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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Aus den schwarzen Bergen

türkischen Herrscher auf, die das osmanische Reich bis an die Säulen des Herkules,
die libysche Wüste, die russischen Steppen am Don und Kaspischen Meere und
bis vor die Thore von Wien ausdehnten: der Padischah Bajazet I., der König
Sigismund von Ungarn drohte, er werde nach seiner Besiegung bis nach Rom
vordringen, um sein Pferd auf dem Altare von Se. Peter mit Hafer zu füttern,
Murad II., der nicht der gransame Wüterich der abendländischen Schriftsteller,
sondern ein klug überlegender, edler Fürst war, den nicht nur osmanische
Chronisten, sondern auch die Byzantiner einen Ordner des Reichs nennen.
Hier ist Muhammed II., der Eroberer Konstantinopels, und dort Suleiman der
Große, der Held und Gesetzgeber, unter dessen Herrschaft Osmcms Traum von
dem von vier Gebirgen -- Kaukasus und Atlas, Taurus und Hanns -- be¬
grenzten und von vier mächtigen Flüssen -- Euphrat und Tigris, Donau
und Nil -- durchkreuzten Reiche seiner Nachkommen zur Wahrheit wurde.

Bei Mohacz gewann dieser größte aller Sultane die Krone des heiligen
Stephan, er führte den türkischen Roßschweif bis vor Wien, von wo ihn erst
deutsche Bratspieße und spanische Büchsen zurücktrieben. Grundverschieden von
andern asiatischen Nomadenvölkern, mit denen der moderne Journalismus mit
dem kurzen historischen Gedärm die Türken so gern vergleicht, waren diese in
ihrer besten Zeit; recht wohl verstanden sie damals nicht sowohl das Nieder¬
reißen, sondern anch das Aufbauen, wie noch heute vorhandne Moscheen,
Straßenanlagen, Brückenbauten bezeugen; loben doch selbst die Chroniken der
dem Osmcmentum feindlichen byzantinischen Griechen die Thatkraft und den
Charakter der ersten Sultane während sechs Generationen, die auf den Trümmern
des seldschukischen und ihres eignen morschen Reiches ein neues zu gründen
und zu erhalten verstände!?. Die tiefsehenden Staatsmänner, die die Signoria
zur Wahrnehmung ihrer Interessen nach Konstantinopel schickte, haben uns in
ihren vortrefflichen Rechenschaftsberichten ein Bild der osmanischen Staats¬
verfassung hinterlassen, das seine Überlegenheit über gleichzeitige europäische
nur zu deutlich auf der Stirn trägt. Der vorurteilslose Gesandte Ferdinands I.,
Bushel, fürchtete gar, daß die überlegne Lebenskraft und die kluge Politik des
jungen Reichs, die straffe Zentralisation durch die Vereinigung der geistlichen
und weltlichen Macht, die dem Occident abging, zu einem dauernden Siege
über das Abendland führen möchte, und der genuesische Geschichtschreiber
Ubertus Foglieta schrieb ein großes Buch eausis niaAnituclinis impsiii
?ureiei.

Unter Suleiman II. erhob sich das Meisterwerk türkischer Architektur, die
Suleimaniehmoschce, die noch heute den Abendländer in Erstaunen setzt, der
Aquädukt des Justinian wurde wieder hergestellt und ein neuer gebaut, der
vierzig Fontänen speiste: ein zweiter Procop hätte, wie der alte über Justinians
Bauwerke, sechs Bücher über die Suleimans schreiben können. Die Einfüh¬
rung des Janitscharenkorps zeugt von diplomatischer Schlauheit, die in Vyzciuz


Aus den schwarzen Bergen

türkischen Herrscher auf, die das osmanische Reich bis an die Säulen des Herkules,
die libysche Wüste, die russischen Steppen am Don und Kaspischen Meere und
bis vor die Thore von Wien ausdehnten: der Padischah Bajazet I., der König
Sigismund von Ungarn drohte, er werde nach seiner Besiegung bis nach Rom
vordringen, um sein Pferd auf dem Altare von Se. Peter mit Hafer zu füttern,
Murad II., der nicht der gransame Wüterich der abendländischen Schriftsteller,
sondern ein klug überlegender, edler Fürst war, den nicht nur osmanische
Chronisten, sondern auch die Byzantiner einen Ordner des Reichs nennen.
Hier ist Muhammed II., der Eroberer Konstantinopels, und dort Suleiman der
Große, der Held und Gesetzgeber, unter dessen Herrschaft Osmcms Traum von
dem von vier Gebirgen — Kaukasus und Atlas, Taurus und Hanns — be¬
grenzten und von vier mächtigen Flüssen — Euphrat und Tigris, Donau
und Nil — durchkreuzten Reiche seiner Nachkommen zur Wahrheit wurde.

Bei Mohacz gewann dieser größte aller Sultane die Krone des heiligen
Stephan, er führte den türkischen Roßschweif bis vor Wien, von wo ihn erst
deutsche Bratspieße und spanische Büchsen zurücktrieben. Grundverschieden von
andern asiatischen Nomadenvölkern, mit denen der moderne Journalismus mit
dem kurzen historischen Gedärm die Türken so gern vergleicht, waren diese in
ihrer besten Zeit; recht wohl verstanden sie damals nicht sowohl das Nieder¬
reißen, sondern anch das Aufbauen, wie noch heute vorhandne Moscheen,
Straßenanlagen, Brückenbauten bezeugen; loben doch selbst die Chroniken der
dem Osmcmentum feindlichen byzantinischen Griechen die Thatkraft und den
Charakter der ersten Sultane während sechs Generationen, die auf den Trümmern
des seldschukischen und ihres eignen morschen Reiches ein neues zu gründen
und zu erhalten verstände!?. Die tiefsehenden Staatsmänner, die die Signoria
zur Wahrnehmung ihrer Interessen nach Konstantinopel schickte, haben uns in
ihren vortrefflichen Rechenschaftsberichten ein Bild der osmanischen Staats¬
verfassung hinterlassen, das seine Überlegenheit über gleichzeitige europäische
nur zu deutlich auf der Stirn trägt. Der vorurteilslose Gesandte Ferdinands I.,
Bushel, fürchtete gar, daß die überlegne Lebenskraft und die kluge Politik des
jungen Reichs, die straffe Zentralisation durch die Vereinigung der geistlichen
und weltlichen Macht, die dem Occident abging, zu einem dauernden Siege
über das Abendland führen möchte, und der genuesische Geschichtschreiber
Ubertus Foglieta schrieb ein großes Buch eausis niaAnituclinis impsiii
?ureiei.

Unter Suleiman II. erhob sich das Meisterwerk türkischer Architektur, die
Suleimaniehmoschce, die noch heute den Abendländer in Erstaunen setzt, der
Aquädukt des Justinian wurde wieder hergestellt und ein neuer gebaut, der
vierzig Fontänen speiste: ein zweiter Procop hätte, wie der alte über Justinians
Bauwerke, sechs Bücher über die Suleimans schreiben können. Die Einfüh¬
rung des Janitscharenkorps zeugt von diplomatischer Schlauheit, die in Vyzciuz


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[0594] Aus den schwarzen Bergen türkischen Herrscher auf, die das osmanische Reich bis an die Säulen des Herkules, die libysche Wüste, die russischen Steppen am Don und Kaspischen Meere und bis vor die Thore von Wien ausdehnten: der Padischah Bajazet I., der König Sigismund von Ungarn drohte, er werde nach seiner Besiegung bis nach Rom vordringen, um sein Pferd auf dem Altare von Se. Peter mit Hafer zu füttern, Murad II., der nicht der gransame Wüterich der abendländischen Schriftsteller, sondern ein klug überlegender, edler Fürst war, den nicht nur osmanische Chronisten, sondern auch die Byzantiner einen Ordner des Reichs nennen. Hier ist Muhammed II., der Eroberer Konstantinopels, und dort Suleiman der Große, der Held und Gesetzgeber, unter dessen Herrschaft Osmcms Traum von dem von vier Gebirgen — Kaukasus und Atlas, Taurus und Hanns — be¬ grenzten und von vier mächtigen Flüssen — Euphrat und Tigris, Donau und Nil — durchkreuzten Reiche seiner Nachkommen zur Wahrheit wurde. Bei Mohacz gewann dieser größte aller Sultane die Krone des heiligen Stephan, er führte den türkischen Roßschweif bis vor Wien, von wo ihn erst deutsche Bratspieße und spanische Büchsen zurücktrieben. Grundverschieden von andern asiatischen Nomadenvölkern, mit denen der moderne Journalismus mit dem kurzen historischen Gedärm die Türken so gern vergleicht, waren diese in ihrer besten Zeit; recht wohl verstanden sie damals nicht sowohl das Nieder¬ reißen, sondern anch das Aufbauen, wie noch heute vorhandne Moscheen, Straßenanlagen, Brückenbauten bezeugen; loben doch selbst die Chroniken der dem Osmcmentum feindlichen byzantinischen Griechen die Thatkraft und den Charakter der ersten Sultane während sechs Generationen, die auf den Trümmern des seldschukischen und ihres eignen morschen Reiches ein neues zu gründen und zu erhalten verstände!?. Die tiefsehenden Staatsmänner, die die Signoria zur Wahrnehmung ihrer Interessen nach Konstantinopel schickte, haben uns in ihren vortrefflichen Rechenschaftsberichten ein Bild der osmanischen Staats¬ verfassung hinterlassen, das seine Überlegenheit über gleichzeitige europäische nur zu deutlich auf der Stirn trägt. Der vorurteilslose Gesandte Ferdinands I., Bushel, fürchtete gar, daß die überlegne Lebenskraft und die kluge Politik des jungen Reichs, die straffe Zentralisation durch die Vereinigung der geistlichen und weltlichen Macht, die dem Occident abging, zu einem dauernden Siege über das Abendland führen möchte, und der genuesische Geschichtschreiber Ubertus Foglieta schrieb ein großes Buch eausis niaAnituclinis impsiii ?ureiei. Unter Suleiman II. erhob sich das Meisterwerk türkischer Architektur, die Suleimaniehmoschce, die noch heute den Abendländer in Erstaunen setzt, der Aquädukt des Justinian wurde wieder hergestellt und ein neuer gebaut, der vierzig Fontänen speiste: ein zweiter Procop hätte, wie der alte über Justinians Bauwerke, sechs Bücher über die Suleimans schreiben können. Die Einfüh¬ rung des Janitscharenkorps zeugt von diplomatischer Schlauheit, die in Vyzciuz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/594>, abgerufen am 20.10.2024.