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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Aus den schwarzen Bergen

anbetrifft, so wies die Kajüte des "Graf Wurmbrandt" vom Triester Lloyd,
der vier reichsdeutsche Reisende ihrem Reiseziel Montenegro entgegenführte,
schlagend nach, daß man sich jetzt auch bei uns das Kamel aus der Nähe zu
besehen Pflegt. Wenn dennoch der hier folgenden Schilderung unsrer Tour, ob¬
gleich sie keineswegs aus der Tiefe des moralischen Bewußtseins entwickelt ist,
ein wenig von der flüchtigen Skizzenhaftigkeit des Franzosen anhaften sollte,
so . . . doch . . . I<z voitH,, 1s onanier!

Die Küste Dalmatiens wird von einer Anzahl Inseln begleitet, deren den
Gebirgszügen des Festlandes paralleler Lauf, deren langgestreckte Form, deren
vegetationsloser Anblick deutlich beweist, daß sie nur die höchsten Kuppen unter¬
seeischer Gebirge sind, die einst mit dem Hauptlande zusammenhingen, bevor
das gefräßige Meer sie trennte. Im Gegensatze zur westlichen Meeresküste, die
durch Anschwemmungen stärker und stärker versandete, ist ein guter Teil Dal¬
matiens im Laufe der Jahrtausende versunken; zu Zeiten der Ebbe sieht man
noch heute die untergegangnen Vinetas, gepflasterte Straßen, Mauern, Ge¬
bäude von den Ufern aus. Der Reisende ist dem langdauernden Zerstörungs¬
werke der See herzlich dankbar, denn wie auf einem Flusse gleitet der Dampfer
in den engen, tiefen, inselumschlossenen Kannten dahin. Der nox iiuMöti
wrbiäus Ilaclrias, der nach Horaz den gerechten Mann so wenig in seinem
Sinne erschüttert, wie das drohende Antlitz des Tyrannen, hatte uns alle in
einem "veniger edeln Teile während der Passage des Quarnero, des berüchtigten
Golfs von Fiume, afsiziert, und die Ruhe nach überstandner Erschütterung
wurde ebenso wie die frisch angesteckten Cigarren mit Vergnügen von uns ein¬
gesogen.

Spalato ist wohl mit Recht das Mekka jedes dalmatinischen Küsten¬
reisenden. Die Stadt, wie ihr Name, birgt einen Palast (Lalonas M-Mum),
wie ihn in dieser Ausdehnung nur Roms Riesenkräfte schaffen konnten, den
des Kaisers Diokletian. Er hat die Gestalt eines Rechtecks, das mit seiner
schmalen Seite dem Meere zuliegt, sodaß die Mauern des Fürstensitzes dem
Landenden sofort ins Auge fallen. Häuser modernen Stils sind an diese
mächtige Wand angeklebt, wie im feudalen Mittelalter die Wohnungen der
Hörigen an die schützenden Burgfelsen der Ritter, denn mehr als die Hälfte
der neuen Stadt liegt innerhalb der Umfassungsmauern des alten Baues.
Das Peristylium, der offne Platz in der Mitte des Palastes, ist der am besten
erhaltne Teil, auf drei Seiten des mit Quadern gepflasterten Raumes stehen
auch jetzt zahlreiche, sich inmitten der übrigen Zerstörung wundersam aus¬
nehmende bogentragende korinthische Säulen, über die sich ein gebälkartiges
Gesims horizontal hinzieht. Stufen führen rechts vom Peristylium hinweg
zum Tempel des Jupiter, dessen Inneres durch Säulenstellungen und Nischen
gegliedert ist. Halbkreisförmige und rechtwinklige Nischen dringen energisch in die
Wände ein, und zwischen sie treten große korinthische Säulen mit gekröpftem


Aus den schwarzen Bergen

anbetrifft, so wies die Kajüte des „Graf Wurmbrandt" vom Triester Lloyd,
der vier reichsdeutsche Reisende ihrem Reiseziel Montenegro entgegenführte,
schlagend nach, daß man sich jetzt auch bei uns das Kamel aus der Nähe zu
besehen Pflegt. Wenn dennoch der hier folgenden Schilderung unsrer Tour, ob¬
gleich sie keineswegs aus der Tiefe des moralischen Bewußtseins entwickelt ist,
ein wenig von der flüchtigen Skizzenhaftigkeit des Franzosen anhaften sollte,
so . . . doch . . . I<z voitH,, 1s onanier!

Die Küste Dalmatiens wird von einer Anzahl Inseln begleitet, deren den
Gebirgszügen des Festlandes paralleler Lauf, deren langgestreckte Form, deren
vegetationsloser Anblick deutlich beweist, daß sie nur die höchsten Kuppen unter¬
seeischer Gebirge sind, die einst mit dem Hauptlande zusammenhingen, bevor
das gefräßige Meer sie trennte. Im Gegensatze zur westlichen Meeresküste, die
durch Anschwemmungen stärker und stärker versandete, ist ein guter Teil Dal¬
matiens im Laufe der Jahrtausende versunken; zu Zeiten der Ebbe sieht man
noch heute die untergegangnen Vinetas, gepflasterte Straßen, Mauern, Ge¬
bäude von den Ufern aus. Der Reisende ist dem langdauernden Zerstörungs¬
werke der See herzlich dankbar, denn wie auf einem Flusse gleitet der Dampfer
in den engen, tiefen, inselumschlossenen Kannten dahin. Der nox iiuMöti
wrbiäus Ilaclrias, der nach Horaz den gerechten Mann so wenig in seinem
Sinne erschüttert, wie das drohende Antlitz des Tyrannen, hatte uns alle in
einem »veniger edeln Teile während der Passage des Quarnero, des berüchtigten
Golfs von Fiume, afsiziert, und die Ruhe nach überstandner Erschütterung
wurde ebenso wie die frisch angesteckten Cigarren mit Vergnügen von uns ein¬
gesogen.

Spalato ist wohl mit Recht das Mekka jedes dalmatinischen Küsten¬
reisenden. Die Stadt, wie ihr Name, birgt einen Palast (Lalonas M-Mum),
wie ihn in dieser Ausdehnung nur Roms Riesenkräfte schaffen konnten, den
des Kaisers Diokletian. Er hat die Gestalt eines Rechtecks, das mit seiner
schmalen Seite dem Meere zuliegt, sodaß die Mauern des Fürstensitzes dem
Landenden sofort ins Auge fallen. Häuser modernen Stils sind an diese
mächtige Wand angeklebt, wie im feudalen Mittelalter die Wohnungen der
Hörigen an die schützenden Burgfelsen der Ritter, denn mehr als die Hälfte
der neuen Stadt liegt innerhalb der Umfassungsmauern des alten Baues.
Das Peristylium, der offne Platz in der Mitte des Palastes, ist der am besten
erhaltne Teil, auf drei Seiten des mit Quadern gepflasterten Raumes stehen
auch jetzt zahlreiche, sich inmitten der übrigen Zerstörung wundersam aus¬
nehmende bogentragende korinthische Säulen, über die sich ein gebälkartiges
Gesims horizontal hinzieht. Stufen führen rechts vom Peristylium hinweg
zum Tempel des Jupiter, dessen Inneres durch Säulenstellungen und Nischen
gegliedert ist. Halbkreisförmige und rechtwinklige Nischen dringen energisch in die
Wände ein, und zwischen sie treten große korinthische Säulen mit gekröpftem


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[0352] Aus den schwarzen Bergen anbetrifft, so wies die Kajüte des „Graf Wurmbrandt" vom Triester Lloyd, der vier reichsdeutsche Reisende ihrem Reiseziel Montenegro entgegenführte, schlagend nach, daß man sich jetzt auch bei uns das Kamel aus der Nähe zu besehen Pflegt. Wenn dennoch der hier folgenden Schilderung unsrer Tour, ob¬ gleich sie keineswegs aus der Tiefe des moralischen Bewußtseins entwickelt ist, ein wenig von der flüchtigen Skizzenhaftigkeit des Franzosen anhaften sollte, so . . . doch . . . I<z voitH,, 1s onanier! Die Küste Dalmatiens wird von einer Anzahl Inseln begleitet, deren den Gebirgszügen des Festlandes paralleler Lauf, deren langgestreckte Form, deren vegetationsloser Anblick deutlich beweist, daß sie nur die höchsten Kuppen unter¬ seeischer Gebirge sind, die einst mit dem Hauptlande zusammenhingen, bevor das gefräßige Meer sie trennte. Im Gegensatze zur westlichen Meeresküste, die durch Anschwemmungen stärker und stärker versandete, ist ein guter Teil Dal¬ matiens im Laufe der Jahrtausende versunken; zu Zeiten der Ebbe sieht man noch heute die untergegangnen Vinetas, gepflasterte Straßen, Mauern, Ge¬ bäude von den Ufern aus. Der Reisende ist dem langdauernden Zerstörungs¬ werke der See herzlich dankbar, denn wie auf einem Flusse gleitet der Dampfer in den engen, tiefen, inselumschlossenen Kannten dahin. Der nox iiuMöti wrbiäus Ilaclrias, der nach Horaz den gerechten Mann so wenig in seinem Sinne erschüttert, wie das drohende Antlitz des Tyrannen, hatte uns alle in einem »veniger edeln Teile während der Passage des Quarnero, des berüchtigten Golfs von Fiume, afsiziert, und die Ruhe nach überstandner Erschütterung wurde ebenso wie die frisch angesteckten Cigarren mit Vergnügen von uns ein¬ gesogen. Spalato ist wohl mit Recht das Mekka jedes dalmatinischen Küsten¬ reisenden. Die Stadt, wie ihr Name, birgt einen Palast (Lalonas M-Mum), wie ihn in dieser Ausdehnung nur Roms Riesenkräfte schaffen konnten, den des Kaisers Diokletian. Er hat die Gestalt eines Rechtecks, das mit seiner schmalen Seite dem Meere zuliegt, sodaß die Mauern des Fürstensitzes dem Landenden sofort ins Auge fallen. Häuser modernen Stils sind an diese mächtige Wand angeklebt, wie im feudalen Mittelalter die Wohnungen der Hörigen an die schützenden Burgfelsen der Ritter, denn mehr als die Hälfte der neuen Stadt liegt innerhalb der Umfassungsmauern des alten Baues. Das Peristylium, der offne Platz in der Mitte des Palastes, ist der am besten erhaltne Teil, auf drei Seiten des mit Quadern gepflasterten Raumes stehen auch jetzt zahlreiche, sich inmitten der übrigen Zerstörung wundersam aus¬ nehmende bogentragende korinthische Säulen, über die sich ein gebälkartiges Gesims horizontal hinzieht. Stufen führen rechts vom Peristylium hinweg zum Tempel des Jupiter, dessen Inneres durch Säulenstellungen und Nischen gegliedert ist. Halbkreisförmige und rechtwinklige Nischen dringen energisch in die Wände ein, und zwischen sie treten große korinthische Säulen mit gekröpftem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/352>, abgerufen am 28.09.2024.