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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Der Römerstaat

Ort, ein töiuxluNi,durch die Furche, die man bei der Gründung mit dein
Pfluge zog; durch diese Umgrenzung waren die Götter, die man anrief, an
den Ort gebannt. In Rom zunächst Jupiter, Quirinus und Mars, die Götter
der drei verbündeten Gemeinden, denen ihre Stätten auf dem Kapitol, auf dem
Quirinal und in der dazwischenliegenden Ebene angewiesen wurden, während
"der Gottheit des römischen Herdes, der Vestci, wie billig unmittelbar neben
oder vielmehr in dem Hause des Königs am Palatin die Stätte bereitet ward,
an die die Vorratskammer (xeng-dös) sich anschloß. Sechs keusche Jungfrauen
unterhielten, gleichsam als die Haustöchter des römischen Volkes, das heilsame
Feuer des gemeinen Herdes" Wommsen). In einer solchen Gemeinde konnte
von einer scharfen Scheidung zwischen privaten und Gemeindeangelegenheiten
keine Rede sein. Die Bürger hatten ihre gemeinsame Viehweide, und seine
Ackerhufe besaß ein jeder durch Gemeindebeschluß. Keiner konnte ein Weib
nehmen als nach den von den Vätern bestimmten Satzungen, keiner in und
außer dem Hause anders leben als nach der gemeinsamen Sitte, keines Leben,
Familie und Habe war vor feindlichen Überfällen sicher, wenn ihn nicht die
ganze Gemeinde schützte, und jeder wirkte mit, wo es galt, die alten Ein¬
richtungen aufrecht zu erhalten, oder wo der Wandel der Zeiten neue Ein¬
richtungen und Gesetze forderte. Und indem nun eben nichts von dem allen
ohne die Götter geschehen konnte, waren diese politische Götter. Daher mußte
der Gottesdienst eine politische, d. h. eine Gemeindeangelegenheit sein. Der
König, der Hausvater der Gemeinde, war auch ihr oberster Priester, und als
die Königswürde abgeschafft wurde, mußte man einen besondern Opferkönig
einsetzen. Die zahlreichen, in verschiedne Kollegien und Brüderschaften ge¬
ordneten Priester, die der Dienst so vieler Götter forderte, waren Staatsbeamte,
neben denen jedoch das private Priestertum der Hausväter und gewisse Ge¬
schlechterkulte wie die der Fabler, der Kornelier, der Julier fortdauerten. Die
Priester wurden gleich den übrigen Beamten gewühlt, und ihre Verrichtungen
und die der übrigen Religionsdiener standen in engster Wechselwirkung mit den
Funktionen der Staatsbeamten und Volksversammlungen, indem einerseits keine
politische Handlung ohne religiöse Handlungen vorgenommen werden konnte,
andrerseits die Religionsdiener in politische Handlungen fördernd oder hindernd
eingreifen und außerdem Opfer, Umzüge, Feste, Spiele zur Sühne oder auf
besondre göttliche Anordnung vorschreiben konnten.

Das gilt besonders von den Augurn und Haruspices. Die Augurn, die
den Willen der Gottheit aus Himmelszeiehen, besonders aus dem Bogelfluge,



*) l'smxwm hieß zunächst der Bezirk, den der Augur oder Staatsbeamte von seinem
Standpunkte se.in>vins.c:ulum) aus mit dem klenn", einem Krummstabe, am Himmel und auf
der Erde abgegrenzt hatte; nur was sich innerhalb dieses Bezirks ereignete, wurde als Augurium
anerkannt. Selbstverständlich wurde am allerwenigsten das wichtigste aller Unternehmungen,
eine Stadtgründung, ohne Augurium vorgenommen.
Der Römerstaat

Ort, ein töiuxluNi,durch die Furche, die man bei der Gründung mit dein
Pfluge zog; durch diese Umgrenzung waren die Götter, die man anrief, an
den Ort gebannt. In Rom zunächst Jupiter, Quirinus und Mars, die Götter
der drei verbündeten Gemeinden, denen ihre Stätten auf dem Kapitol, auf dem
Quirinal und in der dazwischenliegenden Ebene angewiesen wurden, während
„der Gottheit des römischen Herdes, der Vestci, wie billig unmittelbar neben
oder vielmehr in dem Hause des Königs am Palatin die Stätte bereitet ward,
an die die Vorratskammer (xeng-dös) sich anschloß. Sechs keusche Jungfrauen
unterhielten, gleichsam als die Haustöchter des römischen Volkes, das heilsame
Feuer des gemeinen Herdes" Wommsen). In einer solchen Gemeinde konnte
von einer scharfen Scheidung zwischen privaten und Gemeindeangelegenheiten
keine Rede sein. Die Bürger hatten ihre gemeinsame Viehweide, und seine
Ackerhufe besaß ein jeder durch Gemeindebeschluß. Keiner konnte ein Weib
nehmen als nach den von den Vätern bestimmten Satzungen, keiner in und
außer dem Hause anders leben als nach der gemeinsamen Sitte, keines Leben,
Familie und Habe war vor feindlichen Überfällen sicher, wenn ihn nicht die
ganze Gemeinde schützte, und jeder wirkte mit, wo es galt, die alten Ein¬
richtungen aufrecht zu erhalten, oder wo der Wandel der Zeiten neue Ein¬
richtungen und Gesetze forderte. Und indem nun eben nichts von dem allen
ohne die Götter geschehen konnte, waren diese politische Götter. Daher mußte
der Gottesdienst eine politische, d. h. eine Gemeindeangelegenheit sein. Der
König, der Hausvater der Gemeinde, war auch ihr oberster Priester, und als
die Königswürde abgeschafft wurde, mußte man einen besondern Opferkönig
einsetzen. Die zahlreichen, in verschiedne Kollegien und Brüderschaften ge¬
ordneten Priester, die der Dienst so vieler Götter forderte, waren Staatsbeamte,
neben denen jedoch das private Priestertum der Hausväter und gewisse Ge¬
schlechterkulte wie die der Fabler, der Kornelier, der Julier fortdauerten. Die
Priester wurden gleich den übrigen Beamten gewühlt, und ihre Verrichtungen
und die der übrigen Religionsdiener standen in engster Wechselwirkung mit den
Funktionen der Staatsbeamten und Volksversammlungen, indem einerseits keine
politische Handlung ohne religiöse Handlungen vorgenommen werden konnte,
andrerseits die Religionsdiener in politische Handlungen fördernd oder hindernd
eingreifen und außerdem Opfer, Umzüge, Feste, Spiele zur Sühne oder auf
besondre göttliche Anordnung vorschreiben konnten.

Das gilt besonders von den Augurn und Haruspices. Die Augurn, die
den Willen der Gottheit aus Himmelszeiehen, besonders aus dem Bogelfluge,



*) l'smxwm hieß zunächst der Bezirk, den der Augur oder Staatsbeamte von seinem
Standpunkte se.in>vins.c:ulum) aus mit dem klenn«, einem Krummstabe, am Himmel und auf
der Erde abgegrenzt hatte; nur was sich innerhalb dieses Bezirks ereignete, wurde als Augurium
anerkannt. Selbstverständlich wurde am allerwenigsten das wichtigste aller Unternehmungen,
eine Stadtgründung, ohne Augurium vorgenommen.
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[0252] Der Römerstaat Ort, ein töiuxluNi,durch die Furche, die man bei der Gründung mit dein Pfluge zog; durch diese Umgrenzung waren die Götter, die man anrief, an den Ort gebannt. In Rom zunächst Jupiter, Quirinus und Mars, die Götter der drei verbündeten Gemeinden, denen ihre Stätten auf dem Kapitol, auf dem Quirinal und in der dazwischenliegenden Ebene angewiesen wurden, während „der Gottheit des römischen Herdes, der Vestci, wie billig unmittelbar neben oder vielmehr in dem Hause des Königs am Palatin die Stätte bereitet ward, an die die Vorratskammer (xeng-dös) sich anschloß. Sechs keusche Jungfrauen unterhielten, gleichsam als die Haustöchter des römischen Volkes, das heilsame Feuer des gemeinen Herdes" Wommsen). In einer solchen Gemeinde konnte von einer scharfen Scheidung zwischen privaten und Gemeindeangelegenheiten keine Rede sein. Die Bürger hatten ihre gemeinsame Viehweide, und seine Ackerhufe besaß ein jeder durch Gemeindebeschluß. Keiner konnte ein Weib nehmen als nach den von den Vätern bestimmten Satzungen, keiner in und außer dem Hause anders leben als nach der gemeinsamen Sitte, keines Leben, Familie und Habe war vor feindlichen Überfällen sicher, wenn ihn nicht die ganze Gemeinde schützte, und jeder wirkte mit, wo es galt, die alten Ein¬ richtungen aufrecht zu erhalten, oder wo der Wandel der Zeiten neue Ein¬ richtungen und Gesetze forderte. Und indem nun eben nichts von dem allen ohne die Götter geschehen konnte, waren diese politische Götter. Daher mußte der Gottesdienst eine politische, d. h. eine Gemeindeangelegenheit sein. Der König, der Hausvater der Gemeinde, war auch ihr oberster Priester, und als die Königswürde abgeschafft wurde, mußte man einen besondern Opferkönig einsetzen. Die zahlreichen, in verschiedne Kollegien und Brüderschaften ge¬ ordneten Priester, die der Dienst so vieler Götter forderte, waren Staatsbeamte, neben denen jedoch das private Priestertum der Hausväter und gewisse Ge¬ schlechterkulte wie die der Fabler, der Kornelier, der Julier fortdauerten. Die Priester wurden gleich den übrigen Beamten gewühlt, und ihre Verrichtungen und die der übrigen Religionsdiener standen in engster Wechselwirkung mit den Funktionen der Staatsbeamten und Volksversammlungen, indem einerseits keine politische Handlung ohne religiöse Handlungen vorgenommen werden konnte, andrerseits die Religionsdiener in politische Handlungen fördernd oder hindernd eingreifen und außerdem Opfer, Umzüge, Feste, Spiele zur Sühne oder auf besondre göttliche Anordnung vorschreiben konnten. Das gilt besonders von den Augurn und Haruspices. Die Augurn, die den Willen der Gottheit aus Himmelszeiehen, besonders aus dem Bogelfluge, *) l'smxwm hieß zunächst der Bezirk, den der Augur oder Staatsbeamte von seinem Standpunkte se.in>vins.c:ulum) aus mit dem klenn«, einem Krummstabe, am Himmel und auf der Erde abgegrenzt hatte; nur was sich innerhalb dieses Bezirks ereignete, wurde als Augurium anerkannt. Selbstverständlich wurde am allerwenigsten das wichtigste aller Unternehmungen, eine Stadtgründung, ohne Augurium vorgenommen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/252>, abgerufen am 28.09.2024.