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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Jakob Burckhardts letztes Mort über die Renaissam'e

nicht üblichen Kupferstichporträts. Wer entschied über die Bildnisfnhigkcit und
die dazu erforderliche Berühmtheit der Einzelnen, wer traf die Auswahl, die
Künstler oder die Besteller, und fand dabei eine der modernen Subskription
vergleichbare, vorherige Probe auf das Urteil des Publikums statt?

Wir beschränken uns auf eine kurze Übersicht über die Malereien. Zuerst
findet sich hier wieder das Hausandachtsbild ein im weitesten Umfange seines
Begriffs. Es fordert feine Ausführung, erstrebt intime und neue Eindrücke
und teilt von seinem Gehalt der Kirchenmalerei mit. In Venedig wirkt das
Hausbild der Verflachung entgegen. Anlässe der Sitte und besondre Lieb¬
haberei begünstigen bestimmte Gegenstünde: die Verlobung der Katharina als
Hochzeitsgabe, die Anbetung der Könige vielfach in Toskcmci. Hier wählt
man auch für hochideale Gegenstände die Rundform (Tvrbo), die in Venedig
ganz fehlt. Die venezianischen Hausbilder haben Breitformat: Madonna, Pietn,
Christus von Engeln und Heilige" gestützt, vielfach in Halbfigur. Eine be¬
sondre Verwendung finden dann die Breitbilder auf Truhe" in Florenz und
Venedig. Am ausführlichste" sind wir über die Anfänge des Sammelns bei
den Medici unterrichtet. Hier zeigt sich der neue Privatgeschmack am deut¬
lichsten schöpferisch beteiligt in den mythologischen Skulpturen und Gemälde"
(der Pollajuoli, Luca Signorelli, Sandro Bottieelli), In Florenz hört das
Sammeln mit den Wechselfällen des mediceischen Hauses am Ende des fünf¬
zehnten Jahrhunderts so gut wie ganz auf. Florenz wird durch das reichere
Venedig abgelöst, hier behauptet sich der Sammeleifer ungestört, und das ist
für den Geschmack des sechzehnten Jahrhunderts wichtig, denn Venedig "nahm
nicht nur den Florentinern in Italien überhaupt die Führung ab, sondern es
wurde mit seinen neuen Auffasfuugsweisen auch für das übrige Italien ma߬
gebend." In Mailand hatten die Sforza viel zusammengebracht, das ging
am Eude des Jahrhunderts mit dem Sturze des Hauses in Trümmer. Unter
den kleinern Höfen gewannen durch Kunstpflege und Sammlung zum Teil mit
Benutzung einheimischer Richtungen für den neuen Geschmack am meisten Be¬
deutung Ferrara, Urbino und Mantua. Am längsten machten als Gönner
ihren Einfluß die Gonzagen in Mantua geltend, Jsabella und ihr Sohn
Federigo, durch sie wurden dann auch zuletzt die Habsburger mit der Kunst
Correggios und Tizians vertraut gemacht und für Tizian auch als Besteller
gewonnen.

Der wichtigste Vorgang ist nun der, daß durch den Privatgeschmack der
vornehmen Gönner die Malerei ganz auf das weltliche Gebiet hinübergeleitet
wird. Zwar die Richtung auf das eigentliche in den Niederlanden längst
blühende Genre wurde in Italien dnrch eine starke pathetische Doktrin zurück¬
gehalten, so großes Gefallen auch einzelne Sammler an derartigen nordischen
Bildern längst gefunden hatten. Ein Gegenstand des täglichen Lebens, mochte
er noch so täuschend gemalt und darum bewundernswert sein, galt als oosa


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nicht üblichen Kupferstichporträts. Wer entschied über die Bildnisfnhigkcit und
die dazu erforderliche Berühmtheit der Einzelnen, wer traf die Auswahl, die
Künstler oder die Besteller, und fand dabei eine der modernen Subskription
vergleichbare, vorherige Probe auf das Urteil des Publikums statt?

Wir beschränken uns auf eine kurze Übersicht über die Malereien. Zuerst
findet sich hier wieder das Hausandachtsbild ein im weitesten Umfange seines
Begriffs. Es fordert feine Ausführung, erstrebt intime und neue Eindrücke
und teilt von seinem Gehalt der Kirchenmalerei mit. In Venedig wirkt das
Hausbild der Verflachung entgegen. Anlässe der Sitte und besondre Lieb¬
haberei begünstigen bestimmte Gegenstünde: die Verlobung der Katharina als
Hochzeitsgabe, die Anbetung der Könige vielfach in Toskcmci. Hier wählt
man auch für hochideale Gegenstände die Rundform (Tvrbo), die in Venedig
ganz fehlt. Die venezianischen Hausbilder haben Breitformat: Madonna, Pietn,
Christus von Engeln und Heilige» gestützt, vielfach in Halbfigur. Eine be¬
sondre Verwendung finden dann die Breitbilder auf Truhe» in Florenz und
Venedig. Am ausführlichste» sind wir über die Anfänge des Sammelns bei
den Medici unterrichtet. Hier zeigt sich der neue Privatgeschmack am deut¬
lichsten schöpferisch beteiligt in den mythologischen Skulpturen und Gemälde»
(der Pollajuoli, Luca Signorelli, Sandro Bottieelli), In Florenz hört das
Sammeln mit den Wechselfällen des mediceischen Hauses am Ende des fünf¬
zehnten Jahrhunderts so gut wie ganz auf. Florenz wird durch das reichere
Venedig abgelöst, hier behauptet sich der Sammeleifer ungestört, und das ist
für den Geschmack des sechzehnten Jahrhunderts wichtig, denn Venedig „nahm
nicht nur den Florentinern in Italien überhaupt die Führung ab, sondern es
wurde mit seinen neuen Auffasfuugsweisen auch für das übrige Italien ma߬
gebend." In Mailand hatten die Sforza viel zusammengebracht, das ging
am Eude des Jahrhunderts mit dem Sturze des Hauses in Trümmer. Unter
den kleinern Höfen gewannen durch Kunstpflege und Sammlung zum Teil mit
Benutzung einheimischer Richtungen für den neuen Geschmack am meisten Be¬
deutung Ferrara, Urbino und Mantua. Am längsten machten als Gönner
ihren Einfluß die Gonzagen in Mantua geltend, Jsabella und ihr Sohn
Federigo, durch sie wurden dann auch zuletzt die Habsburger mit der Kunst
Correggios und Tizians vertraut gemacht und für Tizian auch als Besteller
gewonnen.

Der wichtigste Vorgang ist nun der, daß durch den Privatgeschmack der
vornehmen Gönner die Malerei ganz auf das weltliche Gebiet hinübergeleitet
wird. Zwar die Richtung auf das eigentliche in den Niederlanden längst
blühende Genre wurde in Italien dnrch eine starke pathetische Doktrin zurück¬
gehalten, so großes Gefallen auch einzelne Sammler an derartigen nordischen
Bildern längst gefunden hatten. Ein Gegenstand des täglichen Lebens, mochte
er noch so täuschend gemalt und darum bewundernswert sein, galt als oosa


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[0271] Jakob Burckhardts letztes Mort über die Renaissam'e nicht üblichen Kupferstichporträts. Wer entschied über die Bildnisfnhigkcit und die dazu erforderliche Berühmtheit der Einzelnen, wer traf die Auswahl, die Künstler oder die Besteller, und fand dabei eine der modernen Subskription vergleichbare, vorherige Probe auf das Urteil des Publikums statt? Wir beschränken uns auf eine kurze Übersicht über die Malereien. Zuerst findet sich hier wieder das Hausandachtsbild ein im weitesten Umfange seines Begriffs. Es fordert feine Ausführung, erstrebt intime und neue Eindrücke und teilt von seinem Gehalt der Kirchenmalerei mit. In Venedig wirkt das Hausbild der Verflachung entgegen. Anlässe der Sitte und besondre Lieb¬ haberei begünstigen bestimmte Gegenstünde: die Verlobung der Katharina als Hochzeitsgabe, die Anbetung der Könige vielfach in Toskcmci. Hier wählt man auch für hochideale Gegenstände die Rundform (Tvrbo), die in Venedig ganz fehlt. Die venezianischen Hausbilder haben Breitformat: Madonna, Pietn, Christus von Engeln und Heilige» gestützt, vielfach in Halbfigur. Eine be¬ sondre Verwendung finden dann die Breitbilder auf Truhe» in Florenz und Venedig. Am ausführlichste» sind wir über die Anfänge des Sammelns bei den Medici unterrichtet. Hier zeigt sich der neue Privatgeschmack am deut¬ lichsten schöpferisch beteiligt in den mythologischen Skulpturen und Gemälde» (der Pollajuoli, Luca Signorelli, Sandro Bottieelli), In Florenz hört das Sammeln mit den Wechselfällen des mediceischen Hauses am Ende des fünf¬ zehnten Jahrhunderts so gut wie ganz auf. Florenz wird durch das reichere Venedig abgelöst, hier behauptet sich der Sammeleifer ungestört, und das ist für den Geschmack des sechzehnten Jahrhunderts wichtig, denn Venedig „nahm nicht nur den Florentinern in Italien überhaupt die Führung ab, sondern es wurde mit seinen neuen Auffasfuugsweisen auch für das übrige Italien ma߬ gebend." In Mailand hatten die Sforza viel zusammengebracht, das ging am Eude des Jahrhunderts mit dem Sturze des Hauses in Trümmer. Unter den kleinern Höfen gewannen durch Kunstpflege und Sammlung zum Teil mit Benutzung einheimischer Richtungen für den neuen Geschmack am meisten Be¬ deutung Ferrara, Urbino und Mantua. Am längsten machten als Gönner ihren Einfluß die Gonzagen in Mantua geltend, Jsabella und ihr Sohn Federigo, durch sie wurden dann auch zuletzt die Habsburger mit der Kunst Correggios und Tizians vertraut gemacht und für Tizian auch als Besteller gewonnen. Der wichtigste Vorgang ist nun der, daß durch den Privatgeschmack der vornehmen Gönner die Malerei ganz auf das weltliche Gebiet hinübergeleitet wird. Zwar die Richtung auf das eigentliche in den Niederlanden längst blühende Genre wurde in Italien dnrch eine starke pathetische Doktrin zurück¬ gehalten, so großes Gefallen auch einzelne Sammler an derartigen nordischen Bildern längst gefunden hatten. Ein Gegenstand des täglichen Lebens, mochte er noch so täuschend gemalt und darum bewundernswert sein, galt als oosa

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/271>, abgerufen am 28.09.2024.