Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
lVie Bayern ein moderner 5kaat wurde

Dienste genommen und stand bis 1789 als Oberst mit seinem Regiment in
Straßburg. Beim Ausbruch der französischen Revolution zog er sich nach
Mannheim zurück und lebte ganz seiner Familie, bis ihm der Tod seines ältern
Bruders im Jahre 1795 den Titel eines Herzogs von Zweibrücken -- das
Ländchen war schon von den Franzosen in Beschlag genommen -- und die
Anwartschaft auf das Kurfürstentum Bayern zubrachte. Zwar hatte sich
Kurfürst Karl Theodor noch einmal im hohen Alter vermählt, doch war die
Ehe kinderlos geblieben.

Am 12. März 1799 zog Max Joseph mit seiner zweiten Gemahlin
Karoline von Baden, umgeben von Söhnen und Töchtern, in München ein.
Weder durch die Größe des Charakters und Willens, noch durch die Größe
des Verstandes und Geistes unterschied sich der neue Landesherr von seinen
Bayern; aber er hatte doch viele Eigenschaften, die beim Fürsten wie beim
Privatmann anziehend sind. In der äußern Erscheinung, in dem ganzen Thun
und Lassen des heitern, lebensfrischen Mannes sprach sich wahres, menschliches
Wohlwollen aus; am liebsten hätte er jede Familie seines Landes in einer
behaglichen Lage gewußt, unglücklich mochte er niemand sehen, und wenn ihm
Not unmittelbar vor Augen kam, war es ihm sast nicht möglich, den Versuch
zur Hilfe zu unterlassen. Auch hatte er, wie Steub versichert, immer eine
kleine Schwäche für fröhliche Gesellen, die es mit dem Leben leicht nahmen,
trug oftmals Sorge für unbemittelte Familien, die gern Champagner tranken,
und bezahlte nichts lieber als fremde Schulden. Mit heiterm Humor und
unbefangner Teilnahme trat er Hohen und Nieder" entgegen, hatte auch für
den Geringsten ein freundliches Wort und bereitete gern selbst Fernstehenden
unerwartet einen frohen Augenblick. Angeber waren ihm widerwärtig, Straf¬
urteile milderte er oft, freigebig war er ohne Maß, geliebt wollte er von allen
sein. Ein guter Ehemann und guter Vater, lebte er ein einfaches, mäßiges
Leben; früh legte er sich zur Ruhe, spätestens sechs Uhr stand er auf und
erteilte schon um diese Zeit formlose Audienzen; vom Prunke war er ein
Feind. Als er in spätern Jahren Tegernsee erwarb, richtete er sich dort ganz
seinen Neigungen entsprechend ein; Blumen und Singvögel füllten seine Zimmer;
die mit dem wunderbaren Reiz der Voralpen ausgestattete Natur begünstigte
das fürstliche Stillleben; weit und breit in der Umgegend war er persönlich
gekannt, hier hatte er eine stattliche Kuh geschenkt, dort die Hochzeit aus¬
gerichtet; in manchem Hause erschien er als Pate, und viele dankten ihm
Hilfe in großer Not.

Die Bayern freuten sich ihres Fürsten und hingen ihm an. Viele Züge,
die von der Güte seines Herzens Kunde geben, manches herzliche Wort, das er
gesprochen hatte, wurde im Lande wiedererzählt; weil wir dich nur haben, Maxl,
ist alles gut, sagte der Münchner Bürger; nicht leicht nannte ein bayrischer
Schriftsteller seinen Namen, ohne ein Wort warmer Anerkennung hinzuzufügen,


Grenzboten ZI 18W 10
lVie Bayern ein moderner 5kaat wurde

Dienste genommen und stand bis 1789 als Oberst mit seinem Regiment in
Straßburg. Beim Ausbruch der französischen Revolution zog er sich nach
Mannheim zurück und lebte ganz seiner Familie, bis ihm der Tod seines ältern
Bruders im Jahre 1795 den Titel eines Herzogs von Zweibrücken — das
Ländchen war schon von den Franzosen in Beschlag genommen — und die
Anwartschaft auf das Kurfürstentum Bayern zubrachte. Zwar hatte sich
Kurfürst Karl Theodor noch einmal im hohen Alter vermählt, doch war die
Ehe kinderlos geblieben.

Am 12. März 1799 zog Max Joseph mit seiner zweiten Gemahlin
Karoline von Baden, umgeben von Söhnen und Töchtern, in München ein.
Weder durch die Größe des Charakters und Willens, noch durch die Größe
des Verstandes und Geistes unterschied sich der neue Landesherr von seinen
Bayern; aber er hatte doch viele Eigenschaften, die beim Fürsten wie beim
Privatmann anziehend sind. In der äußern Erscheinung, in dem ganzen Thun
und Lassen des heitern, lebensfrischen Mannes sprach sich wahres, menschliches
Wohlwollen aus; am liebsten hätte er jede Familie seines Landes in einer
behaglichen Lage gewußt, unglücklich mochte er niemand sehen, und wenn ihm
Not unmittelbar vor Augen kam, war es ihm sast nicht möglich, den Versuch
zur Hilfe zu unterlassen. Auch hatte er, wie Steub versichert, immer eine
kleine Schwäche für fröhliche Gesellen, die es mit dem Leben leicht nahmen,
trug oftmals Sorge für unbemittelte Familien, die gern Champagner tranken,
und bezahlte nichts lieber als fremde Schulden. Mit heiterm Humor und
unbefangner Teilnahme trat er Hohen und Nieder» entgegen, hatte auch für
den Geringsten ein freundliches Wort und bereitete gern selbst Fernstehenden
unerwartet einen frohen Augenblick. Angeber waren ihm widerwärtig, Straf¬
urteile milderte er oft, freigebig war er ohne Maß, geliebt wollte er von allen
sein. Ein guter Ehemann und guter Vater, lebte er ein einfaches, mäßiges
Leben; früh legte er sich zur Ruhe, spätestens sechs Uhr stand er auf und
erteilte schon um diese Zeit formlose Audienzen; vom Prunke war er ein
Feind. Als er in spätern Jahren Tegernsee erwarb, richtete er sich dort ganz
seinen Neigungen entsprechend ein; Blumen und Singvögel füllten seine Zimmer;
die mit dem wunderbaren Reiz der Voralpen ausgestattete Natur begünstigte
das fürstliche Stillleben; weit und breit in der Umgegend war er persönlich
gekannt, hier hatte er eine stattliche Kuh geschenkt, dort die Hochzeit aus¬
gerichtet; in manchem Hause erschien er als Pate, und viele dankten ihm
Hilfe in großer Not.

Die Bayern freuten sich ihres Fürsten und hingen ihm an. Viele Züge,
die von der Güte seines Herzens Kunde geben, manches herzliche Wort, das er
gesprochen hatte, wurde im Lande wiedererzählt; weil wir dich nur haben, Maxl,
ist alles gut, sagte der Münchner Bürger; nicht leicht nannte ein bayrischer
Schriftsteller seinen Namen, ohne ein Wort warmer Anerkennung hinzuzufügen,


Grenzboten ZI 18W 10
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0081" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/230513"/>
          <fw type="header" place="top"> lVie Bayern ein moderner 5kaat wurde</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_252" prev="#ID_251"> Dienste genommen und stand bis 1789 als Oberst mit seinem Regiment in<lb/>
Straßburg. Beim Ausbruch der französischen Revolution zog er sich nach<lb/>
Mannheim zurück und lebte ganz seiner Familie, bis ihm der Tod seines ältern<lb/>
Bruders im Jahre 1795 den Titel eines Herzogs von Zweibrücken &#x2014; das<lb/>
Ländchen war schon von den Franzosen in Beschlag genommen &#x2014; und die<lb/>
Anwartschaft auf das Kurfürstentum Bayern zubrachte. Zwar hatte sich<lb/>
Kurfürst Karl Theodor noch einmal im hohen Alter vermählt, doch war die<lb/>
Ehe kinderlos geblieben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_253"> Am 12. März 1799 zog Max Joseph mit seiner zweiten Gemahlin<lb/>
Karoline von Baden, umgeben von Söhnen und Töchtern, in München ein.<lb/>
Weder durch die Größe des Charakters und Willens, noch durch die Größe<lb/>
des Verstandes und Geistes unterschied sich der neue Landesherr von seinen<lb/>
Bayern; aber er hatte doch viele Eigenschaften, die beim Fürsten wie beim<lb/>
Privatmann anziehend sind. In der äußern Erscheinung, in dem ganzen Thun<lb/>
und Lassen des heitern, lebensfrischen Mannes sprach sich wahres, menschliches<lb/>
Wohlwollen aus; am liebsten hätte er jede Familie seines Landes in einer<lb/>
behaglichen Lage gewußt, unglücklich mochte er niemand sehen, und wenn ihm<lb/>
Not unmittelbar vor Augen kam, war es ihm sast nicht möglich, den Versuch<lb/>
zur Hilfe zu unterlassen. Auch hatte er, wie Steub versichert, immer eine<lb/>
kleine Schwäche für fröhliche Gesellen, die es mit dem Leben leicht nahmen,<lb/>
trug oftmals Sorge für unbemittelte Familien, die gern Champagner tranken,<lb/>
und bezahlte nichts lieber als fremde Schulden. Mit heiterm Humor und<lb/>
unbefangner Teilnahme trat er Hohen und Nieder» entgegen, hatte auch für<lb/>
den Geringsten ein freundliches Wort und bereitete gern selbst Fernstehenden<lb/>
unerwartet einen frohen Augenblick. Angeber waren ihm widerwärtig, Straf¬<lb/>
urteile milderte er oft, freigebig war er ohne Maß, geliebt wollte er von allen<lb/>
sein. Ein guter Ehemann und guter Vater, lebte er ein einfaches, mäßiges<lb/>
Leben; früh legte er sich zur Ruhe, spätestens sechs Uhr stand er auf und<lb/>
erteilte schon um diese Zeit formlose Audienzen; vom Prunke war er ein<lb/>
Feind. Als er in spätern Jahren Tegernsee erwarb, richtete er sich dort ganz<lb/>
seinen Neigungen entsprechend ein; Blumen und Singvögel füllten seine Zimmer;<lb/>
die mit dem wunderbaren Reiz der Voralpen ausgestattete Natur begünstigte<lb/>
das fürstliche Stillleben; weit und breit in der Umgegend war er persönlich<lb/>
gekannt, hier hatte er eine stattliche Kuh geschenkt, dort die Hochzeit aus¬<lb/>
gerichtet; in manchem Hause erschien er als Pate, und viele dankten ihm<lb/>
Hilfe in großer Not.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_254" next="#ID_255"> Die Bayern freuten sich ihres Fürsten und hingen ihm an. Viele Züge,<lb/>
die von der Güte seines Herzens Kunde geben, manches herzliche Wort, das er<lb/>
gesprochen hatte, wurde im Lande wiedererzählt; weil wir dich nur haben, Maxl,<lb/>
ist alles gut, sagte der Münchner Bürger; nicht leicht nannte ein bayrischer<lb/>
Schriftsteller seinen Namen, ohne ein Wort warmer Anerkennung hinzuzufügen,</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten ZI 18W 10</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0081] lVie Bayern ein moderner 5kaat wurde Dienste genommen und stand bis 1789 als Oberst mit seinem Regiment in Straßburg. Beim Ausbruch der französischen Revolution zog er sich nach Mannheim zurück und lebte ganz seiner Familie, bis ihm der Tod seines ältern Bruders im Jahre 1795 den Titel eines Herzogs von Zweibrücken — das Ländchen war schon von den Franzosen in Beschlag genommen — und die Anwartschaft auf das Kurfürstentum Bayern zubrachte. Zwar hatte sich Kurfürst Karl Theodor noch einmal im hohen Alter vermählt, doch war die Ehe kinderlos geblieben. Am 12. März 1799 zog Max Joseph mit seiner zweiten Gemahlin Karoline von Baden, umgeben von Söhnen und Töchtern, in München ein. Weder durch die Größe des Charakters und Willens, noch durch die Größe des Verstandes und Geistes unterschied sich der neue Landesherr von seinen Bayern; aber er hatte doch viele Eigenschaften, die beim Fürsten wie beim Privatmann anziehend sind. In der äußern Erscheinung, in dem ganzen Thun und Lassen des heitern, lebensfrischen Mannes sprach sich wahres, menschliches Wohlwollen aus; am liebsten hätte er jede Familie seines Landes in einer behaglichen Lage gewußt, unglücklich mochte er niemand sehen, und wenn ihm Not unmittelbar vor Augen kam, war es ihm sast nicht möglich, den Versuch zur Hilfe zu unterlassen. Auch hatte er, wie Steub versichert, immer eine kleine Schwäche für fröhliche Gesellen, die es mit dem Leben leicht nahmen, trug oftmals Sorge für unbemittelte Familien, die gern Champagner tranken, und bezahlte nichts lieber als fremde Schulden. Mit heiterm Humor und unbefangner Teilnahme trat er Hohen und Nieder» entgegen, hatte auch für den Geringsten ein freundliches Wort und bereitete gern selbst Fernstehenden unerwartet einen frohen Augenblick. Angeber waren ihm widerwärtig, Straf¬ urteile milderte er oft, freigebig war er ohne Maß, geliebt wollte er von allen sein. Ein guter Ehemann und guter Vater, lebte er ein einfaches, mäßiges Leben; früh legte er sich zur Ruhe, spätestens sechs Uhr stand er auf und erteilte schon um diese Zeit formlose Audienzen; vom Prunke war er ein Feind. Als er in spätern Jahren Tegernsee erwarb, richtete er sich dort ganz seinen Neigungen entsprechend ein; Blumen und Singvögel füllten seine Zimmer; die mit dem wunderbaren Reiz der Voralpen ausgestattete Natur begünstigte das fürstliche Stillleben; weit und breit in der Umgegend war er persönlich gekannt, hier hatte er eine stattliche Kuh geschenkt, dort die Hochzeit aus¬ gerichtet; in manchem Hause erschien er als Pate, und viele dankten ihm Hilfe in großer Not. Die Bayern freuten sich ihres Fürsten und hingen ihm an. Viele Züge, die von der Güte seines Herzens Kunde geben, manches herzliche Wort, das er gesprochen hatte, wurde im Lande wiedererzählt; weil wir dich nur haben, Maxl, ist alles gut, sagte der Münchner Bürger; nicht leicht nannte ein bayrischer Schriftsteller seinen Namen, ohne ein Wort warmer Anerkennung hinzuzufügen, Grenzboten ZI 18W 10

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/81
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/81>, abgerufen am 28.09.2024.