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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die imperialistische Bewegung in Lngland

Dinge leichter unparteiisch sein kann als ein Engländer oder Deutscher, liebt
nichts von dem, wonach die andern Menschen trachten: weder den Luxus, noch
die Frauen, noch den geräuschvollen Ruhm. Über sein nachlässiges Äußere,
über seine abgetragnen Kleider, über die Abneigung, die er gegen Frauen zeigt,
über die Listen, die er anwendet, um sich den Kundgebungen und der Öffent¬
lichkeit zu entziehen, erzählt man sich in der Wüste in Afrika hundert be¬
lustigende Geschichtchen. Und selbst die Leute, die von ihm mit der geringsten
Sympathie sprechen, gestehen zu, daß diese Sonderbarkeiten nicht gemacht, nicht
die Wirkungen einer Pose sind, sondern daß es die natürliche Art dieses
Schweigers sich zu geben ist. Man kennt von ihm Züge kaiserlicher Freigebig¬
keit gegen seine Ansiedler, aber keine Handlung eines blasierten Verschwenders.
Er gab Parnell eine Viertelmillion Franken, aber man weiß keine Frau, die
er hoher als etliche Pfund veranschlagt hätte."

Diese persönlichen Eigenschaften im Bunde mit politischer und finanzieller
Macht stellten eine Kraft dar, die, auf ein bedeutendes Ziel gelenkt, Gewaltiges
vollbringen mußte. Und Rhodes hat ein solches Ziel, und er sieht die Mittel
zu seiner Verwirklichung klar vor seinen Angen. Jameson, der ihn 1878 in
Kimberleh kennen lernt und ihm näher tritt, berichtet, daß seine ganze Politik,
wie sie sich später entwickelte, schon in dem Gehirn des Sechsnndzwanzig-
jährigen vorgezeichnet war. Diese geht auf Expansion und Föderation aus.
"Nachdem ich die Geschichten andrer Länder gelesen hatte, sagt Rhodes einmal,
erkannte ich, daß Ausdehnung alles ist, und daß, da die Oberfläche der Welt
beschränkt ist, das große Ziel der gegenwärtigen Menschheit sein sollte, so viel
von der Welt zu nehmen, als sie nur immer kann." England, erklärt er, ist
ein kleines Land mit einer großen Bevölkerung, das seit hundert Jahren davon
lebte, Rohprodukte zu verarbeiten und dann der Welt wiederzugeben. Aber
nun beginnen sich die übrigen Länder gegen England durch Zölle abzuschließen.
"Darum ist Klein-England hoffnungslos. Wäre England ein Land wie die
Vereinigten Staaten mit einem riesig ausgedehnten Gebiet, so könnte es eine
solche Bahn einschlagen, aber mit einer ganz kleinen Jusel, die heute beinahe
eine Werkstatt ist, hängt seine Zukunft ab von seinen Beziehungen zu der
äußern Welt. Und diese Beziehungen hängen ab von seinen Beziehungen
zu den Kolonien von Südafrika, Australien, Kanada und der übrigen Welt."
Was dem englischen Volke nach ihm vor allem not thut, sind neue Länder¬
gebiete, die zur dauernden Besiedlung für die überfließende Bevölkerung ge¬
eignet wären und so Märkte für die Waren des alten Landes lieferten. Hohe
Zölle in den Kolonien sind darum durchaus zu verwerfen, denn sie begün¬
stigen nur einen ungesunden industriellen Wettbewerb mit dem Mutterlande.
Im übrigen ist Rhodes alles andre als engherzig britisch. Als geeignetste
Ansiedler in Nhodesia bezeichnet er die Bevölkerung des Kaplandes und Trans¬
vaals, und er hat die Buren immer mit offnen Armen aufgenommen.


Die imperialistische Bewegung in Lngland

Dinge leichter unparteiisch sein kann als ein Engländer oder Deutscher, liebt
nichts von dem, wonach die andern Menschen trachten: weder den Luxus, noch
die Frauen, noch den geräuschvollen Ruhm. Über sein nachlässiges Äußere,
über seine abgetragnen Kleider, über die Abneigung, die er gegen Frauen zeigt,
über die Listen, die er anwendet, um sich den Kundgebungen und der Öffent¬
lichkeit zu entziehen, erzählt man sich in der Wüste in Afrika hundert be¬
lustigende Geschichtchen. Und selbst die Leute, die von ihm mit der geringsten
Sympathie sprechen, gestehen zu, daß diese Sonderbarkeiten nicht gemacht, nicht
die Wirkungen einer Pose sind, sondern daß es die natürliche Art dieses
Schweigers sich zu geben ist. Man kennt von ihm Züge kaiserlicher Freigebig¬
keit gegen seine Ansiedler, aber keine Handlung eines blasierten Verschwenders.
Er gab Parnell eine Viertelmillion Franken, aber man weiß keine Frau, die
er hoher als etliche Pfund veranschlagt hätte."

Diese persönlichen Eigenschaften im Bunde mit politischer und finanzieller
Macht stellten eine Kraft dar, die, auf ein bedeutendes Ziel gelenkt, Gewaltiges
vollbringen mußte. Und Rhodes hat ein solches Ziel, und er sieht die Mittel
zu seiner Verwirklichung klar vor seinen Angen. Jameson, der ihn 1878 in
Kimberleh kennen lernt und ihm näher tritt, berichtet, daß seine ganze Politik,
wie sie sich später entwickelte, schon in dem Gehirn des Sechsnndzwanzig-
jährigen vorgezeichnet war. Diese geht auf Expansion und Föderation aus.
„Nachdem ich die Geschichten andrer Länder gelesen hatte, sagt Rhodes einmal,
erkannte ich, daß Ausdehnung alles ist, und daß, da die Oberfläche der Welt
beschränkt ist, das große Ziel der gegenwärtigen Menschheit sein sollte, so viel
von der Welt zu nehmen, als sie nur immer kann." England, erklärt er, ist
ein kleines Land mit einer großen Bevölkerung, das seit hundert Jahren davon
lebte, Rohprodukte zu verarbeiten und dann der Welt wiederzugeben. Aber
nun beginnen sich die übrigen Länder gegen England durch Zölle abzuschließen.
„Darum ist Klein-England hoffnungslos. Wäre England ein Land wie die
Vereinigten Staaten mit einem riesig ausgedehnten Gebiet, so könnte es eine
solche Bahn einschlagen, aber mit einer ganz kleinen Jusel, die heute beinahe
eine Werkstatt ist, hängt seine Zukunft ab von seinen Beziehungen zu der
äußern Welt. Und diese Beziehungen hängen ab von seinen Beziehungen
zu den Kolonien von Südafrika, Australien, Kanada und der übrigen Welt."
Was dem englischen Volke nach ihm vor allem not thut, sind neue Länder¬
gebiete, die zur dauernden Besiedlung für die überfließende Bevölkerung ge¬
eignet wären und so Märkte für die Waren des alten Landes lieferten. Hohe
Zölle in den Kolonien sind darum durchaus zu verwerfen, denn sie begün¬
stigen nur einen ungesunden industriellen Wettbewerb mit dem Mutterlande.
Im übrigen ist Rhodes alles andre als engherzig britisch. Als geeignetste
Ansiedler in Nhodesia bezeichnet er die Bevölkerung des Kaplandes und Trans¬
vaals, und er hat die Buren immer mit offnen Armen aufgenommen.


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[0092] Die imperialistische Bewegung in Lngland Dinge leichter unparteiisch sein kann als ein Engländer oder Deutscher, liebt nichts von dem, wonach die andern Menschen trachten: weder den Luxus, noch die Frauen, noch den geräuschvollen Ruhm. Über sein nachlässiges Äußere, über seine abgetragnen Kleider, über die Abneigung, die er gegen Frauen zeigt, über die Listen, die er anwendet, um sich den Kundgebungen und der Öffent¬ lichkeit zu entziehen, erzählt man sich in der Wüste in Afrika hundert be¬ lustigende Geschichtchen. Und selbst die Leute, die von ihm mit der geringsten Sympathie sprechen, gestehen zu, daß diese Sonderbarkeiten nicht gemacht, nicht die Wirkungen einer Pose sind, sondern daß es die natürliche Art dieses Schweigers sich zu geben ist. Man kennt von ihm Züge kaiserlicher Freigebig¬ keit gegen seine Ansiedler, aber keine Handlung eines blasierten Verschwenders. Er gab Parnell eine Viertelmillion Franken, aber man weiß keine Frau, die er hoher als etliche Pfund veranschlagt hätte." Diese persönlichen Eigenschaften im Bunde mit politischer und finanzieller Macht stellten eine Kraft dar, die, auf ein bedeutendes Ziel gelenkt, Gewaltiges vollbringen mußte. Und Rhodes hat ein solches Ziel, und er sieht die Mittel zu seiner Verwirklichung klar vor seinen Angen. Jameson, der ihn 1878 in Kimberleh kennen lernt und ihm näher tritt, berichtet, daß seine ganze Politik, wie sie sich später entwickelte, schon in dem Gehirn des Sechsnndzwanzig- jährigen vorgezeichnet war. Diese geht auf Expansion und Föderation aus. „Nachdem ich die Geschichten andrer Länder gelesen hatte, sagt Rhodes einmal, erkannte ich, daß Ausdehnung alles ist, und daß, da die Oberfläche der Welt beschränkt ist, das große Ziel der gegenwärtigen Menschheit sein sollte, so viel von der Welt zu nehmen, als sie nur immer kann." England, erklärt er, ist ein kleines Land mit einer großen Bevölkerung, das seit hundert Jahren davon lebte, Rohprodukte zu verarbeiten und dann der Welt wiederzugeben. Aber nun beginnen sich die übrigen Länder gegen England durch Zölle abzuschließen. „Darum ist Klein-England hoffnungslos. Wäre England ein Land wie die Vereinigten Staaten mit einem riesig ausgedehnten Gebiet, so könnte es eine solche Bahn einschlagen, aber mit einer ganz kleinen Jusel, die heute beinahe eine Werkstatt ist, hängt seine Zukunft ab von seinen Beziehungen zu der äußern Welt. Und diese Beziehungen hängen ab von seinen Beziehungen zu den Kolonien von Südafrika, Australien, Kanada und der übrigen Welt." Was dem englischen Volke nach ihm vor allem not thut, sind neue Länder¬ gebiete, die zur dauernden Besiedlung für die überfließende Bevölkerung ge¬ eignet wären und so Märkte für die Waren des alten Landes lieferten. Hohe Zölle in den Kolonien sind darum durchaus zu verwerfen, denn sie begün¬ stigen nur einen ungesunden industriellen Wettbewerb mit dem Mutterlande. Im übrigen ist Rhodes alles andre als engherzig britisch. Als geeignetste Ansiedler in Nhodesia bezeichnet er die Bevölkerung des Kaplandes und Trans¬ vaals, und er hat die Buren immer mit offnen Armen aufgenommen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/92>, abgerufen am 23.07.2024.