Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Römerstaat

sonders von Minerva zu erbitten? Und an der ists noch nicht genug; es
muß noch der Gott Callus dazukommen, der die Leute gescheit macht. Wenn
eine Gebärende Glück hat, so geht doch wohl alles gut von statten; aber nein,
die Felicitas genügt nicht, außer ihr muß die Lucina helfen. Wer Glück hat,
sollte man meinen, der müsse auch Geld haben. Fehlgeschossen! Das bringt
erst die Göttin Pecunia, oder vielmehr sie bringt es nicht, sondern das Kupfer
besorgt der Äskulanus und das Silber sein Sohn Argentinus. Den Ar-
gentinus, bemerkt Augustin treffend, haben sie wohl darum zu des Äskulanus
Sohne gemacht, weil das Kupfergeld früher im Gebrauch gewesen ist als das
Silbergeld; warum haben sie aber nur nicht dem Argentinus noch einen Sohn
Aurinus gegeben, da wir doch heute auch Goldmünzen haben? An einer
andern Stelle bemerkt er, Jupiter selbst werde Pecunia genannt, weil ja dem
Gelde alles gehöre. Hätte man ihn Reichtum genannt, so würde sich das
hören lassen, denn der Inbegriff alles Reichtums sei Gott allerdings, wie auch
jeder gute Mensch reich sei, während man den Geldbesitzer, der arm an wahren
Gütern sei und von der Begierde nach mehr Geld verzehrt werde, arm nennen
müsse. "Was für eine Theologie, ruft er aus, die dem höchsten Gott den
Namen des Dinges beilegt, das noch nie ein weiser Mann begehrt hat!"
Na na! Und im neunten Kapitel des sechsten Buches macht er sich darüber
lustig, daß zur Nahrungsaufnahme zwei Göttinnen erforderlich seien, die Eß-
und die Trinkgöttin, daß man zum Gebrauche der Axt die Jntercidona, zu dem
des Mörsers den Pilumnus, zu dem des Besens die Deverra nötig habe. Dann
kommt er auf die Ehe und führt an, daß zur Verbindung von Mann und
Weib der Jugatinus, zur Einführung der Neuvermählten ins Haus des
Mannes der Domiducus, zur Konstatierung der Thatsache, daß sie drin ist,
der Domitius notwendig sei, und daß dann noch die Göttin Manturna dafür
sorgen müsse, daß sie auch drin bleibe. Das möge hingehn. Aber noch
mehr? ?arog,tur buirmims vör<zorwäig,g: psrsMt ostsra eououpisoöutia earms
et Sö.nAv.ini8 xrocursto ssorsto xuäoiis. Ho.ick imxlstur vo.bien1v.ro turdg,
no.miro.in, cmAnclo se virrsnyinvlii mas äiseeclunt? Was ihn aber nicht ab¬
hält, die sämtlichen Götter und Göttinnen, die hier in Thätigkeit treten,
und ihre Verrichtungen zu nennen und den Mann zu verspotten, der doch
eine recht klägliche Figur mache unter diesem Schwarm von Göttern und
Göttinnen, die sein Amt verrichteten. An einer andern Stelle zählt er die
Götter auf, die alle notwendig sind, damit eine Kornähre zustande komme;
es sind ihrer eine ganze Menge. Der eifernde Kirchenvater hat eben den
Sinn des Polytheismus nicht verstanden. Während der griechische Götter¬
himmel die idealisierte Menschheit ist, personifiziert der Römer nicht bloß alle
Naturvorgünge, sondern auch alle menschlichen Verrichtungen, um seinen
Glauben auszudrücken, daß weder die Natur irgend etwas schaffen noch der
Mensch irgend etwas thun könne ohne den Gott, der alles in allem wirkt. Es
ist die Lehre Christi nud Pauli in einer recht groben und abgeschmackten Hülle.


Der Römerstaat

sonders von Minerva zu erbitten? Und an der ists noch nicht genug; es
muß noch der Gott Callus dazukommen, der die Leute gescheit macht. Wenn
eine Gebärende Glück hat, so geht doch wohl alles gut von statten; aber nein,
die Felicitas genügt nicht, außer ihr muß die Lucina helfen. Wer Glück hat,
sollte man meinen, der müsse auch Geld haben. Fehlgeschossen! Das bringt
erst die Göttin Pecunia, oder vielmehr sie bringt es nicht, sondern das Kupfer
besorgt der Äskulanus und das Silber sein Sohn Argentinus. Den Ar-
gentinus, bemerkt Augustin treffend, haben sie wohl darum zu des Äskulanus
Sohne gemacht, weil das Kupfergeld früher im Gebrauch gewesen ist als das
Silbergeld; warum haben sie aber nur nicht dem Argentinus noch einen Sohn
Aurinus gegeben, da wir doch heute auch Goldmünzen haben? An einer
andern Stelle bemerkt er, Jupiter selbst werde Pecunia genannt, weil ja dem
Gelde alles gehöre. Hätte man ihn Reichtum genannt, so würde sich das
hören lassen, denn der Inbegriff alles Reichtums sei Gott allerdings, wie auch
jeder gute Mensch reich sei, während man den Geldbesitzer, der arm an wahren
Gütern sei und von der Begierde nach mehr Geld verzehrt werde, arm nennen
müsse. „Was für eine Theologie, ruft er aus, die dem höchsten Gott den
Namen des Dinges beilegt, das noch nie ein weiser Mann begehrt hat!"
Na na! Und im neunten Kapitel des sechsten Buches macht er sich darüber
lustig, daß zur Nahrungsaufnahme zwei Göttinnen erforderlich seien, die Eß-
und die Trinkgöttin, daß man zum Gebrauche der Axt die Jntercidona, zu dem
des Mörsers den Pilumnus, zu dem des Besens die Deverra nötig habe. Dann
kommt er auf die Ehe und führt an, daß zur Verbindung von Mann und
Weib der Jugatinus, zur Einführung der Neuvermählten ins Haus des
Mannes der Domiducus, zur Konstatierung der Thatsache, daß sie drin ist,
der Domitius notwendig sei, und daß dann noch die Göttin Manturna dafür
sorgen müsse, daß sie auch drin bleibe. Das möge hingehn. Aber noch
mehr? ?arog,tur buirmims vör<zorwäig,g: psrsMt ostsra eououpisoöutia earms
et Sö.nAv.ini8 xrocursto ssorsto xuäoiis. Ho.ick imxlstur vo.bien1v.ro turdg,
no.miro.in, cmAnclo se virrsnyinvlii mas äiseeclunt? Was ihn aber nicht ab¬
hält, die sämtlichen Götter und Göttinnen, die hier in Thätigkeit treten,
und ihre Verrichtungen zu nennen und den Mann zu verspotten, der doch
eine recht klägliche Figur mache unter diesem Schwarm von Göttern und
Göttinnen, die sein Amt verrichteten. An einer andern Stelle zählt er die
Götter auf, die alle notwendig sind, damit eine Kornähre zustande komme;
es sind ihrer eine ganze Menge. Der eifernde Kirchenvater hat eben den
Sinn des Polytheismus nicht verstanden. Während der griechische Götter¬
himmel die idealisierte Menschheit ist, personifiziert der Römer nicht bloß alle
Naturvorgünge, sondern auch alle menschlichen Verrichtungen, um seinen
Glauben auszudrücken, daß weder die Natur irgend etwas schaffen noch der
Mensch irgend etwas thun könne ohne den Gott, der alles in allem wirkt. Es
ist die Lehre Christi nud Pauli in einer recht groben und abgeschmackten Hülle.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0136" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/230568"/>
            <fw type="header" place="top"> Der Römerstaat</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_432" prev="#ID_431"> sonders von Minerva zu erbitten? Und an der ists noch nicht genug; es<lb/>
muß noch der Gott Callus dazukommen, der die Leute gescheit macht. Wenn<lb/>
eine Gebärende Glück hat, so geht doch wohl alles gut von statten; aber nein,<lb/>
die Felicitas genügt nicht, außer ihr muß die Lucina helfen. Wer Glück hat,<lb/>
sollte man meinen, der müsse auch Geld haben. Fehlgeschossen! Das bringt<lb/>
erst die Göttin Pecunia, oder vielmehr sie bringt es nicht, sondern das Kupfer<lb/>
besorgt der Äskulanus und das Silber sein Sohn Argentinus. Den Ar-<lb/>
gentinus, bemerkt Augustin treffend, haben sie wohl darum zu des Äskulanus<lb/>
Sohne gemacht, weil das Kupfergeld früher im Gebrauch gewesen ist als das<lb/>
Silbergeld; warum haben sie aber nur nicht dem Argentinus noch einen Sohn<lb/>
Aurinus gegeben, da wir doch heute auch Goldmünzen haben? An einer<lb/>
andern Stelle bemerkt er, Jupiter selbst werde Pecunia genannt, weil ja dem<lb/>
Gelde alles gehöre. Hätte man ihn Reichtum genannt, so würde sich das<lb/>
hören lassen, denn der Inbegriff alles Reichtums sei Gott allerdings, wie auch<lb/>
jeder gute Mensch reich sei, während man den Geldbesitzer, der arm an wahren<lb/>
Gütern sei und von der Begierde nach mehr Geld verzehrt werde, arm nennen<lb/>
müsse. &#x201E;Was für eine Theologie, ruft er aus, die dem höchsten Gott den<lb/>
Namen des Dinges beilegt, das noch nie ein weiser Mann begehrt hat!"<lb/>
Na na! Und im neunten Kapitel des sechsten Buches macht er sich darüber<lb/>
lustig, daß zur Nahrungsaufnahme zwei Göttinnen erforderlich seien, die Eß-<lb/>
und die Trinkgöttin, daß man zum Gebrauche der Axt die Jntercidona, zu dem<lb/>
des Mörsers den Pilumnus, zu dem des Besens die Deverra nötig habe. Dann<lb/>
kommt er auf die Ehe und führt an, daß zur Verbindung von Mann und<lb/>
Weib der Jugatinus, zur Einführung der Neuvermählten ins Haus des<lb/>
Mannes der Domiducus, zur Konstatierung der Thatsache, daß sie drin ist,<lb/>
der Domitius notwendig sei, und daß dann noch die Göttin Manturna dafür<lb/>
sorgen müsse, daß sie auch drin bleibe. Das möge hingehn. Aber noch<lb/>
mehr? ?arog,tur buirmims vör&lt;zorwäig,g: psrsMt ostsra eououpisoöutia earms<lb/>
et Sö.nAv.ini8 xrocursto ssorsto xuäoiis. Ho.ick imxlstur vo.bien1v.ro turdg,<lb/>
no.miro.in, cmAnclo se virrsnyinvlii mas äiseeclunt? Was ihn aber nicht ab¬<lb/>
hält, die sämtlichen Götter und Göttinnen, die hier in Thätigkeit treten,<lb/>
und ihre Verrichtungen zu nennen und den Mann zu verspotten, der doch<lb/>
eine recht klägliche Figur mache unter diesem Schwarm von Göttern und<lb/>
Göttinnen, die sein Amt verrichteten. An einer andern Stelle zählt er die<lb/>
Götter auf, die alle notwendig sind, damit eine Kornähre zustande komme;<lb/>
es sind ihrer eine ganze Menge. Der eifernde Kirchenvater hat eben den<lb/>
Sinn des Polytheismus nicht verstanden. Während der griechische Götter¬<lb/>
himmel die idealisierte Menschheit ist, personifiziert der Römer nicht bloß alle<lb/>
Naturvorgünge, sondern auch alle menschlichen Verrichtungen, um seinen<lb/>
Glauben auszudrücken, daß weder die Natur irgend etwas schaffen noch der<lb/>
Mensch irgend etwas thun könne ohne den Gott, der alles in allem wirkt. Es<lb/>
ist die Lehre Christi nud Pauli in einer recht groben und abgeschmackten Hülle.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0136] Der Römerstaat sonders von Minerva zu erbitten? Und an der ists noch nicht genug; es muß noch der Gott Callus dazukommen, der die Leute gescheit macht. Wenn eine Gebärende Glück hat, so geht doch wohl alles gut von statten; aber nein, die Felicitas genügt nicht, außer ihr muß die Lucina helfen. Wer Glück hat, sollte man meinen, der müsse auch Geld haben. Fehlgeschossen! Das bringt erst die Göttin Pecunia, oder vielmehr sie bringt es nicht, sondern das Kupfer besorgt der Äskulanus und das Silber sein Sohn Argentinus. Den Ar- gentinus, bemerkt Augustin treffend, haben sie wohl darum zu des Äskulanus Sohne gemacht, weil das Kupfergeld früher im Gebrauch gewesen ist als das Silbergeld; warum haben sie aber nur nicht dem Argentinus noch einen Sohn Aurinus gegeben, da wir doch heute auch Goldmünzen haben? An einer andern Stelle bemerkt er, Jupiter selbst werde Pecunia genannt, weil ja dem Gelde alles gehöre. Hätte man ihn Reichtum genannt, so würde sich das hören lassen, denn der Inbegriff alles Reichtums sei Gott allerdings, wie auch jeder gute Mensch reich sei, während man den Geldbesitzer, der arm an wahren Gütern sei und von der Begierde nach mehr Geld verzehrt werde, arm nennen müsse. „Was für eine Theologie, ruft er aus, die dem höchsten Gott den Namen des Dinges beilegt, das noch nie ein weiser Mann begehrt hat!" Na na! Und im neunten Kapitel des sechsten Buches macht er sich darüber lustig, daß zur Nahrungsaufnahme zwei Göttinnen erforderlich seien, die Eß- und die Trinkgöttin, daß man zum Gebrauche der Axt die Jntercidona, zu dem des Mörsers den Pilumnus, zu dem des Besens die Deverra nötig habe. Dann kommt er auf die Ehe und führt an, daß zur Verbindung von Mann und Weib der Jugatinus, zur Einführung der Neuvermählten ins Haus des Mannes der Domiducus, zur Konstatierung der Thatsache, daß sie drin ist, der Domitius notwendig sei, und daß dann noch die Göttin Manturna dafür sorgen müsse, daß sie auch drin bleibe. Das möge hingehn. Aber noch mehr? ?arog,tur buirmims vör<zorwäig,g: psrsMt ostsra eououpisoöutia earms et Sö.nAv.ini8 xrocursto ssorsto xuäoiis. Ho.ick imxlstur vo.bien1v.ro turdg, no.miro.in, cmAnclo se virrsnyinvlii mas äiseeclunt? Was ihn aber nicht ab¬ hält, die sämtlichen Götter und Göttinnen, die hier in Thätigkeit treten, und ihre Verrichtungen zu nennen und den Mann zu verspotten, der doch eine recht klägliche Figur mache unter diesem Schwarm von Göttern und Göttinnen, die sein Amt verrichteten. An einer andern Stelle zählt er die Götter auf, die alle notwendig sind, damit eine Kornähre zustande komme; es sind ihrer eine ganze Menge. Der eifernde Kirchenvater hat eben den Sinn des Polytheismus nicht verstanden. Während der griechische Götter¬ himmel die idealisierte Menschheit ist, personifiziert der Römer nicht bloß alle Naturvorgünge, sondern auch alle menschlichen Verrichtungen, um seinen Glauben auszudrücken, daß weder die Natur irgend etwas schaffen noch der Mensch irgend etwas thun könne ohne den Gott, der alles in allem wirkt. Es ist die Lehre Christi nud Pauli in einer recht groben und abgeschmackten Hülle.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/136
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/136>, abgerufen am 28.09.2024.