht.
Die Freihandelstheorie, meint er, übertrage die für das Inland anerkannten
Grundsätze des Freihandelsverkehrs auf den Verkehr der Nationen und sehe des¬
halb im freien Außenhandel das Mittel 1. zur besten Produktionsverteilung;
2. zu der für die regelmäßige Bedürfnisbefriedigung günstigsten Versorgung des
Markes; sie erwarte 3. daß durch die allseitige Konkurrenz, die im Gefolge des
Freihandels auftritt, jeder Stillstand in der Technik, in der wirtschaftlichen Orga¬
nisation sowohl der Produktiv» wie des Verkehrs vermieden werde, während die
Sicherung rentabler Preise für die gegebne Produktion durch staatlichen Schutz
rückständige Produktiousformeu konserviere und Antriebe zu Verbesserungen hemme;
sie sehe endlich 4. tu der durch den Freihandel geförderten allseitigen Berührung
jedes Volks mit allen andern ein unvergleichliches Mittel, den Kulturkreis zu erweitern,
Interessengemeinschaften zu schaffen und die Gleichmäßigkeit des wirtschaftlichen
Fortschritts wie der allgemeinen Kulturentwicklung der Völker zu unterstützen.
Sehr gut charakterisiert Philippovich den „schwachen Punkt" dieser Theorie.
Er liegt nach ihm in dem Übersehen der Thatsache, daß die gegebnen Produktions¬
und Knltnrstände „historisch" geworden seien, auf staatlich und national getrennten
Volksgemeinschaften beruhten, die neben weltwirtschaftlichen Interessen zahlreiche
Sonderinteressen realer und eingebildeter Art hätten, die bewirkten, daß die Welt¬
wirtschaftlich beste Prodnktivnsverteilnng nicht immer als die für ihre Gemeinschaft
nützlichste zur Geltung komme. Würden der Freihandclsverkehr und die damit ver-
bundne Verbillignng der Produkte erkauft werden müssen durch ausgedehnte Knpital-
entwertnngen, Lohnmindernngen, Arbeiterentlassungen, so könnte das schwerer em¬
pfunden werden als die beim Schutzsystem gegebne Verteuerung einzelner Produkte.
Ju dieser Notwendigkeit, führt er dann weiter ans, bestehende Prodnktions-
vrganisationen vor Erschütterungen zu bewahren, habe der Schutzzoll seine stärkste
Begründung, neben der nur noch die von List gebrauchte, der den Schutzzoll als
Erziehuugszoll betrachte, auf unbestreitbaren Erwägungen beruhe. Die Begründung
der Schutzsysteme seit 1378 greife aber weiter, indem sie den Schutz sei es der
gesamten Industrie, sei es der nationalen Arbeit überhaupt für berechtigt erkläre.
Nach einer klaren und uubefmignen Würdigung der praktischen Konsequenzen
des Schutzsystems gelangt er dann zu dem Ergebnis, daß die „wahrscheinliche Linie
der künftigen Entwicklung" insofern festgelegt sei, als „der nationalen Abschließung
innere Gründe der Unausführbarkeit," dagegen „dem Freihandel historische und daher
veränderliche Zustände" entgegentraten: „Die Verbesserung und Verbillignng der
Verkehrsmittel und das Wachsen des internationalen Verkehrs, Kapitalanlagen und
Gründung von Unternehmungen, die Differenzierung der Produktion, das Wachsen
der Bevölkerung mit seinem Druck ans die Ausdehnung der Produktion und seinein
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