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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Der Bernstein als Stoff für das Aunstgeiverbe

bunten mit einer Unterlcgnng durch Silber- oder farbige Zinnfolien. Diese
Verzierungsart entspricht am meisten der Natur des Materials; die Oberflächen
bleiben bei ihr glatt, können poliert werden und erhalten sich bei diesem Ver¬
fahren jahrhundertelang unversehrt. Die Gravierung selbst ist in dem weichen
Stoff uicht schwierig; freilich gehören dazu Leute, die zu zeichnen und den Grab¬
stichel oder das Gravierrädchen zu führen verstehn- Die kleinen, oft minintur-
artigen Darstellungen von Ornamenten, Blumen, Landschaften und Köpfen ver¬
langen ein gut geschultes Auge und eine sichre Hand. Von dieser sehr alten
Technik hat sich noch ein kleines Überbleibsel erhalten in der Fabrikation der
sogenannten Mareilen. Es sind dies flache, polierte Scheiben, in deren Mitte
eine halbe Perle aufgekittet wird, deren Unterseite in der angegebnen Weise
verziert ist. Diese Mareilen dienen zu Mittelstücken an Arm- und Halsbändern,
wie sie für den Orient gefertigt werden. Hieran müßte angeknüpft werden.
Für diese Art von Glyptik können Steinschneider oder Steinschleifer, auch
Glasschneider oder Graveure ohne Schwierigkeit herangezogen werden.

Für größere, in dieser Art verzierte Stücke dürfte die Luxusmöbelindustrie
eine willige Abnchmcrin sein, wenn ihr erst das Material in entsprechender
Form angeboten wird und sie sich mit seinen Eigenschaften und Vorzügen be¬
kannt gemacht hat. Werden doch schon heute in der feinern Tischlerei In¬
tarsien, graviertes Elfenbein, Bronze und andre Metalleinlagen, kostbare aus¬
ländische Hölzer vielfach verwandt; die schöne, verschiedenartige Färbung des
Bernsteins dürfte eine nicht unwillkommne Bereicherung dieser Dekorations-
mittel abgeben. Bei dem gestiegnen Nationalwohlstande und dem erwachten
Kunstbedürfnis werden derartige Erzeugnisse ebenso leicht bei uns Käufer finden,
wie z. B. Gläser von Galle oder Tiffany.

Eine zweite sehr außer Übung gekommne Technik ist die Schnitzerei des
Bernsteins, sowohl im Relief als in Freiplastik. Bei dieser Bearbeitungsart
kommen ausschließlich bildhauerisch geschulte Kräfte in Betracht, die im Model¬
lieren geübt sind und neben dem Ornament auch die menschliche Figur mit
ausreichender Geschicklichkeit beherrschen. Es wird sich hierbei zumeist um
kleinere Kunstgegenstände handeln; jedoch würde eine Verwendung tüchtig
geschulter, mit den neuern Bestrebungen des Kunstgewerbes vertrauter Kräfte
für diesen Zweck sicherlich auch z. B. der Rauchrequisitenindustrie, der Fabri¬
kation von Stöcken und Schirmknöpfen aus Bernstein zu gute kommen. Ebenso
könnte auch an eine Verwendung in der Beleuchtungskörperindustrie gedacht
werden, für die ja schon Beispiele aus älterer Zeit vorliegen. Namentlich in
Verbindung mit der elektrischen Beleuchtung müßten sich prächtige Wirkungen
-- vielleicht auch durch das verschiedenfarbige Ambroid -- erzielen lassen.

Auch die eigentliche Dreharbeit ist noch einer größern Vervollkommung
und Verbesserung, insbesondre im Geschmack und in den Formen, fähig. Dieses
ganze Gewerbe ist -- nicht bloß insoweit es Bernstein verarbeitet -- sehr


Der Bernstein als Stoff für das Aunstgeiverbe

bunten mit einer Unterlcgnng durch Silber- oder farbige Zinnfolien. Diese
Verzierungsart entspricht am meisten der Natur des Materials; die Oberflächen
bleiben bei ihr glatt, können poliert werden und erhalten sich bei diesem Ver¬
fahren jahrhundertelang unversehrt. Die Gravierung selbst ist in dem weichen
Stoff uicht schwierig; freilich gehören dazu Leute, die zu zeichnen und den Grab¬
stichel oder das Gravierrädchen zu führen verstehn- Die kleinen, oft minintur-
artigen Darstellungen von Ornamenten, Blumen, Landschaften und Köpfen ver¬
langen ein gut geschultes Auge und eine sichre Hand. Von dieser sehr alten
Technik hat sich noch ein kleines Überbleibsel erhalten in der Fabrikation der
sogenannten Mareilen. Es sind dies flache, polierte Scheiben, in deren Mitte
eine halbe Perle aufgekittet wird, deren Unterseite in der angegebnen Weise
verziert ist. Diese Mareilen dienen zu Mittelstücken an Arm- und Halsbändern,
wie sie für den Orient gefertigt werden. Hieran müßte angeknüpft werden.
Für diese Art von Glyptik können Steinschneider oder Steinschleifer, auch
Glasschneider oder Graveure ohne Schwierigkeit herangezogen werden.

Für größere, in dieser Art verzierte Stücke dürfte die Luxusmöbelindustrie
eine willige Abnchmcrin sein, wenn ihr erst das Material in entsprechender
Form angeboten wird und sie sich mit seinen Eigenschaften und Vorzügen be¬
kannt gemacht hat. Werden doch schon heute in der feinern Tischlerei In¬
tarsien, graviertes Elfenbein, Bronze und andre Metalleinlagen, kostbare aus¬
ländische Hölzer vielfach verwandt; die schöne, verschiedenartige Färbung des
Bernsteins dürfte eine nicht unwillkommne Bereicherung dieser Dekorations-
mittel abgeben. Bei dem gestiegnen Nationalwohlstande und dem erwachten
Kunstbedürfnis werden derartige Erzeugnisse ebenso leicht bei uns Käufer finden,
wie z. B. Gläser von Galle oder Tiffany.

Eine zweite sehr außer Übung gekommne Technik ist die Schnitzerei des
Bernsteins, sowohl im Relief als in Freiplastik. Bei dieser Bearbeitungsart
kommen ausschließlich bildhauerisch geschulte Kräfte in Betracht, die im Model¬
lieren geübt sind und neben dem Ornament auch die menschliche Figur mit
ausreichender Geschicklichkeit beherrschen. Es wird sich hierbei zumeist um
kleinere Kunstgegenstände handeln; jedoch würde eine Verwendung tüchtig
geschulter, mit den neuern Bestrebungen des Kunstgewerbes vertrauter Kräfte
für diesen Zweck sicherlich auch z. B. der Rauchrequisitenindustrie, der Fabri¬
kation von Stöcken und Schirmknöpfen aus Bernstein zu gute kommen. Ebenso
könnte auch an eine Verwendung in der Beleuchtungskörperindustrie gedacht
werden, für die ja schon Beispiele aus älterer Zeit vorliegen. Namentlich in
Verbindung mit der elektrischen Beleuchtung müßten sich prächtige Wirkungen
— vielleicht auch durch das verschiedenfarbige Ambroid — erzielen lassen.

Auch die eigentliche Dreharbeit ist noch einer größern Vervollkommung
und Verbesserung, insbesondre im Geschmack und in den Formen, fähig. Dieses
ganze Gewerbe ist — nicht bloß insoweit es Bernstein verarbeitet — sehr


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[0304] Der Bernstein als Stoff für das Aunstgeiverbe bunten mit einer Unterlcgnng durch Silber- oder farbige Zinnfolien. Diese Verzierungsart entspricht am meisten der Natur des Materials; die Oberflächen bleiben bei ihr glatt, können poliert werden und erhalten sich bei diesem Ver¬ fahren jahrhundertelang unversehrt. Die Gravierung selbst ist in dem weichen Stoff uicht schwierig; freilich gehören dazu Leute, die zu zeichnen und den Grab¬ stichel oder das Gravierrädchen zu führen verstehn- Die kleinen, oft minintur- artigen Darstellungen von Ornamenten, Blumen, Landschaften und Köpfen ver¬ langen ein gut geschultes Auge und eine sichre Hand. Von dieser sehr alten Technik hat sich noch ein kleines Überbleibsel erhalten in der Fabrikation der sogenannten Mareilen. Es sind dies flache, polierte Scheiben, in deren Mitte eine halbe Perle aufgekittet wird, deren Unterseite in der angegebnen Weise verziert ist. Diese Mareilen dienen zu Mittelstücken an Arm- und Halsbändern, wie sie für den Orient gefertigt werden. Hieran müßte angeknüpft werden. Für diese Art von Glyptik können Steinschneider oder Steinschleifer, auch Glasschneider oder Graveure ohne Schwierigkeit herangezogen werden. Für größere, in dieser Art verzierte Stücke dürfte die Luxusmöbelindustrie eine willige Abnchmcrin sein, wenn ihr erst das Material in entsprechender Form angeboten wird und sie sich mit seinen Eigenschaften und Vorzügen be¬ kannt gemacht hat. Werden doch schon heute in der feinern Tischlerei In¬ tarsien, graviertes Elfenbein, Bronze und andre Metalleinlagen, kostbare aus¬ ländische Hölzer vielfach verwandt; die schöne, verschiedenartige Färbung des Bernsteins dürfte eine nicht unwillkommne Bereicherung dieser Dekorations- mittel abgeben. Bei dem gestiegnen Nationalwohlstande und dem erwachten Kunstbedürfnis werden derartige Erzeugnisse ebenso leicht bei uns Käufer finden, wie z. B. Gläser von Galle oder Tiffany. Eine zweite sehr außer Übung gekommne Technik ist die Schnitzerei des Bernsteins, sowohl im Relief als in Freiplastik. Bei dieser Bearbeitungsart kommen ausschließlich bildhauerisch geschulte Kräfte in Betracht, die im Model¬ lieren geübt sind und neben dem Ornament auch die menschliche Figur mit ausreichender Geschicklichkeit beherrschen. Es wird sich hierbei zumeist um kleinere Kunstgegenstände handeln; jedoch würde eine Verwendung tüchtig geschulter, mit den neuern Bestrebungen des Kunstgewerbes vertrauter Kräfte für diesen Zweck sicherlich auch z. B. der Rauchrequisitenindustrie, der Fabri¬ kation von Stöcken und Schirmknöpfen aus Bernstein zu gute kommen. Ebenso könnte auch an eine Verwendung in der Beleuchtungskörperindustrie gedacht werden, für die ja schon Beispiele aus älterer Zeit vorliegen. Namentlich in Verbindung mit der elektrischen Beleuchtung müßten sich prächtige Wirkungen — vielleicht auch durch das verschiedenfarbige Ambroid — erzielen lassen. Auch die eigentliche Dreharbeit ist noch einer größern Vervollkommung und Verbesserung, insbesondre im Geschmack und in den Formen, fähig. Dieses ganze Gewerbe ist — nicht bloß insoweit es Bernstein verarbeitet — sehr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/304>, abgerufen am 28.09.2024.