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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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bclastnng des Familienstands durch die indirekten Abgaben drückt unsern
keinen genügenden Ausgleich gewährenden Steucrgesctzen den Stempel der Un¬
gerechtigkeit auf.

Die Mittel, die die Familien auf den Unterhalt und die Erziehung ihrer
Kinder zu braven und tüchtigen Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft ver¬
wenden, kommen schließlich dem Staate zu gute, sind also mittelbar Staats¬
ausgaben und sollten eben deshalb, wenn auch nicht vom Staate wieder ersetzt
werden, doch mindestens von staatlicher Besteuerung befreit bleiben. Auch schon
deshalb, weil die zu milden Zwecken gestifteten Kapitalien Begünstigungen bei
Stempelnbgaben und ähnlichem genießen, ist für diesen Aufwand, der dem Staate
einen Zuwachs an guten Bürgern sichert, die Steuerfreiheit zu verlangen.

In Wirklichkeit wird aber jetzt der Teil des Einkommens, der zu diesen
thatsächlich produktiven Ausgaben verwandt wird, in derselben Weise mit Ab¬
gaben belastet wie der in Schlemmerei und Völlerei vergeudete. Das ist doch
ein widerwärtiger Zustand, den zu beseitigen das Streben der gesetzgebenden
Gewalten sein sollte, was bei ernstlichem gutem Willen nicht schwer ist.
Wege zu diesem Ziele giebt es ja mehrere. Schon aus steuertechnischen
Gründen wird man Wohl von einer sogenannten Junggesellensteuer, der von
vornherein ein Anflug von Lächerlichkeit anhaftet, absehen. Auch die Teilung
der Steuerbeträge nach dem Familienstande, sodaß z. V. der Vorstand eines
aus drei verwandten Personen bestehenden Haushalts von 3000 Mark steuer¬
pflichtigen Gesamteinkommen nicht dieses, sondern dreimal 1000 Mark zu ver¬
steuern, also nicht 52 Mark, sondern dreimal 6 Mark -- 18 Mark zu zahlen
hatte, wird voraussichtlich auf gewichtigen Widerspruch stoßen, und eine Be¬
steuerung der einzelnen Personen, z. B. nach getrennten Vermögen bei Ehe¬
gatten, statt der Hausstünde einzuführen, würde das eigentliche Ziel verfehlen.
In den Nahmen des jetzt giltigen Gesetzes wird dagegen am ehesten die Er¬
leichterung hineinpassen, daß man vom steuerpflichtigen Gesamteinkommen des
Hausstandes soviele Abzüge zu machen erlaubt, als der Hausstand außer dem
Familienhaupte Kopfe zählt; nur müßte ein solcher Abzug von größerm Betrage
sein, um der oben gerügten Mehrbelastung des Familienstandes wirksam ab¬
zuhelfen. Der Abzug vom steuerpflichtigen Einkommen wäre aber für die
Familienglieder nur zur Hälfte zu gewähren, die das zehnte Lebensjahr noch
nicht vollendet haben, sowie für die schon erwerbthätigen Kinder, und für
die, auf deren Ausbildung im Verhältnis zum Gesamteinkommen keine großen
Mittel aufgewandt werden. Für erwerbthätige Kinder gar keinen Abzug zu
gewähren, würde dagegen bei den obwaltenden Vorteilen der alleinstehenden
Personen in der Steuerveranlagung ungerecht sein und sie überdies antreiben,
den gemeinsamen Hausstand mit ihren Eltern frühzeitig zu verlassen. Der
durch die Abzüge herbeigeführte Ausfall im Gesamtertrage der Einkommensteuer
wäre dadurch auszugleichen, daß man die Steuerstufengliederung durch stetig


bclastnng des Familienstands durch die indirekten Abgaben drückt unsern
keinen genügenden Ausgleich gewährenden Steucrgesctzen den Stempel der Un¬
gerechtigkeit auf.

Die Mittel, die die Familien auf den Unterhalt und die Erziehung ihrer
Kinder zu braven und tüchtigen Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft ver¬
wenden, kommen schließlich dem Staate zu gute, sind also mittelbar Staats¬
ausgaben und sollten eben deshalb, wenn auch nicht vom Staate wieder ersetzt
werden, doch mindestens von staatlicher Besteuerung befreit bleiben. Auch schon
deshalb, weil die zu milden Zwecken gestifteten Kapitalien Begünstigungen bei
Stempelnbgaben und ähnlichem genießen, ist für diesen Aufwand, der dem Staate
einen Zuwachs an guten Bürgern sichert, die Steuerfreiheit zu verlangen.

In Wirklichkeit wird aber jetzt der Teil des Einkommens, der zu diesen
thatsächlich produktiven Ausgaben verwandt wird, in derselben Weise mit Ab¬
gaben belastet wie der in Schlemmerei und Völlerei vergeudete. Das ist doch
ein widerwärtiger Zustand, den zu beseitigen das Streben der gesetzgebenden
Gewalten sein sollte, was bei ernstlichem gutem Willen nicht schwer ist.
Wege zu diesem Ziele giebt es ja mehrere. Schon aus steuertechnischen
Gründen wird man Wohl von einer sogenannten Junggesellensteuer, der von
vornherein ein Anflug von Lächerlichkeit anhaftet, absehen. Auch die Teilung
der Steuerbeträge nach dem Familienstande, sodaß z. V. der Vorstand eines
aus drei verwandten Personen bestehenden Haushalts von 3000 Mark steuer¬
pflichtigen Gesamteinkommen nicht dieses, sondern dreimal 1000 Mark zu ver¬
steuern, also nicht 52 Mark, sondern dreimal 6 Mark — 18 Mark zu zahlen
hatte, wird voraussichtlich auf gewichtigen Widerspruch stoßen, und eine Be¬
steuerung der einzelnen Personen, z. B. nach getrennten Vermögen bei Ehe¬
gatten, statt der Hausstünde einzuführen, würde das eigentliche Ziel verfehlen.
In den Nahmen des jetzt giltigen Gesetzes wird dagegen am ehesten die Er¬
leichterung hineinpassen, daß man vom steuerpflichtigen Gesamteinkommen des
Hausstandes soviele Abzüge zu machen erlaubt, als der Hausstand außer dem
Familienhaupte Kopfe zählt; nur müßte ein solcher Abzug von größerm Betrage
sein, um der oben gerügten Mehrbelastung des Familienstandes wirksam ab¬
zuhelfen. Der Abzug vom steuerpflichtigen Einkommen wäre aber für die
Familienglieder nur zur Hälfte zu gewähren, die das zehnte Lebensjahr noch
nicht vollendet haben, sowie für die schon erwerbthätigen Kinder, und für
die, auf deren Ausbildung im Verhältnis zum Gesamteinkommen keine großen
Mittel aufgewandt werden. Für erwerbthätige Kinder gar keinen Abzug zu
gewähren, würde dagegen bei den obwaltenden Vorteilen der alleinstehenden
Personen in der Steuerveranlagung ungerecht sein und sie überdies antreiben,
den gemeinsamen Hausstand mit ihren Eltern frühzeitig zu verlassen. Der
durch die Abzüge herbeigeführte Ausfall im Gesamtertrage der Einkommensteuer
wäre dadurch auszugleichen, daß man die Steuerstufengliederung durch stetig


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[0422] bclastnng des Familienstands durch die indirekten Abgaben drückt unsern keinen genügenden Ausgleich gewährenden Steucrgesctzen den Stempel der Un¬ gerechtigkeit auf. Die Mittel, die die Familien auf den Unterhalt und die Erziehung ihrer Kinder zu braven und tüchtigen Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft ver¬ wenden, kommen schließlich dem Staate zu gute, sind also mittelbar Staats¬ ausgaben und sollten eben deshalb, wenn auch nicht vom Staate wieder ersetzt werden, doch mindestens von staatlicher Besteuerung befreit bleiben. Auch schon deshalb, weil die zu milden Zwecken gestifteten Kapitalien Begünstigungen bei Stempelnbgaben und ähnlichem genießen, ist für diesen Aufwand, der dem Staate einen Zuwachs an guten Bürgern sichert, die Steuerfreiheit zu verlangen. In Wirklichkeit wird aber jetzt der Teil des Einkommens, der zu diesen thatsächlich produktiven Ausgaben verwandt wird, in derselben Weise mit Ab¬ gaben belastet wie der in Schlemmerei und Völlerei vergeudete. Das ist doch ein widerwärtiger Zustand, den zu beseitigen das Streben der gesetzgebenden Gewalten sein sollte, was bei ernstlichem gutem Willen nicht schwer ist. Wege zu diesem Ziele giebt es ja mehrere. Schon aus steuertechnischen Gründen wird man Wohl von einer sogenannten Junggesellensteuer, der von vornherein ein Anflug von Lächerlichkeit anhaftet, absehen. Auch die Teilung der Steuerbeträge nach dem Familienstande, sodaß z. V. der Vorstand eines aus drei verwandten Personen bestehenden Haushalts von 3000 Mark steuer¬ pflichtigen Gesamteinkommen nicht dieses, sondern dreimal 1000 Mark zu ver¬ steuern, also nicht 52 Mark, sondern dreimal 6 Mark — 18 Mark zu zahlen hatte, wird voraussichtlich auf gewichtigen Widerspruch stoßen, und eine Be¬ steuerung der einzelnen Personen, z. B. nach getrennten Vermögen bei Ehe¬ gatten, statt der Hausstünde einzuführen, würde das eigentliche Ziel verfehlen. In den Nahmen des jetzt giltigen Gesetzes wird dagegen am ehesten die Er¬ leichterung hineinpassen, daß man vom steuerpflichtigen Gesamteinkommen des Hausstandes soviele Abzüge zu machen erlaubt, als der Hausstand außer dem Familienhaupte Kopfe zählt; nur müßte ein solcher Abzug von größerm Betrage sein, um der oben gerügten Mehrbelastung des Familienstandes wirksam ab¬ zuhelfen. Der Abzug vom steuerpflichtigen Einkommen wäre aber für die Familienglieder nur zur Hälfte zu gewähren, die das zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sowie für die schon erwerbthätigen Kinder, und für die, auf deren Ausbildung im Verhältnis zum Gesamteinkommen keine großen Mittel aufgewandt werden. Für erwerbthätige Kinder gar keinen Abzug zu gewähren, würde dagegen bei den obwaltenden Vorteilen der alleinstehenden Personen in der Steuerveranlagung ungerecht sein und sie überdies antreiben, den gemeinsamen Hausstand mit ihren Eltern frühzeitig zu verlassen. Der durch die Abzüge herbeigeführte Ausfall im Gesamtertrage der Einkommensteuer wäre dadurch auszugleichen, daß man die Steuerstufengliederung durch stetig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/422>, abgerufen am 20.10.2024.