Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Kritische Studien zu Fürst Bismarcks Gedanken und Erinnerungen

von Rumänien" (1894) und andern Nachrichten gar kein Zweifel darüber be¬
stehen, daß Bismarck die Kandidatur nicht nur gefördert hat, sondern daß er
mit dem ganzen Nachdruck seiner mächtigen Energie für ihre Verwirklichung
eingetreten ist.

Schon im Februar 1870, als die Spanier, nachdem sie schon 1869
zweimal vergeblich angeklopft hatten, wieder kamen, sprach sich Bismarck
"mit großer Wärme" für die Annahme der Krone aus und hob in einer
Denkschrift an König Wilhelm die große Bedeutung hervor, welche die Be¬
rufung eines Hohenzollernprinzen auf den spanischen Thron für Deutschland
haben würde: politisch unschätzbar würde es sein, im Rücken Frankreichs ein
freundlich gesinntes Land zu haben, und auch wirtschaftlich würde es für
Deutschland wie für Spanien selbst die größten Vorteile nach sich ziehen, wenn
dieses entschieden monarchisch gesinnte Land i) unter einem König aus deutschem
Stamme seine Hilfsquellen zur Entwicklung brächte, und sein Handel sich auf
die Höhe hube, die der Ausdehnung seiner hafenreichen Küsten entspräche.
Obwohl nun der Prinz Leopold wenig Neigung hatte, und auch der König
"die schwersten Bedenken gegen die Annahme" aussprach, 2) so hielt doch Bis¬
marck an seiner Auffassung fest. Er verkehrte viel mit dem spanischen Bevoll¬
mächtigten Salazar y Mazarredo, der mit Schreiben von Prim damals nach
Berlin gekommen war, er ließ am 12. März den Iiupg-reiÄ für das Aus¬
wärtige Amt bestellen und in der Presse die Kandidatur des Herzogs von
Montpensier bekämpfen.") Wohl auf seine Veranlassung fand dann am Is. März
im Berliner Schlosse beim Fürsten Karl Anton von Hohenzollern, der die
Herren zum Diner eingeladen hatte, "eine sehr interessante und wichtige Be¬
ratung unter Vorsitz des Königs" statt, "bei welcher der Kronprinz, wir beide
^Karl Anton und Leopolds, Bismarck, Roon, Moltke, Schleinitz Minister des
königlichen Hauses^, Thile ^Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt^ und
Delbrück zugegen waren. Der einstimmige Beschluß der Ratgeber lautet auf
Annahme, weil dieselbe eine preußische patriotische Pflichterfüllung sei." Dabei
trat Bismarck "von neuem mit großer Wärme sür die Annahme der spanischen
Krone" ein.^) Wenn Fürst Bismarck in den Hamburger Nachrichten vom
20. Februar 1895°) erklären ließ: "eine solche Sitzung hat niemals statt-







Es ist ein noch zu wenig beachteter Zug Bismarckischer Politik, daß sie sich als
monarchisch-konservativ auch gegen demokratisch-republikanische Bestrebungen innerhalb ihres
Bereichs richtete, siehe Gedanken und Erinnerungen II, 229.
2) Aus dem Leben Karls von Rumänien II, 68.
Busch I, 15; vgl. III, 12S.
'') Brief Karl Antons vom 20. März an Fürst Karl I I, 72 und dessen Eintrag im Tage¬
buch unter dem 4./16. März II, 70.
°) Penzler, Fürst Bismarck nach seiner Entlassung VI, 22. Bismarck-Jahrbuch II, 638.
Bucher spricht bei Busch I II, 331 von einer "Sitzung des Gesamtministeriums" in der spanischen
Sache. Ist dies nur ein ungenauer Ausdruck für dieselbe Sache?
Kritische Studien zu Fürst Bismarcks Gedanken und Erinnerungen

von Rumänien" (1894) und andern Nachrichten gar kein Zweifel darüber be¬
stehen, daß Bismarck die Kandidatur nicht nur gefördert hat, sondern daß er
mit dem ganzen Nachdruck seiner mächtigen Energie für ihre Verwirklichung
eingetreten ist.

Schon im Februar 1870, als die Spanier, nachdem sie schon 1869
zweimal vergeblich angeklopft hatten, wieder kamen, sprach sich Bismarck
„mit großer Wärme" für die Annahme der Krone aus und hob in einer
Denkschrift an König Wilhelm die große Bedeutung hervor, welche die Be¬
rufung eines Hohenzollernprinzen auf den spanischen Thron für Deutschland
haben würde: politisch unschätzbar würde es sein, im Rücken Frankreichs ein
freundlich gesinntes Land zu haben, und auch wirtschaftlich würde es für
Deutschland wie für Spanien selbst die größten Vorteile nach sich ziehen, wenn
dieses entschieden monarchisch gesinnte Land i) unter einem König aus deutschem
Stamme seine Hilfsquellen zur Entwicklung brächte, und sein Handel sich auf
die Höhe hube, die der Ausdehnung seiner hafenreichen Küsten entspräche.
Obwohl nun der Prinz Leopold wenig Neigung hatte, und auch der König
„die schwersten Bedenken gegen die Annahme" aussprach, 2) so hielt doch Bis¬
marck an seiner Auffassung fest. Er verkehrte viel mit dem spanischen Bevoll¬
mächtigten Salazar y Mazarredo, der mit Schreiben von Prim damals nach
Berlin gekommen war, er ließ am 12. März den Iiupg-reiÄ für das Aus¬
wärtige Amt bestellen und in der Presse die Kandidatur des Herzogs von
Montpensier bekämpfen.") Wohl auf seine Veranlassung fand dann am Is. März
im Berliner Schlosse beim Fürsten Karl Anton von Hohenzollern, der die
Herren zum Diner eingeladen hatte, „eine sehr interessante und wichtige Be¬
ratung unter Vorsitz des Königs" statt, „bei welcher der Kronprinz, wir beide
^Karl Anton und Leopolds, Bismarck, Roon, Moltke, Schleinitz Minister des
königlichen Hauses^, Thile ^Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt^ und
Delbrück zugegen waren. Der einstimmige Beschluß der Ratgeber lautet auf
Annahme, weil dieselbe eine preußische patriotische Pflichterfüllung sei." Dabei
trat Bismarck „von neuem mit großer Wärme sür die Annahme der spanischen
Krone" ein.^) Wenn Fürst Bismarck in den Hamburger Nachrichten vom
20. Februar 1895°) erklären ließ: „eine solche Sitzung hat niemals statt-







Es ist ein noch zu wenig beachteter Zug Bismarckischer Politik, daß sie sich als
monarchisch-konservativ auch gegen demokratisch-republikanische Bestrebungen innerhalb ihres
Bereichs richtete, siehe Gedanken und Erinnerungen II, 229.
2) Aus dem Leben Karls von Rumänien II, 68.
Busch I, 15; vgl. III, 12S.
'') Brief Karl Antons vom 20. März an Fürst Karl I I, 72 und dessen Eintrag im Tage¬
buch unter dem 4./16. März II, 70.
°) Penzler, Fürst Bismarck nach seiner Entlassung VI, 22. Bismarck-Jahrbuch II, 638.
Bucher spricht bei Busch I II, 331 von einer „Sitzung des Gesamtministeriums" in der spanischen
Sache. Ist dies nur ein ungenauer Ausdruck für dieselbe Sache?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0634" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231066"/>
          <fw type="header" place="top"> Kritische Studien zu Fürst Bismarcks Gedanken und Erinnerungen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2169" prev="#ID_2168"> von Rumänien" (1894) und andern Nachrichten gar kein Zweifel darüber be¬<lb/>
stehen, daß Bismarck die Kandidatur nicht nur gefördert hat, sondern daß er<lb/>
mit dem ganzen Nachdruck seiner mächtigen Energie für ihre Verwirklichung<lb/>
eingetreten ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2170" next="#ID_2171"> Schon im Februar 1870, als die Spanier, nachdem sie schon 1869<lb/>
zweimal vergeblich angeklopft hatten, wieder kamen, sprach sich Bismarck<lb/>
&#x201E;mit großer Wärme" für die Annahme der Krone aus und hob in einer<lb/>
Denkschrift an König Wilhelm die große Bedeutung hervor, welche die Be¬<lb/>
rufung eines Hohenzollernprinzen auf den spanischen Thron für Deutschland<lb/>
haben würde: politisch unschätzbar würde es sein, im Rücken Frankreichs ein<lb/>
freundlich gesinntes Land zu haben, und auch wirtschaftlich würde es für<lb/>
Deutschland wie für Spanien selbst die größten Vorteile nach sich ziehen, wenn<lb/>
dieses entschieden monarchisch gesinnte Land i) unter einem König aus deutschem<lb/>
Stamme seine Hilfsquellen zur Entwicklung brächte, und sein Handel sich auf<lb/>
die Höhe hube, die der Ausdehnung seiner hafenreichen Küsten entspräche.<lb/>
Obwohl nun der Prinz Leopold wenig Neigung hatte, und auch der König<lb/>
&#x201E;die schwersten Bedenken gegen die Annahme" aussprach, 2) so hielt doch Bis¬<lb/>
marck an seiner Auffassung fest. Er verkehrte viel mit dem spanischen Bevoll¬<lb/>
mächtigten Salazar y Mazarredo, der mit Schreiben von Prim damals nach<lb/>
Berlin gekommen war, er ließ am 12. März den Iiupg-reiÄ für das Aus¬<lb/>
wärtige Amt bestellen und in der Presse die Kandidatur des Herzogs von<lb/>
Montpensier bekämpfen.") Wohl auf seine Veranlassung fand dann am Is. März<lb/>
im Berliner Schlosse beim Fürsten Karl Anton von Hohenzollern, der die<lb/>
Herren zum Diner eingeladen hatte, &#x201E;eine sehr interessante und wichtige Be¬<lb/>
ratung unter Vorsitz des Königs" statt, &#x201E;bei welcher der Kronprinz, wir beide<lb/>
^Karl Anton und Leopolds, Bismarck, Roon, Moltke, Schleinitz Minister des<lb/>
königlichen Hauses^, Thile ^Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt^ und<lb/>
Delbrück zugegen waren. Der einstimmige Beschluß der Ratgeber lautet auf<lb/>
Annahme, weil dieselbe eine preußische patriotische Pflichterfüllung sei." Dabei<lb/>
trat Bismarck &#x201E;von neuem mit großer Wärme sür die Annahme der spanischen<lb/>
Krone" ein.^) Wenn Fürst Bismarck in den Hamburger Nachrichten vom<lb/>
20. Februar 1895°) erklären ließ: &#x201E;eine solche Sitzung hat niemals statt-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_166" place="foot"> Es ist ein noch zu wenig beachteter Zug Bismarckischer Politik, daß sie sich als<lb/>
monarchisch-konservativ auch gegen demokratisch-republikanische Bestrebungen innerhalb ihres<lb/>
Bereichs richtete, siehe Gedanken und Erinnerungen II, 229.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_167" place="foot"> 2) Aus dem Leben Karls von Rumänien II, 68.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_168" place="foot"> Busch I, 15; vgl. III, 12S.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_169" place="foot"> '') Brief Karl Antons vom 20. März an Fürst Karl I I, 72 und dessen Eintrag im Tage¬<lb/>
buch unter dem 4./16. März II, 70.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_170" place="foot"> °) Penzler, Fürst Bismarck nach seiner Entlassung VI, 22. Bismarck-Jahrbuch II, 638.<lb/>
Bucher spricht bei Busch I II, 331 von einer &#x201E;Sitzung des Gesamtministeriums" in der spanischen<lb/>
Sache.  Ist dies nur ein ungenauer Ausdruck für dieselbe Sache?</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0634] Kritische Studien zu Fürst Bismarcks Gedanken und Erinnerungen von Rumänien" (1894) und andern Nachrichten gar kein Zweifel darüber be¬ stehen, daß Bismarck die Kandidatur nicht nur gefördert hat, sondern daß er mit dem ganzen Nachdruck seiner mächtigen Energie für ihre Verwirklichung eingetreten ist. Schon im Februar 1870, als die Spanier, nachdem sie schon 1869 zweimal vergeblich angeklopft hatten, wieder kamen, sprach sich Bismarck „mit großer Wärme" für die Annahme der Krone aus und hob in einer Denkschrift an König Wilhelm die große Bedeutung hervor, welche die Be¬ rufung eines Hohenzollernprinzen auf den spanischen Thron für Deutschland haben würde: politisch unschätzbar würde es sein, im Rücken Frankreichs ein freundlich gesinntes Land zu haben, und auch wirtschaftlich würde es für Deutschland wie für Spanien selbst die größten Vorteile nach sich ziehen, wenn dieses entschieden monarchisch gesinnte Land i) unter einem König aus deutschem Stamme seine Hilfsquellen zur Entwicklung brächte, und sein Handel sich auf die Höhe hube, die der Ausdehnung seiner hafenreichen Küsten entspräche. Obwohl nun der Prinz Leopold wenig Neigung hatte, und auch der König „die schwersten Bedenken gegen die Annahme" aussprach, 2) so hielt doch Bis¬ marck an seiner Auffassung fest. Er verkehrte viel mit dem spanischen Bevoll¬ mächtigten Salazar y Mazarredo, der mit Schreiben von Prim damals nach Berlin gekommen war, er ließ am 12. März den Iiupg-reiÄ für das Aus¬ wärtige Amt bestellen und in der Presse die Kandidatur des Herzogs von Montpensier bekämpfen.") Wohl auf seine Veranlassung fand dann am Is. März im Berliner Schlosse beim Fürsten Karl Anton von Hohenzollern, der die Herren zum Diner eingeladen hatte, „eine sehr interessante und wichtige Be¬ ratung unter Vorsitz des Königs" statt, „bei welcher der Kronprinz, wir beide ^Karl Anton und Leopolds, Bismarck, Roon, Moltke, Schleinitz Minister des königlichen Hauses^, Thile ^Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt^ und Delbrück zugegen waren. Der einstimmige Beschluß der Ratgeber lautet auf Annahme, weil dieselbe eine preußische patriotische Pflichterfüllung sei." Dabei trat Bismarck „von neuem mit großer Wärme sür die Annahme der spanischen Krone" ein.^) Wenn Fürst Bismarck in den Hamburger Nachrichten vom 20. Februar 1895°) erklären ließ: „eine solche Sitzung hat niemals statt- Es ist ein noch zu wenig beachteter Zug Bismarckischer Politik, daß sie sich als monarchisch-konservativ auch gegen demokratisch-republikanische Bestrebungen innerhalb ihres Bereichs richtete, siehe Gedanken und Erinnerungen II, 229. 2) Aus dem Leben Karls von Rumänien II, 68. Busch I, 15; vgl. III, 12S. '') Brief Karl Antons vom 20. März an Fürst Karl I I, 72 und dessen Eintrag im Tage¬ buch unter dem 4./16. März II, 70. °) Penzler, Fürst Bismarck nach seiner Entlassung VI, 22. Bismarck-Jahrbuch II, 638. Bucher spricht bei Busch I II, 331 von einer „Sitzung des Gesamtministeriums" in der spanischen Sache. Ist dies nur ein ungenauer Ausdruck für dieselbe Sache?

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/634
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/634>, abgerufen am 28.09.2024.