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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Rassen und Kriege

ihnen den verdienten Spott des waffengeübten Europas zu. Sogar in New-
York sangen damals feuchtfröhliche Deutschamerikaner das auf die Situation
passende: "Du, Hannemann, geh du voran." Aber die Entscheidung trat schnell
ein, sobald die Gegner wirklich an einander gerieten. Wie ein zu Asche ver¬
kohltes Knochengerippe brach die Widerstandskraft der Spanier zusammen und
verpulverte sich wie Staub unter dem Fuß des amerikanischen Kolosses, der
nur zweimal niederzutreten brauchte, einmal im Osten, einmal im Westen, um
der ganzen spanischen Kolonialohnmacht den Garaus zu machen.

Mit der Oberflächlichkeit, die immerfort nach Schätzen gräbt und froh ist,
wenn sie Regenwürmer findet, verkündete nun eine Anzahl derer, die nie alle
werden, daß mit diesem Siege der Amerikaner dem "System des alten Europas"
das Todesurteil gesprochen sei. "Stehende Heere sind nicht nur ein kost¬
spieliger Apparat, sondern ganz überflüssig, das haben die Amerikaner glänzend
bewiesen" und andre Schlagworte mehr schwirrten durch die Köpfe der Über¬
lingen, hüben wie drüben. Von einem Teil der Tagespresse zu parteipolitischer
Zwecken weidlich ausgeschrotet, gewann dieser Trugschluß zeitweilig einen fast
epidemischen Charakter. Die meisten amerikanischen Zeitungen, die mit ihren
systematischen Hetz- und Sensationsartikeln den Krieg seit Jahren vorbereitet
hatten, frohlockten natürlich. Aber selbst in Deutschland ließen die Abrüstungs¬
gedanken, die so merkwürdig folgerichtig im geeigneten Augenblick wieder ans
Tageslicht gezogen wurden, den Gemütern unter dem ersten Eindruck der
Ereignisse keine Ruhe.

Den Amerikanern mag der Nichtbeteiligte ihre kleine Freude ruhig gönnen,
denn dort verliert die zu lärmender Prahlsucht immer hinneigende Masse schon
über geringere Dinge das besonnene Urteil. Überdies repräsentiert die so¬
genannte "gelbe Presse" nur einen Teil des amerikanischen Volkes und nicht
eben den besten- Die wirkliche Intelligenz und Bildung in den Vereinigten
Staaten befaßt sich nur zum geringsten Teil mit dem politischen Partei¬
treiben, wo die rohen Instinkte der Majoritäten kein höheres geistiges Leben
aufkommen lassen. Während und nach dem Kriege hatte ich mehrfach mit
Amerikanern zu verkehren Gelegenheit, die ihren gesunden Menschenverstand
nicht verloren hatten und die billige Weisheit der Zeitungsschreiber vornehm
belächelten.

Um so überraschender und bedauerlicher muß es aber auf jeden Deutschen
wirken, der die amerikanischen Verhältnisse einigermaßen aus eigner Anschauung
kennt, daß sogar ein praktischer Kolonialpolitiker, wie Karl Peters, durch den
leichten Sieg der Acmkees so sehr geblendet werden konnte, daß er alles Ernstes
unter die Miliztheoretiker ging. Die Magdeburgische Zeitung brachte aus seiner
Feder mehrere Artikel, aus denen ich nur folgende Stelle zitiere: "Was haben
Spanien sein stehendes Heer und seine alte Tradition genützt? Der letzte
Krieg wird das Wertschätznngsnrteil über Miliz und stehende Heere wesentlich


Rassen und Kriege

ihnen den verdienten Spott des waffengeübten Europas zu. Sogar in New-
York sangen damals feuchtfröhliche Deutschamerikaner das auf die Situation
passende: „Du, Hannemann, geh du voran." Aber die Entscheidung trat schnell
ein, sobald die Gegner wirklich an einander gerieten. Wie ein zu Asche ver¬
kohltes Knochengerippe brach die Widerstandskraft der Spanier zusammen und
verpulverte sich wie Staub unter dem Fuß des amerikanischen Kolosses, der
nur zweimal niederzutreten brauchte, einmal im Osten, einmal im Westen, um
der ganzen spanischen Kolonialohnmacht den Garaus zu machen.

Mit der Oberflächlichkeit, die immerfort nach Schätzen gräbt und froh ist,
wenn sie Regenwürmer findet, verkündete nun eine Anzahl derer, die nie alle
werden, daß mit diesem Siege der Amerikaner dem „System des alten Europas"
das Todesurteil gesprochen sei. „Stehende Heere sind nicht nur ein kost¬
spieliger Apparat, sondern ganz überflüssig, das haben die Amerikaner glänzend
bewiesen" und andre Schlagworte mehr schwirrten durch die Köpfe der Über¬
lingen, hüben wie drüben. Von einem Teil der Tagespresse zu parteipolitischer
Zwecken weidlich ausgeschrotet, gewann dieser Trugschluß zeitweilig einen fast
epidemischen Charakter. Die meisten amerikanischen Zeitungen, die mit ihren
systematischen Hetz- und Sensationsartikeln den Krieg seit Jahren vorbereitet
hatten, frohlockten natürlich. Aber selbst in Deutschland ließen die Abrüstungs¬
gedanken, die so merkwürdig folgerichtig im geeigneten Augenblick wieder ans
Tageslicht gezogen wurden, den Gemütern unter dem ersten Eindruck der
Ereignisse keine Ruhe.

Den Amerikanern mag der Nichtbeteiligte ihre kleine Freude ruhig gönnen,
denn dort verliert die zu lärmender Prahlsucht immer hinneigende Masse schon
über geringere Dinge das besonnene Urteil. Überdies repräsentiert die so¬
genannte „gelbe Presse" nur einen Teil des amerikanischen Volkes und nicht
eben den besten- Die wirkliche Intelligenz und Bildung in den Vereinigten
Staaten befaßt sich nur zum geringsten Teil mit dem politischen Partei¬
treiben, wo die rohen Instinkte der Majoritäten kein höheres geistiges Leben
aufkommen lassen. Während und nach dem Kriege hatte ich mehrfach mit
Amerikanern zu verkehren Gelegenheit, die ihren gesunden Menschenverstand
nicht verloren hatten und die billige Weisheit der Zeitungsschreiber vornehm
belächelten.

Um so überraschender und bedauerlicher muß es aber auf jeden Deutschen
wirken, der die amerikanischen Verhältnisse einigermaßen aus eigner Anschauung
kennt, daß sogar ein praktischer Kolonialpolitiker, wie Karl Peters, durch den
leichten Sieg der Acmkees so sehr geblendet werden konnte, daß er alles Ernstes
unter die Miliztheoretiker ging. Die Magdeburgische Zeitung brachte aus seiner
Feder mehrere Artikel, aus denen ich nur folgende Stelle zitiere: „Was haben
Spanien sein stehendes Heer und seine alte Tradition genützt? Der letzte
Krieg wird das Wertschätznngsnrteil über Miliz und stehende Heere wesentlich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/178>, abgerufen am 28.09.2024.