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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die imperialistische Bewegung in England

In Südafrika, das er sich zum Arbeitsfelde erwählt hatte, sieht Rhodes
min damals eine doppelte Aufgabe zu lösen, und es läßt sich leicht erkennen,
wie sich darnach sein ganzes politisches Programm modelte. Die eine war die
Gewinnung des Hinterlandes der Kapkolonie und überhaupt Zentralafrikas
für die Engländer, die andre die Ausgleichung des Rasfengegensatzes in Süd¬
afrika, wo die Holländer die Engländer an Zahl weit überwogen, und wo das
Gefühl der Solidarität mit den engländerfeindlichen Buren auch in den unter
britischer Oberhoheit stehenden Staaten stark gegen England wirkte. Rhodes
erkannte, daß die zweite Aufgabe an Wichtigkeit der ersten mindestens gleich-
käme, und daß sie nur unter völliger Schonung der Empfindungen der Hol¬
länder gelöst werden könne. Statt wie die meisten seiner Landsleute sich im
Kaplande in einen Gegensatz zu den Holländern zu stellen, näherte er sich
ihnen und erfreute sich bis zum Jamesonschen Einfalle des vollen Vertrauens
und der Unterstützung des Afrikcmder-Bonds. Olive Schreiner, die bekannte
Schriftstellerin, die damals noch eine große Verehrerin von Rhodes war,
erklärte einmal, die Veränderung, die er bewirkt habe, sei geradezu wunderbar,
denn dieser Mann habe in einem oder zwei Jahren mehr geleistet, als irgend
ein andrer in dreißig Jahren fertig gebracht hätte.

Nach Beseitigung des Mißtrauens der holländischen Partei konnte er
nun an sein eigentliches Ziel denken, für das ihm die Unterstützung anch
des holländischen Teils der Kapbevölkerung sicher war: die Vereinigung der
südafrikanischen Staaten zu einem Staatenbunde. Eine solche war bei der
Lage der Verhältnisse nur nach amerikanischem Muster zu denken mit weit¬
gehender Selbständigkeit der einzelnen Staaten, die jedoch einige Angelegen¬
heiten gemeinsam und nach demselben Prinzip zu regeln hätten. Daher schreibt
sich wohl bei Rhodes die Vorliebe für das amerikanische System, dessen Vor¬
teile er seinem Lande durch sein Geschenk an Parnell sichern wollte, der sich
verpflichten mußte, in die Homerulebill eine ähnliche Vertretung der einzelnen
Teile des Reiches im englischen Parlament aufzunehmen.

Gemeinsam wollte Rhodes geregelt wissen die Frage der Eisenbahnen,
der Zölle, der Währung, der Berufung in Strafsachen, der Behandlung der
Eingebornen. Im übrigen erklärte er es für gleichgiltig, ob die vereinigten
Staaten Südafrikas unter britischer Flagge stünden oder nicht -- seine Pcme-
gyriker wiederholen aber immer wieder, daß sich die Annahme der britischen
Flagge für alle Staaten schließlich mit Notwendigkeit ergeben Hütte. Und es
ist kaum zu bezweifeln, daß ein auf solcher Grundlage geeinigter Bund zu
einem immer engern Anschluß der einzelnen Staaten unter einander und zum
Vorherrschen des englischen Elements darin geführt hätte. Deshalb sträubte
sich namentlich die Transvacilsche Negierung dagegen, die ihre Zölle erhöhte
und ihre Eisenbahn statt nach der Kapstadt nach der Delagoabai führte. Die
politischen Kämpfe in Südafrika während der letzten zwölf oder vierzehn Jahre


Die imperialistische Bewegung in England

In Südafrika, das er sich zum Arbeitsfelde erwählt hatte, sieht Rhodes
min damals eine doppelte Aufgabe zu lösen, und es läßt sich leicht erkennen,
wie sich darnach sein ganzes politisches Programm modelte. Die eine war die
Gewinnung des Hinterlandes der Kapkolonie und überhaupt Zentralafrikas
für die Engländer, die andre die Ausgleichung des Rasfengegensatzes in Süd¬
afrika, wo die Holländer die Engländer an Zahl weit überwogen, und wo das
Gefühl der Solidarität mit den engländerfeindlichen Buren auch in den unter
britischer Oberhoheit stehenden Staaten stark gegen England wirkte. Rhodes
erkannte, daß die zweite Aufgabe an Wichtigkeit der ersten mindestens gleich-
käme, und daß sie nur unter völliger Schonung der Empfindungen der Hol¬
länder gelöst werden könne. Statt wie die meisten seiner Landsleute sich im
Kaplande in einen Gegensatz zu den Holländern zu stellen, näherte er sich
ihnen und erfreute sich bis zum Jamesonschen Einfalle des vollen Vertrauens
und der Unterstützung des Afrikcmder-Bonds. Olive Schreiner, die bekannte
Schriftstellerin, die damals noch eine große Verehrerin von Rhodes war,
erklärte einmal, die Veränderung, die er bewirkt habe, sei geradezu wunderbar,
denn dieser Mann habe in einem oder zwei Jahren mehr geleistet, als irgend
ein andrer in dreißig Jahren fertig gebracht hätte.

Nach Beseitigung des Mißtrauens der holländischen Partei konnte er
nun an sein eigentliches Ziel denken, für das ihm die Unterstützung anch
des holländischen Teils der Kapbevölkerung sicher war: die Vereinigung der
südafrikanischen Staaten zu einem Staatenbunde. Eine solche war bei der
Lage der Verhältnisse nur nach amerikanischem Muster zu denken mit weit¬
gehender Selbständigkeit der einzelnen Staaten, die jedoch einige Angelegen¬
heiten gemeinsam und nach demselben Prinzip zu regeln hätten. Daher schreibt
sich wohl bei Rhodes die Vorliebe für das amerikanische System, dessen Vor¬
teile er seinem Lande durch sein Geschenk an Parnell sichern wollte, der sich
verpflichten mußte, in die Homerulebill eine ähnliche Vertretung der einzelnen
Teile des Reiches im englischen Parlament aufzunehmen.

Gemeinsam wollte Rhodes geregelt wissen die Frage der Eisenbahnen,
der Zölle, der Währung, der Berufung in Strafsachen, der Behandlung der
Eingebornen. Im übrigen erklärte er es für gleichgiltig, ob die vereinigten
Staaten Südafrikas unter britischer Flagge stünden oder nicht — seine Pcme-
gyriker wiederholen aber immer wieder, daß sich die Annahme der britischen
Flagge für alle Staaten schließlich mit Notwendigkeit ergeben Hütte. Und es
ist kaum zu bezweifeln, daß ein auf solcher Grundlage geeinigter Bund zu
einem immer engern Anschluß der einzelnen Staaten unter einander und zum
Vorherrschen des englischen Elements darin geführt hätte. Deshalb sträubte
sich namentlich die Transvacilsche Negierung dagegen, die ihre Zölle erhöhte
und ihre Eisenbahn statt nach der Kapstadt nach der Delagoabai führte. Die
politischen Kämpfe in Südafrika während der letzten zwölf oder vierzehn Jahre


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[0093] Die imperialistische Bewegung in England In Südafrika, das er sich zum Arbeitsfelde erwählt hatte, sieht Rhodes min damals eine doppelte Aufgabe zu lösen, und es läßt sich leicht erkennen, wie sich darnach sein ganzes politisches Programm modelte. Die eine war die Gewinnung des Hinterlandes der Kapkolonie und überhaupt Zentralafrikas für die Engländer, die andre die Ausgleichung des Rasfengegensatzes in Süd¬ afrika, wo die Holländer die Engländer an Zahl weit überwogen, und wo das Gefühl der Solidarität mit den engländerfeindlichen Buren auch in den unter britischer Oberhoheit stehenden Staaten stark gegen England wirkte. Rhodes erkannte, daß die zweite Aufgabe an Wichtigkeit der ersten mindestens gleich- käme, und daß sie nur unter völliger Schonung der Empfindungen der Hol¬ länder gelöst werden könne. Statt wie die meisten seiner Landsleute sich im Kaplande in einen Gegensatz zu den Holländern zu stellen, näherte er sich ihnen und erfreute sich bis zum Jamesonschen Einfalle des vollen Vertrauens und der Unterstützung des Afrikcmder-Bonds. Olive Schreiner, die bekannte Schriftstellerin, die damals noch eine große Verehrerin von Rhodes war, erklärte einmal, die Veränderung, die er bewirkt habe, sei geradezu wunderbar, denn dieser Mann habe in einem oder zwei Jahren mehr geleistet, als irgend ein andrer in dreißig Jahren fertig gebracht hätte. Nach Beseitigung des Mißtrauens der holländischen Partei konnte er nun an sein eigentliches Ziel denken, für das ihm die Unterstützung anch des holländischen Teils der Kapbevölkerung sicher war: die Vereinigung der südafrikanischen Staaten zu einem Staatenbunde. Eine solche war bei der Lage der Verhältnisse nur nach amerikanischem Muster zu denken mit weit¬ gehender Selbständigkeit der einzelnen Staaten, die jedoch einige Angelegen¬ heiten gemeinsam und nach demselben Prinzip zu regeln hätten. Daher schreibt sich wohl bei Rhodes die Vorliebe für das amerikanische System, dessen Vor¬ teile er seinem Lande durch sein Geschenk an Parnell sichern wollte, der sich verpflichten mußte, in die Homerulebill eine ähnliche Vertretung der einzelnen Teile des Reiches im englischen Parlament aufzunehmen. Gemeinsam wollte Rhodes geregelt wissen die Frage der Eisenbahnen, der Zölle, der Währung, der Berufung in Strafsachen, der Behandlung der Eingebornen. Im übrigen erklärte er es für gleichgiltig, ob die vereinigten Staaten Südafrikas unter britischer Flagge stünden oder nicht — seine Pcme- gyriker wiederholen aber immer wieder, daß sich die Annahme der britischen Flagge für alle Staaten schließlich mit Notwendigkeit ergeben Hütte. Und es ist kaum zu bezweifeln, daß ein auf solcher Grundlage geeinigter Bund zu einem immer engern Anschluß der einzelnen Staaten unter einander und zum Vorherrschen des englischen Elements darin geführt hätte. Deshalb sträubte sich namentlich die Transvacilsche Negierung dagegen, die ihre Zölle erhöhte und ihre Eisenbahn statt nach der Kapstadt nach der Delagoabai führte. Die politischen Kämpfe in Südafrika während der letzten zwölf oder vierzehn Jahre

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/93>, abgerufen am 23.07.2024.