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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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keit ihres Hausstandes offenkundig machen, werden sie zu 31 Mark Steuern
herangezogen!

Sucht man die Meinung des Gesetzgebers aus den Bestimmungen des
Einkommensteuergesetzes zu ermitteln, so kann man eben keine andre finden,
als daß die Gründung eines eignen Herdes und die Familienbildung Luxus
sei. Der Familienvater muß dieselbe direkte Steuerlast tragen, wie der das¬
selbe Einkommen genießende Junggesell, der dem Staate den nötigen Zuwachs
an guten Bürgern zu liefern verweigert. Dieses offenbare Unrecht wird jedoch
uoch und zwar fast bis zur Unerträglichkeit gesteigert durch den Umstand, das;
den Familienvater auch die indirekten Abgaben, Zölle und Verbrauchssteuern
je nach der Kopfzahl seiner Familie um ein Vielfaches mehr belasten als den
Alleinstehenden. Zwar würde die Behauptung, daß den Familienvater diese
indirekten Auflagen um ein Ebensvvielfaches belasten, wie seine Familie Köpfe
zählt, im allgemeinen der Wahrheit nicht entsprechen und über das Ziel hinaus¬
schießen, weil eben Kinder und weibliche Familienglieder von besteuerten Waren
nicht soviel zu verzehren pflegen wie Erwachsene und Hagestolze; und lägen
die Zölle und Verbrauchssteuern mir auf entbehrlichen Genußmitteln und
Luxuswaren, so würde die hieraus entspringende Mehrbelastung des Familien¬
vaters diesem überhaupt keinen berechtigten Grund zur Klage liefern. Leider
sind aber von jeher auch unentbehrliche Nahrungs- und Genußmittel wegen
der Ergiebigkeit ihrer Besteuerung verteuert worden. So in erster Linie das
Salz, das mit einer geradezu als Kopfsteuer zu bezeichnenden Auflage belastet
ist, die sich in ihrem unverhältnismäßig hohen Betrage (bei uns etwa das
zwölffache der Produktionskosten) auch sonst noch an der Volkswirtschaft rächt,
bei uus durch die Behinderung der Produktion, dagegen z. V. in Österreich
auch durch die geringe landwirtschaftliche Verwendung von Kalisalzen. Nun
ist das Salz allerdings ein nur in geringen Mengen vom Einzelne" ver¬
brauchtes Nahrungsmittel, dasselbe gilt aber nicht von den zahlreichen zoll¬
pflichtigen Kolonialwaren, die man als nötige Nahrungs- oder Genußmittel
schon deshalb bezeichnen darf, weil der Staat selbst sie seinen Kostgängern in den
Fällen gewährt, wo er die Verpflegung übernimmt, nämlich bei dem Heer und
der Flotte. Seitdem wir aber auch noch beträchtliche Getreidezölle haben,
deren starke und dauernde Minderung nicht zu erwarten ist, läßt sich zweifel¬
los gar nicht mehr bestreiten, daß die indirekten Auflagen mit ihren ungeheuern,
früher nie gekannten Erträgen eine besonders den Familienstand treffende Last
sind. Mag man auch den Betrag dessen, was ans diesem Wege jedes Familien¬
glied dem Staate einbringt, für geringer erklären, als die entsprechende Ab¬
gabe eines Einzelbesteuerteu, so muß man ihn doch auf Dreiviertel oder Zwei¬
drittel der direkten Steuer schätzen. Eine Familie von sechs Köpfen, die das
Normale bei uns sein sollte, würde demnach viermal so viel an indirekten
Steuern zu tragen haben als der Eiuzelbesteuerte. Diese ungeheure Mehr-


keit ihres Hausstandes offenkundig machen, werden sie zu 31 Mark Steuern
herangezogen!

Sucht man die Meinung des Gesetzgebers aus den Bestimmungen des
Einkommensteuergesetzes zu ermitteln, so kann man eben keine andre finden,
als daß die Gründung eines eignen Herdes und die Familienbildung Luxus
sei. Der Familienvater muß dieselbe direkte Steuerlast tragen, wie der das¬
selbe Einkommen genießende Junggesell, der dem Staate den nötigen Zuwachs
an guten Bürgern zu liefern verweigert. Dieses offenbare Unrecht wird jedoch
uoch und zwar fast bis zur Unerträglichkeit gesteigert durch den Umstand, das;
den Familienvater auch die indirekten Abgaben, Zölle und Verbrauchssteuern
je nach der Kopfzahl seiner Familie um ein Vielfaches mehr belasten als den
Alleinstehenden. Zwar würde die Behauptung, daß den Familienvater diese
indirekten Auflagen um ein Ebensvvielfaches belasten, wie seine Familie Köpfe
zählt, im allgemeinen der Wahrheit nicht entsprechen und über das Ziel hinaus¬
schießen, weil eben Kinder und weibliche Familienglieder von besteuerten Waren
nicht soviel zu verzehren pflegen wie Erwachsene und Hagestolze; und lägen
die Zölle und Verbrauchssteuern mir auf entbehrlichen Genußmitteln und
Luxuswaren, so würde die hieraus entspringende Mehrbelastung des Familien¬
vaters diesem überhaupt keinen berechtigten Grund zur Klage liefern. Leider
sind aber von jeher auch unentbehrliche Nahrungs- und Genußmittel wegen
der Ergiebigkeit ihrer Besteuerung verteuert worden. So in erster Linie das
Salz, das mit einer geradezu als Kopfsteuer zu bezeichnenden Auflage belastet
ist, die sich in ihrem unverhältnismäßig hohen Betrage (bei uns etwa das
zwölffache der Produktionskosten) auch sonst noch an der Volkswirtschaft rächt,
bei uus durch die Behinderung der Produktion, dagegen z. V. in Österreich
auch durch die geringe landwirtschaftliche Verwendung von Kalisalzen. Nun
ist das Salz allerdings ein nur in geringen Mengen vom Einzelne» ver¬
brauchtes Nahrungsmittel, dasselbe gilt aber nicht von den zahlreichen zoll¬
pflichtigen Kolonialwaren, die man als nötige Nahrungs- oder Genußmittel
schon deshalb bezeichnen darf, weil der Staat selbst sie seinen Kostgängern in den
Fällen gewährt, wo er die Verpflegung übernimmt, nämlich bei dem Heer und
der Flotte. Seitdem wir aber auch noch beträchtliche Getreidezölle haben,
deren starke und dauernde Minderung nicht zu erwarten ist, läßt sich zweifel¬
los gar nicht mehr bestreiten, daß die indirekten Auflagen mit ihren ungeheuern,
früher nie gekannten Erträgen eine besonders den Familienstand treffende Last
sind. Mag man auch den Betrag dessen, was ans diesem Wege jedes Familien¬
glied dem Staate einbringt, für geringer erklären, als die entsprechende Ab¬
gabe eines Einzelbesteuerteu, so muß man ihn doch auf Dreiviertel oder Zwei¬
drittel der direkten Steuer schätzen. Eine Familie von sechs Köpfen, die das
Normale bei uns sein sollte, würde demnach viermal so viel an indirekten
Steuern zu tragen haben als der Eiuzelbesteuerte. Diese ungeheure Mehr-


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[0421] keit ihres Hausstandes offenkundig machen, werden sie zu 31 Mark Steuern herangezogen! Sucht man die Meinung des Gesetzgebers aus den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes zu ermitteln, so kann man eben keine andre finden, als daß die Gründung eines eignen Herdes und die Familienbildung Luxus sei. Der Familienvater muß dieselbe direkte Steuerlast tragen, wie der das¬ selbe Einkommen genießende Junggesell, der dem Staate den nötigen Zuwachs an guten Bürgern zu liefern verweigert. Dieses offenbare Unrecht wird jedoch uoch und zwar fast bis zur Unerträglichkeit gesteigert durch den Umstand, das; den Familienvater auch die indirekten Abgaben, Zölle und Verbrauchssteuern je nach der Kopfzahl seiner Familie um ein Vielfaches mehr belasten als den Alleinstehenden. Zwar würde die Behauptung, daß den Familienvater diese indirekten Auflagen um ein Ebensvvielfaches belasten, wie seine Familie Köpfe zählt, im allgemeinen der Wahrheit nicht entsprechen und über das Ziel hinaus¬ schießen, weil eben Kinder und weibliche Familienglieder von besteuerten Waren nicht soviel zu verzehren pflegen wie Erwachsene und Hagestolze; und lägen die Zölle und Verbrauchssteuern mir auf entbehrlichen Genußmitteln und Luxuswaren, so würde die hieraus entspringende Mehrbelastung des Familien¬ vaters diesem überhaupt keinen berechtigten Grund zur Klage liefern. Leider sind aber von jeher auch unentbehrliche Nahrungs- und Genußmittel wegen der Ergiebigkeit ihrer Besteuerung verteuert worden. So in erster Linie das Salz, das mit einer geradezu als Kopfsteuer zu bezeichnenden Auflage belastet ist, die sich in ihrem unverhältnismäßig hohen Betrage (bei uns etwa das zwölffache der Produktionskosten) auch sonst noch an der Volkswirtschaft rächt, bei uus durch die Behinderung der Produktion, dagegen z. V. in Österreich auch durch die geringe landwirtschaftliche Verwendung von Kalisalzen. Nun ist das Salz allerdings ein nur in geringen Mengen vom Einzelne» ver¬ brauchtes Nahrungsmittel, dasselbe gilt aber nicht von den zahlreichen zoll¬ pflichtigen Kolonialwaren, die man als nötige Nahrungs- oder Genußmittel schon deshalb bezeichnen darf, weil der Staat selbst sie seinen Kostgängern in den Fällen gewährt, wo er die Verpflegung übernimmt, nämlich bei dem Heer und der Flotte. Seitdem wir aber auch noch beträchtliche Getreidezölle haben, deren starke und dauernde Minderung nicht zu erwarten ist, läßt sich zweifel¬ los gar nicht mehr bestreiten, daß die indirekten Auflagen mit ihren ungeheuern, früher nie gekannten Erträgen eine besonders den Familienstand treffende Last sind. Mag man auch den Betrag dessen, was ans diesem Wege jedes Familien¬ glied dem Staate einbringt, für geringer erklären, als die entsprechende Ab¬ gabe eines Einzelbesteuerteu, so muß man ihn doch auf Dreiviertel oder Zwei¬ drittel der direkten Steuer schätzen. Eine Familie von sechs Köpfen, die das Normale bei uns sein sollte, würde demnach viermal so viel an indirekten Steuern zu tragen haben als der Eiuzelbesteuerte. Diese ungeheure Mehr-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/421>, abgerufen am 28.09.2024.