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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Heines Verhältnis zu tvolfgang Menzel

licher Mann und ein Gelehrter, den müssen Sie kennenlernen, an dem werden
wir noch viel Freude erleben, der hat viel Courage, der ist ein grundehrlicher
Mann und ein großer Gelehrter."

Der beste Beweis für meine Behauptung, daß Menzel als Führer der
jungen Schriftstellergruppe anzusehen sei, läßt sich jedoch aus den Schriften
dieser Schriftsteller selbst erbringen. Und zwar bezeichnen sie Menzel geradezu
als ihren Führer. So schreibt Gutzkow im zweiten Bande seine Vierteljahrs¬
schrift "Forum der Litteratur" 1831: "Menzel hat es zum erstenmale frei
ausgesprochen, daß in unsrer sturmbewegten Zeit ein andrer Hauch durch die
Saiten wehen muß als künstlicher Blasebalgwind und ein ander Feuer in uns
lodern als ein künstlich angefachtes Zunderfeuer. . . . Wer jetzt in die Saiten
greifen will und angehört zu werden beabsichtigt, muß die Vergangenheit in
sich aufgehn lassen und mit prophetischem Seherblick uns die Zukunft ent¬
rätseln. Und die Wünsche und Hoffnungen vergangner Tage, ihre glorreiche
Erfüllung hier und ihr leises Verhalten dort -- das alles hat sich in Menzels
Brust konzentriert, seine Aufgabe ist, die ideale Konstruktion der Zukunft in
die Litteratur allseitig einzuführen, und darum bildet er für die Litteratur den
Anfang einer neuen Periode. Noch ringt auch Menzel mit den bösen Geistern
der Tiefe, und wir alle werden noch zu kämpfen haben mit den Ungetümen
einer trübseligen Vergangenheit. Doch sollen wir auch sinken und untergehn
im Kampfe, so werden doch auf unsern Gräbern Blumen blühen, die zum
Kranze gewunden ihr dem Sarg des heldenmütigen Vorkämpfers (d. h. Menzels)
weihen möget." Gutzkow bewahrte sich die Verehrung für Menzel, die aus
diesen hochtrabenden Phrasen klingt, auch dann noch, als er längst mit ihm
persönlich gebrochen hatte und von seinem anfänglichen Gocthehaß zurück¬
gekommen war. So schreibt er im Jahre 1339 über L. Wienbarg und dessen
"Ästhetische Feldzüge" ein Buch, das gewöhnlich als das Programm des Jungen
Deutschlands gilt: "L. Wienbarg war bestimmt, die unmittelbare bessere Fort¬
setzung W. Menzels zu werden; denn demselben Boden wie dieser entsprossen,
dieselben demokratischen Neigungen und Urteile über die Gesellschaft in sich
vereinigend, übertraf er ihn dadurch, daß er einen ästhetischen Takt sich er¬
worben hatte, Goethes Genius zu würdigen und das Neue, ohne es anch in
seinen Auswüchsen zu billigen, doch selbst in diesen noch zu genießen verstand."
Ja noch im Jahre 1852 schildert Gutzkow in seinem Buche "Aus der Knaben¬
zeit" mit warmen Worten den Eindruck, den Menzels "Deutsche Litteratur"
auf ihn machte. "Der erste Eindruck, schreibt er, war für mein Jugendgemüt
überwältigend. Für jede Form der Dichtkunst, für jede Disziplin der Wissen¬
schaft suchte Menzel die Verbindung mit den teuersten Gütern der Nation
herzustellen, mit dem Verlornen und zurückzuerobernden Palladium der National¬
größe, mit ständischer Freiheit, mit öffentlicher Jugenderziehung, mit Reform
nach allen Seiten hin." Ein ähnliches Bekenntnis über den tiefen Eindruck,


Heines Verhältnis zu tvolfgang Menzel

licher Mann und ein Gelehrter, den müssen Sie kennenlernen, an dem werden
wir noch viel Freude erleben, der hat viel Courage, der ist ein grundehrlicher
Mann und ein großer Gelehrter."

Der beste Beweis für meine Behauptung, daß Menzel als Führer der
jungen Schriftstellergruppe anzusehen sei, läßt sich jedoch aus den Schriften
dieser Schriftsteller selbst erbringen. Und zwar bezeichnen sie Menzel geradezu
als ihren Führer. So schreibt Gutzkow im zweiten Bande seine Vierteljahrs¬
schrift „Forum der Litteratur" 1831: „Menzel hat es zum erstenmale frei
ausgesprochen, daß in unsrer sturmbewegten Zeit ein andrer Hauch durch die
Saiten wehen muß als künstlicher Blasebalgwind und ein ander Feuer in uns
lodern als ein künstlich angefachtes Zunderfeuer. . . . Wer jetzt in die Saiten
greifen will und angehört zu werden beabsichtigt, muß die Vergangenheit in
sich aufgehn lassen und mit prophetischem Seherblick uns die Zukunft ent¬
rätseln. Und die Wünsche und Hoffnungen vergangner Tage, ihre glorreiche
Erfüllung hier und ihr leises Verhalten dort — das alles hat sich in Menzels
Brust konzentriert, seine Aufgabe ist, die ideale Konstruktion der Zukunft in
die Litteratur allseitig einzuführen, und darum bildet er für die Litteratur den
Anfang einer neuen Periode. Noch ringt auch Menzel mit den bösen Geistern
der Tiefe, und wir alle werden noch zu kämpfen haben mit den Ungetümen
einer trübseligen Vergangenheit. Doch sollen wir auch sinken und untergehn
im Kampfe, so werden doch auf unsern Gräbern Blumen blühen, die zum
Kranze gewunden ihr dem Sarg des heldenmütigen Vorkämpfers (d. h. Menzels)
weihen möget." Gutzkow bewahrte sich die Verehrung für Menzel, die aus
diesen hochtrabenden Phrasen klingt, auch dann noch, als er längst mit ihm
persönlich gebrochen hatte und von seinem anfänglichen Gocthehaß zurück¬
gekommen war. So schreibt er im Jahre 1339 über L. Wienbarg und dessen
„Ästhetische Feldzüge" ein Buch, das gewöhnlich als das Programm des Jungen
Deutschlands gilt: „L. Wienbarg war bestimmt, die unmittelbare bessere Fort¬
setzung W. Menzels zu werden; denn demselben Boden wie dieser entsprossen,
dieselben demokratischen Neigungen und Urteile über die Gesellschaft in sich
vereinigend, übertraf er ihn dadurch, daß er einen ästhetischen Takt sich er¬
worben hatte, Goethes Genius zu würdigen und das Neue, ohne es anch in
seinen Auswüchsen zu billigen, doch selbst in diesen noch zu genießen verstand."
Ja noch im Jahre 1852 schildert Gutzkow in seinem Buche „Aus der Knaben¬
zeit" mit warmen Worten den Eindruck, den Menzels „Deutsche Litteratur"
auf ihn machte. „Der erste Eindruck, schreibt er, war für mein Jugendgemüt
überwältigend. Für jede Form der Dichtkunst, für jede Disziplin der Wissen¬
schaft suchte Menzel die Verbindung mit den teuersten Gütern der Nation
herzustellen, mit dem Verlornen und zurückzuerobernden Palladium der National¬
größe, mit ständischer Freiheit, mit öffentlicher Jugenderziehung, mit Reform
nach allen Seiten hin." Ein ähnliches Bekenntnis über den tiefen Eindruck,


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[0704] Heines Verhältnis zu tvolfgang Menzel licher Mann und ein Gelehrter, den müssen Sie kennenlernen, an dem werden wir noch viel Freude erleben, der hat viel Courage, der ist ein grundehrlicher Mann und ein großer Gelehrter." Der beste Beweis für meine Behauptung, daß Menzel als Führer der jungen Schriftstellergruppe anzusehen sei, läßt sich jedoch aus den Schriften dieser Schriftsteller selbst erbringen. Und zwar bezeichnen sie Menzel geradezu als ihren Führer. So schreibt Gutzkow im zweiten Bande seine Vierteljahrs¬ schrift „Forum der Litteratur" 1831: „Menzel hat es zum erstenmale frei ausgesprochen, daß in unsrer sturmbewegten Zeit ein andrer Hauch durch die Saiten wehen muß als künstlicher Blasebalgwind und ein ander Feuer in uns lodern als ein künstlich angefachtes Zunderfeuer. . . . Wer jetzt in die Saiten greifen will und angehört zu werden beabsichtigt, muß die Vergangenheit in sich aufgehn lassen und mit prophetischem Seherblick uns die Zukunft ent¬ rätseln. Und die Wünsche und Hoffnungen vergangner Tage, ihre glorreiche Erfüllung hier und ihr leises Verhalten dort — das alles hat sich in Menzels Brust konzentriert, seine Aufgabe ist, die ideale Konstruktion der Zukunft in die Litteratur allseitig einzuführen, und darum bildet er für die Litteratur den Anfang einer neuen Periode. Noch ringt auch Menzel mit den bösen Geistern der Tiefe, und wir alle werden noch zu kämpfen haben mit den Ungetümen einer trübseligen Vergangenheit. Doch sollen wir auch sinken und untergehn im Kampfe, so werden doch auf unsern Gräbern Blumen blühen, die zum Kranze gewunden ihr dem Sarg des heldenmütigen Vorkämpfers (d. h. Menzels) weihen möget." Gutzkow bewahrte sich die Verehrung für Menzel, die aus diesen hochtrabenden Phrasen klingt, auch dann noch, als er längst mit ihm persönlich gebrochen hatte und von seinem anfänglichen Gocthehaß zurück¬ gekommen war. So schreibt er im Jahre 1339 über L. Wienbarg und dessen „Ästhetische Feldzüge" ein Buch, das gewöhnlich als das Programm des Jungen Deutschlands gilt: „L. Wienbarg war bestimmt, die unmittelbare bessere Fort¬ setzung W. Menzels zu werden; denn demselben Boden wie dieser entsprossen, dieselben demokratischen Neigungen und Urteile über die Gesellschaft in sich vereinigend, übertraf er ihn dadurch, daß er einen ästhetischen Takt sich er¬ worben hatte, Goethes Genius zu würdigen und das Neue, ohne es anch in seinen Auswüchsen zu billigen, doch selbst in diesen noch zu genießen verstand." Ja noch im Jahre 1852 schildert Gutzkow in seinem Buche „Aus der Knaben¬ zeit" mit warmen Worten den Eindruck, den Menzels „Deutsche Litteratur" auf ihn machte. „Der erste Eindruck, schreibt er, war für mein Jugendgemüt überwältigend. Für jede Form der Dichtkunst, für jede Disziplin der Wissen¬ schaft suchte Menzel die Verbindung mit den teuersten Gütern der Nation herzustellen, mit dem Verlornen und zurückzuerobernden Palladium der National¬ größe, mit ständischer Freiheit, mit öffentlicher Jugenderziehung, mit Reform nach allen Seiten hin." Ein ähnliches Bekenntnis über den tiefen Eindruck,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/704>, abgerufen am 28.09.2024.