Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Heinrich Abeken

Gesandtschaftsprediger zu werden, sobald der damalige Inhaber des Postens,
Tippelskirch, zurücktrete, und endlich ließ er sich im September 1832 als Lehrer
von Bunsens Söhnen ganz an das Hans des Gesandten und an Rom fesseln.
Es war eine glückliche Zeit freier, geistiger Arbeit und reizvollen, angeregten
Verkehrs inmitten der großartigsten historischen Umgebung. Im Sommer aber,
dessen "Herrlichkeit, Fülle und Üppigkeit" er gar nicht genng schildern kann,
gings hinaus auf die luftigen Höhen der Albanerberge, nach dem laubum¬
schatteten Frascati, in die stolze Villa Aldobrandini am Rande eines aus¬
gedehnten, den Abhang hinansteigenden echt italienischen Parks, von wo aus
er über die Campagna hinweg ans Rom und den bald silberglänzenden, bald
dunkelblauen Streifen des Meeres sah. Die Ernennung zum Gesandtschafts¬
prediger erhielt er erst im September 1833. Um sich im Französischen zu
vervollkommnen, ging er im Januar 1834 auf einige Monate nach Genf;
dann wurde er in Berlin nach einem Kolloquium am 17. Juni ordiniert und
kehrte nach einem Besuche in Osnabrück im August mit Vnnsen nach Rom
zurück, um seine Stellung anzutreten. Er war jetzt doppelt an sie gefesselt.
Denn schon vor der Abreise nach Genf hatte er sich mit Mary Thompson, der
Erzieherin von Bunsens Töchtern, verlobt. Aber er gründete mit einer tod¬
kranken Frau sein Haus, als er sich am 3. Mui 1835 mit ihr vermählte, nicht
obwohl, sondern weil sie krank war, da er der ganz einsam stehenden in
seinem Hause eine Heimat schaffen wollte. Am 1ö. August 1836 starb sie,
nach schweren, heldenmütig ertragncn Leiden, im geliebten Frnseati, wenige
Monate, nachdem er die Nachricht vom Tode seiner einzigen Schwester aus
der fernen Heimat erhalten hatte.

Über seine Trauer half ihm neben seiner frommen Gesinnung die schwere
Gefahr hinweg, die 1837 die Cholera über Rom brachte; in der aufopfernden
Sorge für andre linderte sich sein Schmerz. Aber die Abberufung Bunsens
1838 lockerte sein Verhältnis zu Rom um so mehr, als ihn seine amtliche
Thätigkeit niemals ganz befriedigte; er blieb nur, weil die Verhältnisse sür die
Protestantische Gemeinde in Rom schwierig wurden, und beging so noch im
Juni 1839 das zwanzigjährige Stiftungsfest der Gesandtschaftskapelle, eifrig
beschäftigt mit Arbeiten über die älteste Kirchenverfassung, da ihm damals das
Ziel einer Vereinigung aller christlichen Konfessionen durch die Rückkehr aller
zur Grundlage der ersten christlichen Jahrhunderte vorschwebte. Diese erneuerte
allgemeine Kirche mit großer Selbständigkeit ihrer einzelnen Teile konnte er
sich nur unter einer bischöflichen Verfassung denken.

So näherte er sich dem kirchlichen Ideale des Königs, der am 7. Juni
1840, mit freudiger Erwartung begrüßt, den preußischen Thron bestieg,
Friedrich Wilhelms IV. Der plötzliche Tod des geliebten Vaters im November
desselben Jahres führte Abeken nach der Heimat zurück. Da auch Bunsen,
seit 1839 Gesandter in Bern, im Jahre 1841 von seinem königlichen Freunde


Grenzlwten II 1899 M
Heinrich Abeken

Gesandtschaftsprediger zu werden, sobald der damalige Inhaber des Postens,
Tippelskirch, zurücktrete, und endlich ließ er sich im September 1832 als Lehrer
von Bunsens Söhnen ganz an das Hans des Gesandten und an Rom fesseln.
Es war eine glückliche Zeit freier, geistiger Arbeit und reizvollen, angeregten
Verkehrs inmitten der großartigsten historischen Umgebung. Im Sommer aber,
dessen „Herrlichkeit, Fülle und Üppigkeit" er gar nicht genng schildern kann,
gings hinaus auf die luftigen Höhen der Albanerberge, nach dem laubum¬
schatteten Frascati, in die stolze Villa Aldobrandini am Rande eines aus¬
gedehnten, den Abhang hinansteigenden echt italienischen Parks, von wo aus
er über die Campagna hinweg ans Rom und den bald silberglänzenden, bald
dunkelblauen Streifen des Meeres sah. Die Ernennung zum Gesandtschafts¬
prediger erhielt er erst im September 1833. Um sich im Französischen zu
vervollkommnen, ging er im Januar 1834 auf einige Monate nach Genf;
dann wurde er in Berlin nach einem Kolloquium am 17. Juni ordiniert und
kehrte nach einem Besuche in Osnabrück im August mit Vnnsen nach Rom
zurück, um seine Stellung anzutreten. Er war jetzt doppelt an sie gefesselt.
Denn schon vor der Abreise nach Genf hatte er sich mit Mary Thompson, der
Erzieherin von Bunsens Töchtern, verlobt. Aber er gründete mit einer tod¬
kranken Frau sein Haus, als er sich am 3. Mui 1835 mit ihr vermählte, nicht
obwohl, sondern weil sie krank war, da er der ganz einsam stehenden in
seinem Hause eine Heimat schaffen wollte. Am 1ö. August 1836 starb sie,
nach schweren, heldenmütig ertragncn Leiden, im geliebten Frnseati, wenige
Monate, nachdem er die Nachricht vom Tode seiner einzigen Schwester aus
der fernen Heimat erhalten hatte.

Über seine Trauer half ihm neben seiner frommen Gesinnung die schwere
Gefahr hinweg, die 1837 die Cholera über Rom brachte; in der aufopfernden
Sorge für andre linderte sich sein Schmerz. Aber die Abberufung Bunsens
1838 lockerte sein Verhältnis zu Rom um so mehr, als ihn seine amtliche
Thätigkeit niemals ganz befriedigte; er blieb nur, weil die Verhältnisse sür die
Protestantische Gemeinde in Rom schwierig wurden, und beging so noch im
Juni 1839 das zwanzigjährige Stiftungsfest der Gesandtschaftskapelle, eifrig
beschäftigt mit Arbeiten über die älteste Kirchenverfassung, da ihm damals das
Ziel einer Vereinigung aller christlichen Konfessionen durch die Rückkehr aller
zur Grundlage der ersten christlichen Jahrhunderte vorschwebte. Diese erneuerte
allgemeine Kirche mit großer Selbständigkeit ihrer einzelnen Teile konnte er
sich nur unter einer bischöflichen Verfassung denken.

So näherte er sich dem kirchlichen Ideale des Königs, der am 7. Juni
1840, mit freudiger Erwartung begrüßt, den preußischen Thron bestieg,
Friedrich Wilhelms IV. Der plötzliche Tod des geliebten Vaters im November
desselben Jahres führte Abeken nach der Heimat zurück. Da auch Bunsen,
seit 1839 Gesandter in Bern, im Jahre 1841 von seinem königlichen Freunde


Grenzlwten II 1899 M
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0473" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/230905"/>
          <fw type="header" place="top"> Heinrich Abeken</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1605" prev="#ID_1604"> Gesandtschaftsprediger zu werden, sobald der damalige Inhaber des Postens,<lb/>
Tippelskirch, zurücktrete, und endlich ließ er sich im September 1832 als Lehrer<lb/>
von Bunsens Söhnen ganz an das Hans des Gesandten und an Rom fesseln.<lb/>
Es war eine glückliche Zeit freier, geistiger Arbeit und reizvollen, angeregten<lb/>
Verkehrs inmitten der großartigsten historischen Umgebung. Im Sommer aber,<lb/>
dessen &#x201E;Herrlichkeit, Fülle und Üppigkeit" er gar nicht genng schildern kann,<lb/>
gings hinaus auf die luftigen Höhen der Albanerberge, nach dem laubum¬<lb/>
schatteten Frascati, in die stolze Villa Aldobrandini am Rande eines aus¬<lb/>
gedehnten, den Abhang hinansteigenden echt italienischen Parks, von wo aus<lb/>
er über die Campagna hinweg ans Rom und den bald silberglänzenden, bald<lb/>
dunkelblauen Streifen des Meeres sah. Die Ernennung zum Gesandtschafts¬<lb/>
prediger erhielt er erst im September 1833. Um sich im Französischen zu<lb/>
vervollkommnen, ging er im Januar 1834 auf einige Monate nach Genf;<lb/>
dann wurde er in Berlin nach einem Kolloquium am 17. Juni ordiniert und<lb/>
kehrte nach einem Besuche in Osnabrück im August mit Vnnsen nach Rom<lb/>
zurück, um seine Stellung anzutreten. Er war jetzt doppelt an sie gefesselt.<lb/>
Denn schon vor der Abreise nach Genf hatte er sich mit Mary Thompson, der<lb/>
Erzieherin von Bunsens Töchtern, verlobt. Aber er gründete mit einer tod¬<lb/>
kranken Frau sein Haus, als er sich am 3. Mui 1835 mit ihr vermählte, nicht<lb/>
obwohl, sondern weil sie krank war, da er der ganz einsam stehenden in<lb/>
seinem Hause eine Heimat schaffen wollte. Am 1ö. August 1836 starb sie,<lb/>
nach schweren, heldenmütig ertragncn Leiden, im geliebten Frnseati, wenige<lb/>
Monate, nachdem er die Nachricht vom Tode seiner einzigen Schwester aus<lb/>
der fernen Heimat erhalten hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1606"> Über seine Trauer half ihm neben seiner frommen Gesinnung die schwere<lb/>
Gefahr hinweg, die 1837 die Cholera über Rom brachte; in der aufopfernden<lb/>
Sorge für andre linderte sich sein Schmerz. Aber die Abberufung Bunsens<lb/>
1838 lockerte sein Verhältnis zu Rom um so mehr, als ihn seine amtliche<lb/>
Thätigkeit niemals ganz befriedigte; er blieb nur, weil die Verhältnisse sür die<lb/>
Protestantische Gemeinde in Rom schwierig wurden, und beging so noch im<lb/>
Juni 1839 das zwanzigjährige Stiftungsfest der Gesandtschaftskapelle, eifrig<lb/>
beschäftigt mit Arbeiten über die älteste Kirchenverfassung, da ihm damals das<lb/>
Ziel einer Vereinigung aller christlichen Konfessionen durch die Rückkehr aller<lb/>
zur Grundlage der ersten christlichen Jahrhunderte vorschwebte. Diese erneuerte<lb/>
allgemeine Kirche mit großer Selbständigkeit ihrer einzelnen Teile konnte er<lb/>
sich nur unter einer bischöflichen Verfassung denken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1607" next="#ID_1608"> So näherte er sich dem kirchlichen Ideale des Königs, der am 7. Juni<lb/>
1840, mit freudiger Erwartung begrüßt, den preußischen Thron bestieg,<lb/>
Friedrich Wilhelms IV. Der plötzliche Tod des geliebten Vaters im November<lb/>
desselben Jahres führte Abeken nach der Heimat zurück. Da auch Bunsen,<lb/>
seit 1839 Gesandter in Bern, im Jahre 1841 von seinem königlichen Freunde</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzlwten II 1899 M</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0473] Heinrich Abeken Gesandtschaftsprediger zu werden, sobald der damalige Inhaber des Postens, Tippelskirch, zurücktrete, und endlich ließ er sich im September 1832 als Lehrer von Bunsens Söhnen ganz an das Hans des Gesandten und an Rom fesseln. Es war eine glückliche Zeit freier, geistiger Arbeit und reizvollen, angeregten Verkehrs inmitten der großartigsten historischen Umgebung. Im Sommer aber, dessen „Herrlichkeit, Fülle und Üppigkeit" er gar nicht genng schildern kann, gings hinaus auf die luftigen Höhen der Albanerberge, nach dem laubum¬ schatteten Frascati, in die stolze Villa Aldobrandini am Rande eines aus¬ gedehnten, den Abhang hinansteigenden echt italienischen Parks, von wo aus er über die Campagna hinweg ans Rom und den bald silberglänzenden, bald dunkelblauen Streifen des Meeres sah. Die Ernennung zum Gesandtschafts¬ prediger erhielt er erst im September 1833. Um sich im Französischen zu vervollkommnen, ging er im Januar 1834 auf einige Monate nach Genf; dann wurde er in Berlin nach einem Kolloquium am 17. Juni ordiniert und kehrte nach einem Besuche in Osnabrück im August mit Vnnsen nach Rom zurück, um seine Stellung anzutreten. Er war jetzt doppelt an sie gefesselt. Denn schon vor der Abreise nach Genf hatte er sich mit Mary Thompson, der Erzieherin von Bunsens Töchtern, verlobt. Aber er gründete mit einer tod¬ kranken Frau sein Haus, als er sich am 3. Mui 1835 mit ihr vermählte, nicht obwohl, sondern weil sie krank war, da er der ganz einsam stehenden in seinem Hause eine Heimat schaffen wollte. Am 1ö. August 1836 starb sie, nach schweren, heldenmütig ertragncn Leiden, im geliebten Frnseati, wenige Monate, nachdem er die Nachricht vom Tode seiner einzigen Schwester aus der fernen Heimat erhalten hatte. Über seine Trauer half ihm neben seiner frommen Gesinnung die schwere Gefahr hinweg, die 1837 die Cholera über Rom brachte; in der aufopfernden Sorge für andre linderte sich sein Schmerz. Aber die Abberufung Bunsens 1838 lockerte sein Verhältnis zu Rom um so mehr, als ihn seine amtliche Thätigkeit niemals ganz befriedigte; er blieb nur, weil die Verhältnisse sür die Protestantische Gemeinde in Rom schwierig wurden, und beging so noch im Juni 1839 das zwanzigjährige Stiftungsfest der Gesandtschaftskapelle, eifrig beschäftigt mit Arbeiten über die älteste Kirchenverfassung, da ihm damals das Ziel einer Vereinigung aller christlichen Konfessionen durch die Rückkehr aller zur Grundlage der ersten christlichen Jahrhunderte vorschwebte. Diese erneuerte allgemeine Kirche mit großer Selbständigkeit ihrer einzelnen Teile konnte er sich nur unter einer bischöflichen Verfassung denken. So näherte er sich dem kirchlichen Ideale des Königs, der am 7. Juni 1840, mit freudiger Erwartung begrüßt, den preußischen Thron bestieg, Friedrich Wilhelms IV. Der plötzliche Tod des geliebten Vaters im November desselben Jahres führte Abeken nach der Heimat zurück. Da auch Bunsen, seit 1839 Gesandter in Bern, im Jahre 1841 von seinem königlichen Freunde Grenzlwten II 1899 M

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/473
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/473>, abgerufen am 21.10.2024.