Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Sachsen Loburg und Gotha

auch der Klugheit entsprechen, wenn man in einer derartigen Frage die Gewalt
vor das Recht stellen wollte. Hierauf aber, dünkt mich, würde es hinauslaufen,
wenn man im Hinblick auf Coburg, Oldenburg, Württemberg usw. ein neues
Fürstenrecht schaffen wollte, das "Ausländer" einfach von deutschen Thronen
ausschlösse. Hierzu bedarf es vor allen Dingen einer Änderung der betreffenden
Hausgesetze. So gut das coburgische Hausgesctz keine fremden Souveräne
-- außer den englischen zuläßt, so gut könnte es Bestimmungen über aus¬
ländische Prinzen als Thronfolger überhaupt treffen, ihnen das Wohnen in
Deutschland, deutsche Erziehung usw. vorschreiben. Zur Bildung eines der¬
artigen Hausrechts aber dürfte der gemeinsame Druck der deutschen Fürsten
genügen, dem der nächste Thronerbe eines derartigen Thrones voraussichtlich
nachgeben würde, ebenso wie die erst in zweiter Linie stehenden Agnciten.
Will man noch weiter gehn, so bliebe die Ablösung der Rechte der aus¬
ländischen Thronfolger, ebenfalls unter der Zustimmung der Agnciten, übrig.
Man könnte grundsätzlich aussprechen, daß sich das Reich die Ablösung der¬
artiger Rechte vorbehält, sobald ein Thron an einen Ausländer fallen würde.
Gewöhnlich wird ja der materielle Vorteil, den ein derartiger Thron bietet,
ausschlaggebend sein. Denn setzt man den Fall, daß der Herzog von Connaught
mit der Erbfolge in Coburg ein sehr schlechtes Geschüft machen würde, so
kann man wohl darüber beruhigt sein, daß man sie "vom englischen Stand¬
punkte aus" ablehnen würde, wie jede andre schlechte Erbschaft.

Hiernach will es mir scheinen, als ob die Möglichkeit nicht ausgeschlossen
wäre, die ganze leidige Sache auf dem Wege gütlicher Vereinbarung aus der
Welt zu schaffen. Der Herzog von Coburg bezieht an Einkünften nach dem
Domänenkassenetat 1897 bis 1901 die Summe von 606339 Mark. Rechnet
man noch ungefähr 400000 Mark Einnahme aus deu Fideikommissen hinzu,
so würde sich die Einnahme hoch gerechnet auf eine Million belaufen. ") Ich
meine, das Deutsche Reiche habe Geld genug, um mit dem zehn- oder zwanzig¬
fachen Betrag, also mit zehn bis zwanzig Millionen Mark veraltete Rechte,
die weder unserm heutigen nationalen Empfinden, noch unsrer Würde, noch
vielleicht unsrer Sicherheit entsprechen, abzulösen. Eine derartige Ablösung
durch Kauf dürfte aber dem englischen Empfinden ganz ebenso entgegenkommen,
wie sie unserm deutschen Gefühl für Recht und Billigkeit Genüge thäte.





*) Bekanntlich bezahlt das englische Volk mich dem regierenden Herzoge von Coburg noch
eine Apanage von MV 000 Mark, wodurch das Kuriosum entsteht, das; ein regierender deutscher
Fürst zugleich in zwei Ländern apauagiert wird!
Sachsen Loburg und Gotha

auch der Klugheit entsprechen, wenn man in einer derartigen Frage die Gewalt
vor das Recht stellen wollte. Hierauf aber, dünkt mich, würde es hinauslaufen,
wenn man im Hinblick auf Coburg, Oldenburg, Württemberg usw. ein neues
Fürstenrecht schaffen wollte, das „Ausländer" einfach von deutschen Thronen
ausschlösse. Hierzu bedarf es vor allen Dingen einer Änderung der betreffenden
Hausgesetze. So gut das coburgische Hausgesctz keine fremden Souveräne
— außer den englischen zuläßt, so gut könnte es Bestimmungen über aus¬
ländische Prinzen als Thronfolger überhaupt treffen, ihnen das Wohnen in
Deutschland, deutsche Erziehung usw. vorschreiben. Zur Bildung eines der¬
artigen Hausrechts aber dürfte der gemeinsame Druck der deutschen Fürsten
genügen, dem der nächste Thronerbe eines derartigen Thrones voraussichtlich
nachgeben würde, ebenso wie die erst in zweiter Linie stehenden Agnciten.
Will man noch weiter gehn, so bliebe die Ablösung der Rechte der aus¬
ländischen Thronfolger, ebenfalls unter der Zustimmung der Agnciten, übrig.
Man könnte grundsätzlich aussprechen, daß sich das Reich die Ablösung der¬
artiger Rechte vorbehält, sobald ein Thron an einen Ausländer fallen würde.
Gewöhnlich wird ja der materielle Vorteil, den ein derartiger Thron bietet,
ausschlaggebend sein. Denn setzt man den Fall, daß der Herzog von Connaught
mit der Erbfolge in Coburg ein sehr schlechtes Geschüft machen würde, so
kann man wohl darüber beruhigt sein, daß man sie „vom englischen Stand¬
punkte aus" ablehnen würde, wie jede andre schlechte Erbschaft.

Hiernach will es mir scheinen, als ob die Möglichkeit nicht ausgeschlossen
wäre, die ganze leidige Sache auf dem Wege gütlicher Vereinbarung aus der
Welt zu schaffen. Der Herzog von Coburg bezieht an Einkünften nach dem
Domänenkassenetat 1897 bis 1901 die Summe von 606339 Mark. Rechnet
man noch ungefähr 400000 Mark Einnahme aus deu Fideikommissen hinzu,
so würde sich die Einnahme hoch gerechnet auf eine Million belaufen. ") Ich
meine, das Deutsche Reiche habe Geld genug, um mit dem zehn- oder zwanzig¬
fachen Betrag, also mit zehn bis zwanzig Millionen Mark veraltete Rechte,
die weder unserm heutigen nationalen Empfinden, noch unsrer Würde, noch
vielleicht unsrer Sicherheit entsprechen, abzulösen. Eine derartige Ablösung
durch Kauf dürfte aber dem englischen Empfinden ganz ebenso entgegenkommen,
wie sie unserm deutschen Gefühl für Recht und Billigkeit Genüge thäte.





*) Bekanntlich bezahlt das englische Volk mich dem regierenden Herzoge von Coburg noch
eine Apanage von MV 000 Mark, wodurch das Kuriosum entsteht, das; ein regierender deutscher
Fürst zugleich in zwei Ländern apauagiert wird!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0467" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/230899"/>
            <fw type="header" place="top"> Sachsen Loburg und Gotha</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1591" prev="#ID_1590"> auch der Klugheit entsprechen, wenn man in einer derartigen Frage die Gewalt<lb/>
vor das Recht stellen wollte. Hierauf aber, dünkt mich, würde es hinauslaufen,<lb/>
wenn man im Hinblick auf Coburg, Oldenburg, Württemberg usw. ein neues<lb/>
Fürstenrecht schaffen wollte, das &#x201E;Ausländer" einfach von deutschen Thronen<lb/>
ausschlösse. Hierzu bedarf es vor allen Dingen einer Änderung der betreffenden<lb/>
Hausgesetze. So gut das coburgische Hausgesctz keine fremden Souveräne<lb/>
&#x2014; außer den englischen zuläßt, so gut könnte es Bestimmungen über aus¬<lb/>
ländische Prinzen als Thronfolger überhaupt treffen, ihnen das Wohnen in<lb/>
Deutschland, deutsche Erziehung usw. vorschreiben. Zur Bildung eines der¬<lb/>
artigen Hausrechts aber dürfte der gemeinsame Druck der deutschen Fürsten<lb/>
genügen, dem der nächste Thronerbe eines derartigen Thrones voraussichtlich<lb/>
nachgeben würde, ebenso wie die erst in zweiter Linie stehenden Agnciten.<lb/>
Will man noch weiter gehn, so bliebe die Ablösung der Rechte der aus¬<lb/>
ländischen Thronfolger, ebenfalls unter der Zustimmung der Agnciten, übrig.<lb/>
Man könnte grundsätzlich aussprechen, daß sich das Reich die Ablösung der¬<lb/>
artiger Rechte vorbehält, sobald ein Thron an einen Ausländer fallen würde.<lb/>
Gewöhnlich wird ja der materielle Vorteil, den ein derartiger Thron bietet,<lb/>
ausschlaggebend sein. Denn setzt man den Fall, daß der Herzog von Connaught<lb/>
mit der Erbfolge in Coburg ein sehr schlechtes Geschüft machen würde, so<lb/>
kann man wohl darüber beruhigt sein, daß man sie &#x201E;vom englischen Stand¬<lb/>
punkte aus" ablehnen würde, wie jede andre schlechte Erbschaft.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1592"> Hiernach will es mir scheinen, als ob die Möglichkeit nicht ausgeschlossen<lb/>
wäre, die ganze leidige Sache auf dem Wege gütlicher Vereinbarung aus der<lb/>
Welt zu schaffen. Der Herzog von Coburg bezieht an Einkünften nach dem<lb/>
Domänenkassenetat 1897 bis 1901 die Summe von 606339 Mark. Rechnet<lb/>
man noch ungefähr 400000 Mark Einnahme aus deu Fideikommissen hinzu,<lb/>
so würde sich die Einnahme hoch gerechnet auf eine Million belaufen. ") Ich<lb/>
meine, das Deutsche Reiche habe Geld genug, um mit dem zehn- oder zwanzig¬<lb/>
fachen Betrag, also mit zehn bis zwanzig Millionen Mark veraltete Rechte,<lb/>
die weder unserm heutigen nationalen Empfinden, noch unsrer Würde, noch<lb/>
vielleicht unsrer Sicherheit entsprechen, abzulösen. Eine derartige Ablösung<lb/>
durch Kauf dürfte aber dem englischen Empfinden ganz ebenso entgegenkommen,<lb/>
wie sie unserm deutschen Gefühl für Recht und Billigkeit Genüge thäte.</p><lb/>
            <note xml:id="FID_108" place="foot"> *) Bekanntlich bezahlt das englische Volk mich dem regierenden Herzoge von Coburg noch<lb/>
eine Apanage von MV 000 Mark, wodurch das Kuriosum entsteht, das; ein regierender deutscher<lb/>
Fürst zugleich in zwei Ländern apauagiert wird!</note><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0467] Sachsen Loburg und Gotha auch der Klugheit entsprechen, wenn man in einer derartigen Frage die Gewalt vor das Recht stellen wollte. Hierauf aber, dünkt mich, würde es hinauslaufen, wenn man im Hinblick auf Coburg, Oldenburg, Württemberg usw. ein neues Fürstenrecht schaffen wollte, das „Ausländer" einfach von deutschen Thronen ausschlösse. Hierzu bedarf es vor allen Dingen einer Änderung der betreffenden Hausgesetze. So gut das coburgische Hausgesctz keine fremden Souveräne — außer den englischen zuläßt, so gut könnte es Bestimmungen über aus¬ ländische Prinzen als Thronfolger überhaupt treffen, ihnen das Wohnen in Deutschland, deutsche Erziehung usw. vorschreiben. Zur Bildung eines der¬ artigen Hausrechts aber dürfte der gemeinsame Druck der deutschen Fürsten genügen, dem der nächste Thronerbe eines derartigen Thrones voraussichtlich nachgeben würde, ebenso wie die erst in zweiter Linie stehenden Agnciten. Will man noch weiter gehn, so bliebe die Ablösung der Rechte der aus¬ ländischen Thronfolger, ebenfalls unter der Zustimmung der Agnciten, übrig. Man könnte grundsätzlich aussprechen, daß sich das Reich die Ablösung der¬ artiger Rechte vorbehält, sobald ein Thron an einen Ausländer fallen würde. Gewöhnlich wird ja der materielle Vorteil, den ein derartiger Thron bietet, ausschlaggebend sein. Denn setzt man den Fall, daß der Herzog von Connaught mit der Erbfolge in Coburg ein sehr schlechtes Geschüft machen würde, so kann man wohl darüber beruhigt sein, daß man sie „vom englischen Stand¬ punkte aus" ablehnen würde, wie jede andre schlechte Erbschaft. Hiernach will es mir scheinen, als ob die Möglichkeit nicht ausgeschlossen wäre, die ganze leidige Sache auf dem Wege gütlicher Vereinbarung aus der Welt zu schaffen. Der Herzog von Coburg bezieht an Einkünften nach dem Domänenkassenetat 1897 bis 1901 die Summe von 606339 Mark. Rechnet man noch ungefähr 400000 Mark Einnahme aus deu Fideikommissen hinzu, so würde sich die Einnahme hoch gerechnet auf eine Million belaufen. ") Ich meine, das Deutsche Reiche habe Geld genug, um mit dem zehn- oder zwanzig¬ fachen Betrag, also mit zehn bis zwanzig Millionen Mark veraltete Rechte, die weder unserm heutigen nationalen Empfinden, noch unsrer Würde, noch vielleicht unsrer Sicherheit entsprechen, abzulösen. Eine derartige Ablösung durch Kauf dürfte aber dem englischen Empfinden ganz ebenso entgegenkommen, wie sie unserm deutschen Gefühl für Recht und Billigkeit Genüge thäte. *) Bekanntlich bezahlt das englische Volk mich dem regierenden Herzoge von Coburg noch eine Apanage von MV 000 Mark, wodurch das Kuriosum entsteht, das; ein regierender deutscher Fürst zugleich in zwei Ländern apauagiert wird!

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/467
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/467>, abgerufen am 28.09.2024.